In den letzten Wochen habe ich einige Mails bekommen, die mich auf scheinbare Widersprüche in den Artikeln der letzten Wochen über die Ernährung (Getränke) in Training und Wettkampf hinwiesen. Es gibt aber keine Widersprüche, sondern die körperliche Situation in beiden Bereichen unterscheidet sich grundlegend.
Und weil ich auch bei Nachfragen im Rahmen des Berlin-Marathons bemerkt habe, dass diese Unterschiede nicht klar genug dargestellt wurden, möchte ich heute noch einmal versuchen Licht in das Dunkel der Trinkflasche zu bringen. Denn einige Läufer(innen) meinten, sie dürften auch im Rennen keine Kohlenhydrate zu sich nehmen, weil sie damit den Fettstoffwechsel stören könnten.
Die Hauptfrage ist zuerst einmal: Was wollen wir im Training erreichen? Eines unserer Hauptziele dabei ist unseren Fettstoffwechsel zu optimieren. Wenn wir das wollen, dann müssen wir unseren Körper in eine Kohlenhydrat-Mangel-Situation versetzen. Denn die Kohlenhydrate sind leichter verfügbar als Fett und brauchen für die gleiche Menge frei gesetzter Energie etwas weniger Sauerstoff.
Wir haben im Körper immer genügend Fett, aber dieses braucht im Gegensatz zu den Kohlenhydraten mehr Sauerstoff zur Verbrennung. Da nun aber die Menge an aufnehmbarem Sauerstoff (maximale Sauerstoffaufnahme) bei jedem Menschen begrenzt ist, kann der Organismus nicht allein seine Energie aus Fett gewinnen.
Wenn wir unserem Organismus im Training keine Kohlenhydrate anbieten und ihn immer mehr auf die fette Seite schieben, dann wird er ziemlich unlustig. Je nach Menge des noch vorhandenen Gehalts an Glykogen in der Muskulatur, wehrt er sich mit einem Schwächegefühl. Dies passiert besonders leicht bei den 35 km-Läufen. Es ist allzu menschlich, dass man dann dem Begehren des Körpers nachgibt und ihn mit Kohlenhydraten füttert.
Wenn dies bei einem extensiven Dauerlauftempo geschieht, dann bemerkt man ganz schnell, dass nach der Aufnahme eines kohlenhydrathaltigen Getränks die Kräfte wieder da sind. Aber mit welchem Preis hat man diese Kraft erkauft? Mit der Ausschüttung von Insulin und Insulin unterdrückt den Fettstoffwechsel.
Welche Auswirkungen hat das aber auf unser Trainingsresultat? 1. Wenn wir den Körper im Training luxusversorgen, dann spürt er nicht den Kohlenhydratmangel und hat es nicht nötig die Kohlenhydratspeicher in der Muskulatur zu vergrößern. Und 2. wird die Energieversorgung von Fettverbrennung mehr in Richtung Kohlenhydratverwertung geschoben.
Das hat aber auch zur Folge das weniger Sauerstoff verbraucht wird. Der Reiz, die maximale Sauerstoffaufnahme zu verbessern wird kleiner. Zwar behauptet die Wissenschaft, dass es zur Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme einer stark anaeroben Leistung bedarf, was ich aber nicht glauben will.
Wer einmal erlebt hat, wie es ist, wenn man nur noch von seinem Fett leben kann, der weiß, dass dies einen Reiz zur Vergrößerung der maximalen Sauerstoffaufnahme haben muss. Das Ganze ist natürlich schlecht messbar, denn wie soll man im Labor Menschen dazu bringen über die Erschöpfung hinaus weiter zu laufen.
Ich glaube, dass die vorhergehenden Zeilen die Probleme während eines langen Laufes im regenerativen bis extensiven Training deutlich machen. Aber leider ist die Sache nicht so eindeutig wie es ausschaut und gerade das, was in den kommenden Zeilen beschrieben wird, sorgt für die Verwirrung.
Denn was passiert denn nun, wenn das Trainingstempo deutlich erhöht wird? Wie zum Beispiel bei der Endbeschleunigung, bei der wir uns dem Marathonwettkampftempo nähern? Dort herrschen grundsätzlich andere Verhältnisse.
Wenn die Leistung bis zum Marathonrenntempo hoch geschraubt wird, dann treten verstärkt die Gegenspieler des Insulins auf den Plan, die Enzyme Glucagon, Adrenalin, Kortisol und Somatotropin. Wenn man in diesem Zeitraum nun Kohlenhydrate zu sich nimmt, kommt es zu keiner nennenswerten Insulinreaktion mehr.
Man kann es einfach so beschreiben: Wenn die oben vorhandenen Enzyme im Kreislauf sind, die entweder glykogenabbauend oder fettstoffwechselverstärkend wirken, dann darf kein Insulin ausgeschüttet werden, weil das ja dafür da ist, die Kohlenhydrate in die Muskelzelle zu bringen.
Jetzt wird jedes Molekülchen Zucker gern angenommen und sofort verbrannt. Aus Eiweiß wird nun auch Zucker gemacht, denn alles schreit nach Energie. Der Fettstoffwechsel wird dabei in keiner Weise gestört, der arbeitet auf höchstem Niveau weiter. Wir befinden uns in einem idealen Training. Es werden Reize auf alle für den Langstreckenlauf nötigen Systeme ausgeschüttet.
Diese Situation entspricht in etwa auch der im Marathonrennen. Hier treffen sich Training und Wettkampf auf einem Leistungsniveau und das hat einige verwirrt, weil ich einerseits geschrieben habe: Im Training keine Kohlenhydrate und es anderseits wieder empfehle. Es kommt immer auf den Zeitpunkt und das Tempo an.
Nun taucht aber leider ein Problem auf: Der größte Teil des Sauerstoffs wird nun in der arbeitenden Muskulatur gebraucht. Für die Verdauung bleibt nicht mehr viel übrig und dies hat Folgen. Alles was jetzt in den Magen geschüttet wird, wird nur ganz zäh verdaut. Gerade jetzt, wo wir so nötig die Kohlenhydrate und das Eiweiß benötigen, bleibt alles lange Zeit im Magen liegen, weil dieser, wie auch der Darm, nur ungenügend durchblutet wird.
Aber es gibt Unterschiede! Relative Anfänger und durchschnittliche Läufer(innen) können ihre im Rennen aufgenommene Nahrung deutlich besser verdauen als hochleistungsfähige. Damit es noch einmal ganz klar wird, meine Nachricht an alle, die z.B. beim Berlin-Marathon nicht unter den ersten 500 Männern oder den besten 100 Frauen kamen: Ihr könnt euch kohlenhydrat- oder eiweißangereicherte Verpflegung zum größten Teil sparen. Wasser reicht!
Wenn du zu dieser Personengruppe gehörst und dennoch Energiegetränke zu dir nimmst und du sie gut verträgst, dann nimm sie weiter. Sie könnten dir in diesem Fall psychologische Vorteile bringen.
Der große Rest aber von 98,5%, um beim Beispiel des Berlin-Marathons zu bleiben, hat Vorteile von der Unterwegsversorgung mit Kohlenhydraten und Eiweiß. Niemand braucht dabei Angst zu haben, dass der Fettstoffwechsel durch die Aufnahme von Kohlenhydraten gestört wird. Immer rein mit Buffer, Gel, Energy und Co.