Ich bin leidenschaftlicher Orientierungsläufer und wurde gefragt, ob ich nicht mal einen Greif-Newsletter schreiben wolle. Gedanken schießen mir durch den Kopf: ‚Ihr seid mir unbekannt. Weiß ich überhaupt, was für Euch hilfreich ist?‘ Nun gut, da ich die Newsletter noch nie gelesen habe, klickte ich mich erstmal durchs Archiv, um zu erfahren, was denn bisher zum Besten gegeben wurde: ‚Mensch, da steht doch schon alles. Lest doch einfach einmal das Archiv von hinten bis vorne durch. Dann habt Ihr auch eine Woche was zu tun.‘ Aber das ist nicht, was Ihr hören wollt, so war die Anfrage wohl nicht gedacht, also lege ich los und werde ja sehen, ob ich Euch erreiche:
In der Trainingslehre werden Trainingsprinzipien gelehrt, die als Basis für ein erfolgreiches Training gelten. Eins ist das Prinzip der Variabilität und Variation der Trainingsinhalte. Einige Aspekte dazu möchte ich Euch in diesem Newsletter kurz vorstellen und vor allem mit Ideen füllen.
Aus vielfältigen Gründen ist Variation im Training sinnvoll. Abwechslung ist gut fürs Zentrale Nervensytem. Variation aktiviert andere Nervenbahnen und -zellen. Variation macht Spaß und motivert. Varrierende Reize ermöglichen neue Anpassungseffekte, auch weil der leistungsfördernde Sympathikus mehr angesprochen wird. Jede Variation bringt eine andere Belastung für die Körperstrukturen. Für Läufer relevant sind die Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bandscheiben und Faszien.
Gedanklich stellt Ihr Euch jetzt eine Person vor, die 3 mal die Woche 45 Minuten die gleiche Strecke von 7 km auf Asphalt läuft. Immer wenn ein Paar Schuhe aufgebraucht ist, wird das gleiche Modell nochmal gekauft. Keiner von Euch macht das. Jeder von Euch variiert sein Training. Die Frage an Euch ist, ob es nicht trotzdem noch etwas Neues für Euch gibt:
- Schuhe: Klar, jeder Schuh ist anders und statt ein Paar durchzulaufen, ist es besser 3 Paare zu haben und diese abwechselnd anzuziehen. Wenn Ihr schon variiert, probiert mal einen Schuh mit etwas weniger Sprengung aus.
- Untergründe: Gibt es nicht-asphaltierte Wege, eine Bahn, Wiese oder Rasenfläche, die mit in die Trainingsstrecke eingebaut werden können?
- Steigungen: Bergauf fordert mehr Abdruck und macht den Schritte hinten lang.
- Treppenlaufen: Nehmt ihr jede Stufe mit, geht die Frequenz hoch und Ihr fordert Hüfte und Wade.
- Zeit: Es sollte kürzere und längere Trainings geben.
- Tempo: Hier kennt Ihr Euch aus: Extensiver Dauerlauf, Intensiver Dauerlauf, Tempodauerlauf, Cresendolauf, Fahrtspiel, Intervalle bis hin zu hochintensivem Intervalltraining (HIIT), Endbeschleunigung.
- Aquajogging: Das ist eine geniale Abwechslung, immer und besonders bei Verletzungen und Überlastungen.
- Barfußlaufen: Macht das zum Beispiel zum Auslaufen auf dem Rasen. Die gesamte Fußmuskulatur wird gefordert und vielleicht landet Ihr ja irgendwann mal bei Barfußschuhen.
- Gewicht: Bei guter Lauftechnik und niedrigem Tempo wird durch zeitlich dosiertem Einsatz von Gewichtswesten ein Bildungreiz für den Gelenkknorpel gegeben. Nach dem Ablegen fliegt Ihr förmlich. Wer das ausprobieren will, fängt bitte erstmal im Minutenbereich an.
- Fußaufsatz: Bitte je 3 Minuten im Wechsel die Rückfuß-, Mittelfuß-, Vorfußtechnik anwenden. Das ist ein Muss. Jeder kann die 3 Laufstile erlernen und Ihr seid wesentlich flexibler, um auf Belastungen zu reagieren. Der Vorfußstil entlastet u.a. die Knie und die vordere Schienbeinmuskulatur, der Rückfußstil entlastet u.a. die Achillessehne und Wade.
- Rumpfaufrichtung: Zumindestens mal 5 Minuten betont groß und aufrecht laufen. Da freut sich die Bandscheibe, die vielleicht so etwas besser zentriert wird.
- Armpendel: Macht mal hinten ein echtes Läuferdreieck und vorne einen kurzen Zug vor die Brust. Schon lauft ihr anders.
- Schrittfrequenz: Dies ist auch ein Muss für jeden Läufer. Ihr sollte bewußt in der Lage sein, die Schrittfrequenz zu verändern. Ihr könnt ja mal schauen, was so möglich ist. Eine höhere Frequenz ist tendenziell schonender.
- Rückwärtslaufen: Da geht noch was. Jetzt ist vor allem Eure Koordination gefordert. Aber wie gehabt, Ihr werdet besser, wenn Ihr es immer mal wieder einbaut. Eure Gesäßmuskulatur wird durch die betonte Hüftstreckung gefordert und die Wade muss stark exzentrisch arbeiten. Wer das ausprobieren will, fängt bitte erstmal im Minutenbereich an. Ich selbst habe eine Bergstrecke von 500m und 50 Höhenmeter. Auf der laufe ich schnell bergauf und langsam rückwärts bergab.
- Laufen mit Buch: Daran erkennt Ihr einen Orientierungsläufer. Die müssen lesen und laufen gleichzeitig können und üben deswegen solch komische Dinge. Dabei ändert sich natürlich der Laufstil und der Geist ist beansprucht.
- Querlaufen, also mal ab durchs Unterholz. Je unwegsamer der Untergrund, umso mehr wird wiederum Eure Koordination und Euer Gleichgewicht gefordert. Die Sprunggelenke werden reaktiver. Gleichzeitig ist Querlaufen immer intensiv. Seid behutsam und vorsichtig.
Was immer Ihr ausprobiert, fangt langsam damit an. Euer Körper muss sich daran gewöhnen. Natürlich ist nicht alles für jeden gedacht. Hört auf Euern Körper. Der sagt Euch, was gut für Euch ist. Und nun bin ich total gespannt auf Eure Reaktionen.
Herzliche Grüße,
Martin Hennseler