Wir fliegen wie Amseln durch die Orangenhaine, gleiten im warmen Wind.
Wenn wir laufen gehört uns die Welt, das Land ist unser.
Wir sprechen die Sprache der Vögel.
Wir sind keine Einwanderer mehr, keine dummen Mexikaner.
Wenn wir laufen erhebt sich unser Geist, dann sprechen wir zu den Göttern.
Wenn wir laufen sind wir Götter.
Diese Worte schrieb der 16-jährige Jose Cardenas 1987 im kalifornischen McFarland in einem Aufsatz an der Highschool.
Was muss passieren, damit der Sohn mexikanischer Einwanderer solche Zeilen verfasst? Du erfährst es in einem Läufer-Film aus dem Jahr 2015, den ich erst vor 3 Wochen entdeckt habe. Die Geschichte hat mich derart bewegt, dass ich sie dir an dieser Stelle empfehlen möchte. Es geht in diesem tiefgreifenden Film um mein Lieblingsthema ‚Motivation und Willen’ und zeigt, was alles möglich ist wenn man an sich glaubt und hartnäckig für ein Ziel arbeitet. Er trägt den schlichten Titel ‚City of McFarland‘, beruht auf einer wahren Geschichte und ist mit Kevin Costner in der Hauptrolle hervorragend besetzt.
Dieser faszinierende Film erzählt die Geschichte der Highschool in McFarland, einer trostlosen Kleinstadt in Kalifornien, die überwiegend von mexikanischen Einwanderern bewohnt wird. Hier gibt es keine Perspektive für die Zukunft und der erwähnenswerteste Teil der Infrastruktur ist das örtliche Gefängnis.
Der Highschool-Lehrer Jim White wird quasi strafversetzt an die Highschool von McFarland. Neben seinem Unterricht (Sport und Biologie) soll er als Assistenz-Trainer das erfolglose Football-Team der Schule coachen. Bereits in der ersten Woche überwirft er sich mit dem Chef-Trainer und fliegt aus dem Team. Nachdem ihm im Sport-Unterricht und im Alltag das augenscheinliche Lauf-Talent einiger Schüler auffällt, gründet er aus Mangel an Alternativen ein Crosslauf-Team mit dem Ziel, dieses für die kalifornischen Landesmeisterschaften zu qualifizieren. Dies ohne jegliche eigene Lauf- oder Leichtathletik-Erfahrung.
Wie die Saison verläuft und was sich daraus letztlich in den folgenden Jahren an dieser Schule entwickelt, schaust du dir am Besten selbst an. Da möchte ich nicht zu viel verraten. Erkenntnisse in trainingsmethodischen Dingen wird dir dieser Film sicher nicht bringen. Dafür gibt es eine große Portion Motivation. Im Vordergrund steht die Vermittlung von Werten wie Teamgeist, Verantwortung, Zusammenhalt, Freundschaft und Familie.
Wenn es dir beim nächsten langen Lauf oder Tempotraining mal wieder schwer fällt, kannst du bei dem Gedanken an den Film durchaus Kraft ziehen. Denke einfach an die Jungs und ihren Alltag.
Wenn ich daran denke, kommt mir im Gegensatz dazu sofort das allgemeine westliche Wohlstandsjammern in den Sinn. Diese Jungs standen vor Sonnenaufgang auf, waren um 5 Uhr früh zum Gemüse pflücken auf dem Feld. Anschließend Schule um danach unter der kalifornischen Sonne wieder auf dem Feld Kohlköpfe zu ernten. Nach getaner Arbeit ging es mit Coach White („Blanco“) zum Training über 8 oder 10 Meilen. Ohne Klagen, ohne Jammern. Dafür mit jeder Menge Motivation.
Wenn man sich dagegen die heutigen Ausreden und Jammereien anhört, dann kommt man schon ins Grübeln. Da kann an diesem oder jenen Tag nicht trainiert werden weil man 1h länger arbeiten muss, diese oder jene Trainingseinheit nicht absolvieren weil man keine Zeit hat, die Schuhe drücken oder die Strecke nicht gebügelt ist. Andere wähnen sich mit 3 mal Training pro Woche im "Übertraining". Die Gründe, warum man nicht laufen gehen kann, scheinen nahezu unendlich. Mir verschlägt es da regelmäßig die Sprache.
Der anfangs zitierte Jose Cardenas wurde übrigens später Journalist bei der Los Angeles Times.
Den Film ‚City of McFarland‘ kannst du u.a. bei Amazon für 3,99 Euro leihen oder für 11,99 Euro kaufen (beide Varianten als Stream). Du findest ihn auch, allerdings in schlechter Qualität komplett bei Youtube.