Einer der traurigsten Momente im Leben eines Läufers(in) ist die Sekunde, in dem dieser erkennen muss, dass es jetzt nichts mehr wird mit dem nächsten wichtigen Wettkampf: "Ich war so gut drauf und jetzt erwischt mich eine Grippe. Ich liege schon seit 4 Tagen mit Fieber im Bett."
Wie oft ich diese Worte schon gehört habe, kann ich nicht zählen. Besonders in der Winterzeit schlagen die Viren hinterhältig zu und legen uns Läufer flach. Dann bricht die reale und auch unsere Traumwelt zusammen.
Die ganze Arbeit des Winters im Eimer? Ja, glauben viele von uns schon nach 7 Tagen Trainingsausfall. Eine Woche Bettruhe und aus dem hochengagierten Läufer wird ein mutloser Jammerlappen. "Meinen Frühjahrs-Marathon kann ich abschreiben, ich konzentriere mich jetzt ganz auf Frankfurt. Schreibe bitte den Joker um."
Es werden in unserer Szene geradezu grauenhafte Horrorszenarien entwickelt, was die Auswirkung einer Trainingspause bewirkt. Nach einem Winterunfall mit 3 Wochen Ausfall rief mich ein Greif-Clubmitglied an und fragte, ob er denn jemals wieder ein so guter Läufer werden könnte, wie er vorher war. Diese Frage war ernsthaft!
Ich muss natürlich vorausschicken, dass es ein relativer Neuling in der Laufszene war, der diese Befürchtung hegte. Die "Alten Hasen" sind da schon etwas abgehärteter. Die sind zwar auch nicht gerade glücklich über eine Verletzung oder Erkrankung, aber sie wissen nach einem langen Läuferleben ziemlich genau wie lange es dauert, bis sie wieder auf den Beinen sind.
Ansonsten aber verbreitet ein Trainingsausfall Ängste, die nicht real sind. Besonders die Länge der Pause bis zur vollständigen Wiederherstellung wird im ganz hohen Maße überschätzt.
Gestützt werden diese Ängste stark von der Ärzteschaft, die natürlich auf Nummer sicher geht, wenn es um die Trainingspause nach Erkrankung oder Verletzung geht. Bei denen geht Vorsicht immer vor Läuferehrgeiz.
Können Ärzte es eigentlich überhaupt einschätzen, wann ein Läufer(in) wieder auf die Piste kann? Die meisten Mediziner können es nicht. Dies ist uns oft nicht klar, aber die Gründe liegen auf der Hand.
Wenn der Patient wieder gesund ist, dann verlässt er den Doktor, weil es keinen Grund mehr gibt, ihn zu konsultieren. Und so erfährt der Heiler niemals, wann der Sportler wieder anfängt zu trainieren und wann er sich wieder voll belastet.
Nur wenn der Wiedereinstieg schief geht, muss der Patient abermals zu seinem Arzt und bestätigt diesem somit, dass seine Empfehlung einer langen Pause nach der Erkrankung richtig ist. Im Kopf des Arztes wird dann eventuell die Wurzel zu einer Empfehlung einer noch längeren Schonzeit gelegt.
Der ehemalige Patient ist aber sonst allein auf sich und seine Umgebung angewiesen. Wenn er Glück hat, dann gerät er an einen Mitläufer, der schon einmal in der gleichen Situation war, wie er selbst. Aber ob sich aus diesem einmaligen Fall dann auch ein Wiederherstellungsablauf für ihn selbst konstruieren lässt, ist fraglich.
Erfahrene Trainer sind die da besseren Ansprechpartner. Da sie in vielen Jahren ihre Schützlinge haben stolpern und auch wieder aufstehen gesehen, können sie meistens deutlich besser einschätzen, wenn Läufer nach einem Trainingsausfall wieder richtig loslegen können.
Das hat aber auch seine Grenzen. Die Ausheilzeit von schweren orthopädischen Verletzungen ist sehr unterschiedlich. Und in diesen Fällen kann auch der erfahrenste Trainer keine sicheren Einschätzungen geben.
Anders sieht es nach grippalen Erkrankungen aus. Da hängen einige „Jungs“ viel zu lange in Mamas Arm umher. So ein Infekt dauert meist nur eine Woche, dann folgen 2 Tage aufraffen mit verstärktem Selbstmitleid und Streicheleinheitsforderungen.
Aber ab dann kannst du wieder dein Leben nach eigenem Gusto gestalten. Nach Fieberfreiheit, abgeschwollenen Drüsen (meistens Mandeln) und abklingen des Hustens, wird noch zwei Tage pausiert und dann geht es wieder, so schlaff du auch bist, raus auf die Piste.
Am ersten Tag läufst du 50 % deines gewohnten Trainingsumfangs, am zweiten 75 % und dann gehst du auf 100 %. Und zwar alles im regenerativen Tempo. Hast du diesen Zeitraum ohne Probleme überstanden, machst du einen Strich unter deine Erkrankung: Du bist wieder gesund!
Das heißt: Keine Schonung mehr! Es wird auch nicht mehr im Geiste herum geeiert und gefürchtet. Du bist voll belastbar und dir wird auch nicht passieren, was von den Folgen deines grippalen Infekts herrührt, wenn die Bedingungen so liegen, wie gerade beschrieben.
Ich bin jetzt über 30 Jahre Lauftrainer und mir ist kein Fall bekannt, bei dem dieses Verfahren schief gelaufen ist. Also ran an Tempoläufe und Lange Runde. Du brauchst maximal 10 Tage und bist wieder auf dem Stand vor der Erkrankung.
Meistens reicht auch schon eine Woche Normaltraining, um deinen Holger Meier wieder zu gefährden. Aber das ist auch Kopfsache. Nach dem Schlaffheitsgefühl der Wiedereinstiegsphase, schleppen einige von uns dieses Gefühl weiter mit sich herum und verbalisieren es auch; "Ich war schwer krank und lag tagelang mit hohem Fieber im Bett." So eiern sie im Schontempo und mit Angstgefühl weiter im Wald umher.
Diese entschuldigende Jammerei hört man aber fast ausschließlich von Männern. Für die ist ein banaler fiebriger Infekt eine lebensbedrohliche Erkrankung. Bei der die Erbschaftsfolge geregelt und die Höhe der Hinterbliebenenrente abgeschätzt werden müssen.
Nicht vergessen in diesem Fall meine Herren, der Mama zu sagen, wer die Laufschuhe nach dem Ableben bekommt, am besten schon vor dem Auftreten der Erkrankung einen Schuherben ausgucken.
"Schatz, meine guten Schuhe gehen alle an Thorsten, der hält sie in Ehren und den Wettkampfschuh, bei dem ich mir immer die Blasen lief, den kann Holger übernehmen. So räche ich mich wenigstens nach meinem Ableben noch an ihm. Stöhn!" Mir kommen die Tränen schon beim Schreiben dieser Zeilen.
Wie du nach einer richtig schweren Erkrankung oder Verletzung wieder auf die Beine kommst, darüber berichte ich im nächsten Newsletter.