Im ersten Teil des Textes über die Kaltwasserregeneration wurde ein Bad in der Badewanne empfohlen, bei der die möglichst kalten Temperaturen mit Eiswürfeln erzeugt werden sollte. Ich halte diese Idee für eine schon sadistische Methode. Da gibt es sicher einige Leute, die solche Temperaturen in der Wanne aushalten. Unsereins könnte nur unter der Anwendung von grober körperlicher Gewalt in solch ein Eisbad getrieben werden.
Große Vorteile hätte es gerade nach so einer schweren Anstrengung wie dem Marathon. Durch die dauerhafte Belastung werden die Blutgefäße durchlässig, Flüssigkeit dringt in das Gewebe ein und lässt die Beine und Füße nach dem Zieleinlauf anschwellen. So sollten Kompressionsstrümpfe auch mehrere Tage nach dem Marathon getragen werden. Mit dem Eisbad könnte man diese Zeit sicher abkürzen.
Aber Fakt ist: Jeder Marathonläufer oder Läuferin will nach dem Zieleinlauf in seine Komfortzone. Er/Sie will nur genießen! Jubeln, Trinken, Essen und sich ausruhen, eventuell noch eine Massage. Die Annahme, dass sich nur Hochprofessionelle in ein Eisbad legen ist hoch.
Aber andersrum, benutzen einige populäre Sportarten schon die Eiswasserbäder. So sollen Fußballer bei Turnieren dies sec schon länger praktizieren. Faude und Meyer beschreiben, dass sie diese Art von Bädern empfehlen.
"Im Vergleich zu der reinen passiven Regeneration sind bei den Eiswasserbädern signifikante Effekte von +5% zu erwarten. Diese Effekte können mehrere Tage andauern, so dass der Einsatz von Eiswasserbädern im Leistungsfußball für den Trainings-, Spiel- und Turnierbetrieb äußerst sinnvoll erscheint. Im ambitionierten Amateurfußball können Kaltwasserbecken mit handelsüblichen Regentonnen und eiskaltem Wasser nachgebildet werden."
Wenn die Fußballer es können, dann sollten wir uns auch Gedanken machen wie wir uns Möglichkeiten schaffen, nach harten Trainingseinheiten und Wettkämpfen unsere Regeneration zu verbessern. Einfach ist es in unseren Trainingslagern. Hier stehen vor Ort fast immer Schwimmbäder zu Verfügung.
Kaltwasserbad in Side/Sorgun 4/2014 , war gar nicht so kalt! Foto: Greif
Und da diese meist im frühen Frühjahr stattfinden, ist das Wasser auch entsprechend kalt. Das haben wir in diesem Jahr (2014) in Conil/Spanien und in Sorgun/Türkei mit Erfolg durchgeführt.
In der Türkei laufen wir jedes Mal unseren 35 Kilometer-Lauf an einem Fluss entlang, der in etwa der Isar entspricht. Das Ziel ist genau an einer Stelle mit einer Freiluftgaststätte und einer Möglichkeit im Fluss zu baden. Natürlich ist das Wasser auch entsprechend kalt und schon seit Jahren springen die Harten dort in das eiskalte Wasser, welches von Quellen und der Schneeschmelze aus den umliegenden Bergen gespeist wird.
Es gab auch schon eine Menge Vorreiter bei der Eiswasser-Regeneration. Schon vor mehr als zehn Jahren wandte Paula Radcliff Eisbäder nach jedem harten Training an. Ihr Weltrekord von 2003 mit 2:15:25 steht immer noch wie ein Fels in der Brandung der Marathonrekorde. Die Männer schneiden schon seit längerer Zeit fast jedes Jahr ein paar Sekunden vom Weltrekord, aber Paulas Bestzeit scheint im Augenblick kaum angreifbar.
Auch Mo Farah stieg schon 15 Minuten nach seinem Olympiasieg über 10.000 Meter in London in ein Eisbad. Sein Trainer berichtete, dass das ein starker Fakt war, um anschließend auch noch die 5000 Meter zu gewinnen.
Aber wie sollen denn wir ambitionierte Läufer und Läuferinnen uns im Training nach den oder Wettkämpfen solche Maßnahmen durchführen, die praktisch gar nicht möglich sind.
Also müssen wir uns den praktikablen Dingen zuwenden. So wie es der schweizer Sportwissenschaftler Faude empfiehlt, als eine Periodisierung der Kälteanwendung als Regenerationsmaßnahme, können wir es kaum durchführen. Vielversprechend sei nach Studienlage eine Ganzkörperanwendung im Stehen im Kälteimmersionsbad für zehn bis 15 Minuten bei 10 bis 15 °C kurz nach der Belastung.
Faude: "Wem zehn Minuten Kaltwasserbad am Stück zu lange sind, der kann sich bei einem ähnlich guten Ergebnis alternativ für drei mal vier Minuten mit jeweils einer Minute Pause ins kalte Nass begeben."
Aber wo sollen wir denn unter unserem mäßigen Zeitrahmen die Möglichkeit schaffen ein Gesamtkörper- Bad zu kreieren? Um eine Praktikabilität des Badens im kalten Wasser herzustellen, wird von einigen Wissenschaftlern empfohlen, dies in der Regentonne oder in einem kleinen aufblasbaren Swimmingpool durchzuführen.
Wenn dich die Nachbarn im April im Kinderpool liegen oder in der Regentonne stehen sehen, dann erklären Sie dich noch für viel verrückter, als sie früher gedacht haben. Und wenn du nach dem Marathonziel deinen Kinderpool aufbläst, dann hast du den Spott deiner Kollegen ganz sicher.
In unseren Trainingsurlauben im Frühjahr 2014 habe ich den Trainierenden folgendes Schema vorgegeben:
- 5 bis 10 Minuten die Beine in das kalte Wasser unseres Pool halten
- 4 – 10 sich in das Meer stellen
- 4 – 10 min sich im Meer oder Pool bewegen
Und das wurde dann auch durchgeführt, wie dieses Bild aus 03/2014 hier zeigt:
Hier in Conil war das Wasser noch deutlich kälter. Was man auch an der Eintauchtiefe dieser Herren deutlich erkennen kann. Foto: Müller
Natürlich gab es auch ein paar ganz Harte, die dann in den ziemlich kalten Swimmingpool ein paar Bahnen absolvierten. Da blühte natürlich gleich der Flachs mit dem Vorwurf, dass der hier Schwimmende das nur aufgrund seines starken Unterhautfettes aushalten könne.
Oh Graus, 12 - 14 Grad in Conil. Foto Müller
Die eigentliche Frage die sich stellt, wie haben sich die die Sportler dort vor Ort nach dem Kaltwasserbad gefühlt? Ohne Ausnahme berichteten alle von deutlich angenehmeren Gefühlen nach Tempoläufen und ein entspannteres Laufen am nächsten Trainingstag nach der Kaltwasserregeneration.
Leider sehe ich mich selbst nicht in der Lage einmal solch eine Maßnahme auch wissenschaftlich auszuwerten. Dazu habe ich erstens keine Zeit und zweitens müsste man die Eisbadenden mit einer Gruppe vergleichen, die diese Maßnahmen nicht getroffen haben.
Damit ist solch eine Studie schon völlig sinnlos, denn jede Gruppe weiß, was sie gemacht hat und dann spielt der Placeboeffekt eine zu große Rolle. Du kannst es sicher selbst einmal probieren und deiner sportlichen Umgebung davon berichten.
Beinahe hätte ich etwas unterschlagen: Kaltwasserbäder nehmen dir eine Menge Körperwärme, dass hat zur Folge, dass dir Energie entzogen wird. Kurz und gut: je länger du dich in diesem Wasser aufhältst und desto kälter es ist, umso mehr wirst du an Gewicht verlieren!! Hochleistungsschwimmer verbrauchen beim Training im 26 Grad warmen Wasser pro Tag 7- bis 12.000 Kilokalorien!!