"Ich nehme immer nur in der direkten Marathonvorbereitung richtig ab!" Einer sagt es und die Mitläufer(innen) nicken beifällig. Dann erzählt jemand seine Geschichte, wie er vom Fettsack zur Marathongerte mutierte und eine Läuferin hebt warnend den Finger und mahnt vor Magersucht. Zwei Ältere fassen sich heimlich an die Hüfte und messen den Speck oberhalb des Beckenknochens. Mit besorgten Minen streichen sie die Jacken wieder glatt unter denen das Hüftgold quillt und hoffen heimlich, dass ihr Holger Meier auch unter den Qualen eines Wanstes leidet.
Nach dem Training trifft man sich zum Weizenbier und einer Monster-Pizza. Stöhnt über das Training, der mangelnden Fitness und trinkt noch ein Weizen mit den Worten: "Wir haben ja noch viel Zeit bis zum Marathon!" Haben wir die wirklich? Ganz sicher nicht! In der Ausgabe vom 30.01.2007 hatte ich schon dargelegt, dass der Februar der Abnehmmonat Nr. 1 ist.
Warum denn nun aber im Februar, wo doch das Training für die Langstrecken-Saison erst im März so richtig losgeht? Das hat seine Gründe, die ich nachfolgend aufdröseln werde:
Im Februar ist die Trainingsintensität noch nicht sehr hoch, viele ruhige und lange Läufe stehen auf dem Plan, wer vernünftig trainiert, arbeitet meist im aeroben Energiebereich. In diesem Zeit-Abschnitt spielt der Fettstoffwechsel eine dominierende Rolle...
Wenn du jetzt im Februar weniger Energie zu dir nimmst als du zuführst, dann hast du erst einmal ein Problem. Wütend wehrt sich dein Körper mit Hunger gegen den Energiemangel, obwohl er doch dicke Reserven unter deiner Haut angelegt hat. Aber wenn du dieser Ess- und Trinklust in Maßen widerstehst, dann wird deinem Körper nichts anderes übrig bleiben als an seine Fettreserven zu gehen.
Das ist für dich äußerst vorteilhaft, denn einmal verlierst du überflüssiges Gewicht und zum anderen ist dein Organismus beim Training gezwungen, mehr Energie aus dem Fettstoffwechsel zu schöpfen, als er dies bei normaler Ernährung tun würde. Du trainierst also mit dem moderaten Verzicht auf allerlei Leckereien auch deinen Fettstoffwechsel.
Wenn du nun den Gewichtsverlust schön langsam betreibst und nicht mehr als 1 kg/Woche abnimmst, dann optimiert sich dein Lipidmetabolismus immer mehr. Das kommt dir später im Marathon zu Gute, denn er hilft dir, die knappen Kohlenhydratreserven zu strecken.
Unter Umständen kommt es in dieser Zeit aber doch zu Problemen, die da sind: Hohes Tempo kann nicht gelaufen werden und auf den 35 km kommt es zu einer Hungerrast. Das heißt, es läuft gar nichts mehr, wandern oder als Anhalter zum Ziel fahren ist angesagt. Das ist alles völlig normal und nicht problematisch, weil es die direkte Marathonvorbereitung nicht stört.
Aber wenn erst ein paar kg runter sind, wird alles besser, der Schritt wird länger und der Abdruck federnder. Es fühlt sich absolut super an, wenn man in die Nähe seines Idealgewichts kommt. Im wahrsten Sinne des Wortes wird alles leichter.
Was passiert nun aber, wenn die Gewichtsreduzierung auf die letzten wichtigen Wochen vor dem Marathon verschoben wird? Dann gibt es Schwierigkeiten! Jetzt in diesen 8-Wochen ist der Spaß vorbei. Das Marathonrenntempo muss trainiert werden und dies nicht zu knapp. Wenn du nun anfängst, deinem Körper nicht das zu geben, was er braucht, dann wirst du das Training nicht in der nötigen Intensität durchführen können.
Bei mangelnder Energiezuführung sind die Kohlenhydratspeicher schnell erschöpft und allein mit dem Fettstoffwechsel schaffst du das Marathonrenntempo kaum über 10 km. Der Grund ist, dass du jetzt nicht auf einen schon im Februar optimal trainierten Fettstoffwechsel zurückgreifen kannst.
Alles wird schwer, nur ganz mühsam schaffst du die 35 km oder du kommst gar nicht durch. Im Gegensatz zum Leistungseinbruch in der Winterzeit, haben vermehrte nicht durchgelaufene 35 km-Trainings fatale Folgen. Schon in der letzten Ausgabe hatte ich die nötige Häufigkeit der langen Läufe in der direkten Marathonvorbereitung angesprochen.
Aber es kann noch schlimmer kommen. Dieser Energiemangel in der Vorbereitung stresst den Organismus, genau so stresst auch das intensive und umfangreiche Training, welches im Februar nicht richtig vorbereitet wurde. Das zu hohe Gewicht, führt jetzt unter den starken Belastungen oft auch zu Verletzungen, denen noch mehr Stress folgt.
Kommt dann noch berufliche und oder private nervliche Belastung dazu, bricht unser körperliches Leistungssystem oft zusammen. Dies postuliert sich darin, dass uns der Körper den Leistungshahn abdreht, in dem er die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen unterbindet. Und dann ist Schluss mit lustig. Ohne Stresshormone geht gar nichts mehr, man spricht jetzt von einem Übertrainingssyndrom.
Und dies, obwohl gar nicht ungewöhnlich viel oder intensiv trainiert wurde. Sondern die auslösenden Faktoren waren die schlechte Vorbereitung im Februar, die mangelnde Energieversorgung in den letzten 8 Wochen vor dem Marathon und die zusätzlichen beruflichen und privaten Probleme.
Was denkst du wie viele Läufer(innen) schon in diese Falle getappt sind? Es waren sicher Tausende, der Schreiber dieser Zeilen gehört auch dazu! Jetzt kannst du sicher auch verstehen, warum so viele von uns diese elenden 42,2/10 km-Faktoren haben. Wenn die ganze Vorbereitung nicht stimmt, dann bleibt nur ein Ausweg: Die Ansprüche müssen herunter gesetzt werden.
Statt einem möglichen Faktor um die 4,7, wird dann eine 4,8 - 4,9 angepeilt. Und ich kann dir versichern, das macht das Leben für die Betroffenen deutlich leichter, aber die Bestzeit nicht kleiner.