Kaum hatte uns in der letzten Woche das knackige Winterwetter mit Temperaturen bis ca. -20 Grad erwischt, erreichten mich sofort zahlreiche Emails mit der Frage, bis zu welchen Minusgraden man denn noch laufen könne und ob die Kälte schädlich sei. Um es gleich vorweg zu nehmen: auch bei großer Kälte darfst und solltest du laufen gehen! Die Kälte sollte nicht als Vorwand dienen, das Training ausfallen zu lassen.
Der positive gesundheitliche Effekt durch das Laufen, vor allem auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem und den Stoffwechsel, ist natürlich auch im Winter und bei Kälte gegeben. Vor allem der Effekt der Stärkung des Immunsystems durch die Bewegung ist dabei natürlich entscheidend.
Es gibt immer wieder Bedenken, die Atemwege oder die Lunge könnte durch die extreme Kälte zu Schaden kommen. Das diese Angst unbegründet ist, zeigt ein kurzer Blick nach rechts oder links auf andere Sportarten. In den nordischen Ausdauerdisziplinen wie Skilanglauf oder Biathlon sind diese winterlichen Bedingungen der Standard. Bei Weltcups oder Weltmeisterschaften werden von den Athleten bei arktischen Temperaturen sportliche Höchstleistungen erbracht, ohne dabei gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Ich kann mich an eine Biathlon-Veranstaltung vor ein oder zwei Jahren erinnern, die bei ca. -30 Grad ausgetragen wurde. Sicher nicht unbedingt angenehm, aber zu Schaden gekommen ist niemand.
Das dem so ist, dafür sorgt der Kälteschutz-Mechanismus der Lunge. Dieser Mechanismus beruht auf einem einfachen physikalischem Prinzip, dem sogenannten Hagen-Poiseuille-Gesetz. Dieses Gesetz beschreibt die Abhängigkeit zwischen Strömungsgeschwindigkeit und Gefäßradius.
Unser Bronchialsystem teilt sich, ausgehend von der Luftröhre, in immer kleinere Verzweigungen auf. An den Enden dieser Verzweigungen befinden sich die Luftbläschen beziehungsweise Alveolen, in denen der Gasaustausch stattfindet. Der Durchmesser der Bronchialwege nimmt in seinem Verlauf immer weiter ab. Entsprechend des Hagen-Poiseuille-Gesetzes steigt dadurch der Strömungswiderstand und die Strömungsgeschwindigkeit der eingeatmeten Luft nimmt ab. Die Atemluft kommt so länger in Kontakt mit den Bronchialwegen und erwärmt sich stetig auf ihrem Weg zu den Alveolen. Aus diesem Grund kommt es nicht zu einer Vereisung der Bronchien. Diese Erwärmung kannst du zusätzlich unterstützen, indem du bewusst durch die Nase atmest. Dadurch muss die Luft einen noch längeren Weg zurücklegen.
Das war es eigentlich schon. Ob dies bei Temperaturen von -20 Grad angenehm ist, ist eine ganz andere Frage. Hier gilt es, wie immer beim Training, auf seinen Körper zu hören und zu entscheiden, ob die harte Tempoeinheit heute wirklich absolviert werden muss. Wenn mit Blick auf die Wettervorhersage abzusehen ist, dass der Spuk in ein paar Tagen vorbei ist, dann macht es an diesem Tag auch ein lockerer extensiver Dauerlauf.
Viel entscheidender als die Temperatur war in den letzten Tagen eher der Untergrund aus viel Schnee und vereisten Strecken. Trailschuhe, Spikes und Schneeketten hin oder her, es bleibt ein schweres Geläuf. Hat es frisch geschneit (wenig) oder ist der Schnee bereits gleichmäßig festgetreten, lässt sich der lockere Dauerlauf oder der lange Lauf noch ganz gut absolvieren. Problematisch wird es, wenn es glatter wird oder eine Eisschicht ins Spiel kommt. Beim Versuch unter diesen Bedingungen Tempoeinheiten zu absolvieren, kommt es mit jedem Schritt beim Abdruck zu einem kleinen Wegrutschen nach hinten. Dieser kleine Rutscher erhöht die Verletzungsgefahr, vor allem der Achillessehne, massiv. Aus diesem Grund habe ich selbst auf Schnee niemals Tempoläufe durchgeführt und bin statt dessen auf meine extensive Dauerlauf-Runde gegangen oder habe mir eine komplett geräumte Straße gesucht.
Achte bei dieser Kälte auf eine geeignete Bekleidung. Viele Läuferinnen und Läufern begehen den Fehler, sich viel zu warm für ihr Training anzuziehen. Es ist völlig in Ordnung auf dem ersten Kilometer leicht zu frieren! Bereits nach einigen Minuten steigt die Körpertemperatur enorm an und du verspürst keine Kälte mehr. Bist du dann zu dick angezogen, geht dein Puls höher als gewohnt, der Kreislauf wird zusätzlich belastet und du schwitzt deutlich mehr. Mit den nassen Sachen am Leib erhöht sich wiederum das Infektionsrisiko.
Angesagt ist bei der Bekleidung wie immer das bekannte Zwiebelprinzip: die einzelnen Zwiebelhäute sind in diesem Fall Funktionsunterwäsche, ein wärmeisolierendes Laufshirt und eine wind- und wasserabweisende Jacke. Dazu kommen Mütze und Handschuhe. Besonders fies ist bei dieser Kälte der Wind. Der macht die Angelegenheit so richtig eklig. In diesem Fall hilft ein Tuch oder eine Gesichtsmaske (ja ja ich weis…), die das Gesicht vor dem eisigen Wind schützt. Für alle, die auf längeren Runden mit zunehmend kälter werdenden Händen zu kämpfen haben, gibt es kleine Handwärmer oder auch beheizbare Handschuhe.
Immer wieder gibt es auch die Frage, ob man mit einer Erkältung laufen gehen darf. Ja, darfst du! Solange es sich wirklich nur um eine Erkältung handelt, die Nase läuft oder der Hals kratzt, du dich ansonsten aber gut fühlst, darfst du auch laufen gehen. Laufe auch hier eher locker und belaste deinen Körper nicht zusätzlich noch durch ein Tempotraining. Sobald allerdings Fieber oder auch geschwollene Lymphknoten ins Spiel kommen, solltest du unbedingt eine Pause einlegen. Warte ab bis die Symptome vollständig abgeklungen sind.
Wie es aussieht, ist der Spuk mit der großen Kälte in den nächsten Tagen schon wieder vorbei. Bei mir werden ab Ende der Woche sonnige vorfrühlingshafte 12 Grad (plus) vorausgesagt.