Gerade schrieb mir ein Läufer, dass er jetzt nach dem Frankfurt-Marathon mit Bestzeit erst einmal drei Wochen gar nichts machen möchte. So eine Idee wirkt sich katastrophal für den Aufbau zur nächsten Saison hin aus. Natürlich fühlt sich der Gute nach dem langen Rennen kaputt und erschöpft, aber man kann sich auch mittels eines lockeren Trainings erholen.
Als Beispiel nachfolgende zwei Erholungswochen nach dem Frankfurt-Marathon von einem Greif Club-Mitglied, der einen Marathonplan verfolgt mit fünfmaligem wöchentlichen Training und einer 10 km-Zielzeit von 41 min:
Training Woche vom 31.10.11 - 06.11.11 |
Montag | 31.10.11 |
Nichts machen! Nicht laufen, Radfahren oder irgendwelche andere besondere körperliche Aktivitäten, besonder nicht Schwimmen! Auch keine Sauna! Massage ist empfohlen! Du bist direkt nach dem Rennen besonder infektionsgefährdet. Darum halte Ruhe und gib deinen Körper Zeit sich zu erholen. |
|
Dienstag | 01.11.11 |
Heute solltest du schon wieder ein paar km laufen. Dazu gibt es keine Vorgaben. Du musst einfach auf deinen Körper hören. Wenn du Schmerzen oder Schwäche fühlst, dann mache besser weniger, als auch nur einen Meter zuviel. | |
Mittwoch | 02.11.11 |
Pause. | |
Donnerstag | 03.11.11 |
8 - 12 km regenerativer Dauerlauf in 6:06 - 5:36 min/km. Pulsbereich 110 - 115. | |
Freitag | 04.11.11 |
Pause. | |
Samstag | 05.11.11 |
10 - 14 km extensiver Dauerlauf in 5:36 - 5:18 min/km. Pulsbereich 115 - 127. | |
Sonntag | 06.11.11 |
10 - 15 km extensiver Dauerlauf in 5:36 - 5:18 min/km. Pulsbereich 115 - 127. |
Training Woche vom 07.11.11 - 13.11.11 |
Montag | 07.11.11 |
12 - 17 km extensiver Dauerlauf in 5:36 - 5:18 min/km. Pulsbereich 115 - 127. | |
Dienstag | 08.11.11 |
Pause. | |
Mittwoch | 09.11.11 |
Wenn nichts mehr schmerzt und du dich locker fühlst, dann kannst du heute schon wieder etwas schneller laufen. 15 km mittelintensiver Dauerlauf in 4:57 min km. Pulsbereich 115 - 127. | |
Donnerstag | 10.11.11 |
Pause. | |
Freitag | 11.11.11 |
15 - 20 km extensiver Dauerlauf in 5:36 - 5:18 min/km. Pulsbereich 115 - 127. | |
Samstag | 12.11.11 |
Der alte Rhythmus beginnt wieder. Hast du in diesem Halbjahr noch einen Marathon vor, dann beginne
sofort wieder mit 35 km extensivem Dauerlauf in 5:36 - 5:18 min/km. Pulsbereich 115 - 127. Willst du hingegen in den nächsten 3 - 4 Monaten keinen Marathon oder Ultra laufen, dann reichen 25 km. |
|
Sonntag | 13.11.11 |
90 min regenerativer Dauerlauf in 6:06 - 5:36 min/km. Pulsbereich 110 - 115. |
Du kannst sicher sein, dass du bei einem normalen Wettkampf-Verlauf 14 Tage nach dem Rennen wieder fit bist. Aber es gibt Ausnahmen, die sich schon im Endkampf des Marathons ankündigen:
Wenn du schon ab km 30 ein starkes Gefühl der Schwäche hast und mit aller Kraft um dein geplantes Tempo kämpfen musst und im weiteren Verlauf Angst hast körperlich zusammenzubrechen, aber dennoch dicht an deiner Planzeit in das Ziel kommst, dann bist du an die "Substanz" gegangen.
Als Beispiel möge "Mocki" gelten, die unter 2:25 h laufen wollte, aber mit letzter Kraft noch eine 2:28 h schaffte. Dass Sie diese Zeit noch gelaufen ist, war ein bewundernswerter Sieg über sich selbst. Ich weiß aus eigener Erfahrung gut genug, welche Schmerzen sie auf den letzten 10 km erleiden musste.
Sie wird dieses Rennen nicht nach zwei Wochen aus den Knochen bekommen. Es wird mindestens drei dauern, bis sie wieder einigermaßen laufen kann. Im schlimmsten Fall kann die Erholzeit aber auch 5 - 6 Wochen andauern.
Und ich kann dir versichern, wenn du so einen Zustand nicht kennst, dass ist so mit das Schrecklichste, was du in deinem Läuferleben erleben kannst. Du läufst los und fühlst dich noch schlapper wie ein gebrauchter Kondom.
Auch wenn du langsam losläufst, nimmst du an krank zu sein. Wenn du dann auch schon drei Wochen Erholungszeit hinter dir hast und kommst immer noch nicht auf die Füße, dann bist du überzeugt, dass es so ist.
Das ist aber in den seltensten Fällen so, irgendwann kommt ganz sicher der Tag, an dem du plötzlich wieder deine alte Kraft spürst und Holgers höhnisches Grinsen aus seinem Gesicht weicht. Dann bist du durch und kannst wieder mit Härte an dein Training gehen.
Aber wie gesagt, so etwas kommt sehr selten vor. Und ich bitte dich ernsthaft in deinem ureigenen Interesse, jetzt nicht deinen mit normalem Kampf zu Ende gebrachtes Rennen als Ausrede für eine sechswöchige Pause zu nutzen.
Im Gegenteil: Wenn du erfolgreich warst, dann setze dich SOFORT mit deinen neuen Zielen auseinander. Plane deine Regeneration, lege deine Wettkämpfe fest und setze dir Zeitziele für 2012. Da gibt es zu meinem Leidwesen immer wieder Läufer(innen), die warten bis zur Silvesternacht, um ihre persönlichen Ziele festzulegen. So etwas ist schlichtweg falsch.
Diese Menschen verpassen acht Wochen, in denen sie sich geistig und körperlich auf die kommenden Erfolge vorbereiten könnten. Wer jetzt schon klare Felder absteckt, wird sich auch psychisch darauf vorbereiten, die richtige Saat für seine Felder zu wählen.
Wer keinen seiner Träume und Realitäten in der jetzigen Zeit verarbeitet, wird seinen augenblicklich noch gestählten Körper zu einem schwammigen Etwas herunterfahren.
Nachmittage mit Plätzchen, Abende mit Marzipankugeln, schneereiche Tage mit eisigem Wind und Trainingsunlust, sowie der Weihnachtsmarkt mit Glühwein und Lebkuchen schwabbeln die Rundungen des Läufers in die Breite.
Der Wanst wächst in bester Qualität heran, die Wangen prangen gewölbt vor scheinbarer Gesundheit. Die Oma ist glücklich, dass der Junge endlich nicht mehr so abgehärmt daherkommt und alle loben dich, weil du jetzt mehr Zeit für die Familie hast.
Du nimmst das alles Gerne, aber tief in dir weißt du, dass du auch etwas für dich selbst tun musst und fühlst dich latent leicht unwohl. Aber dennoch nimmst du zu und deine Form ab. Die Silvesterplaner zählen in der Neujahrsnacht ihre Sünden zusammen, um dann mit Gewalt wieder in das Trainingsgeschäft einzusteigen.
Ohne Vorbereitung wird der Fettkörper in den Kampf geworfen, Muskeln und Sehnen und Knochen sind das erhöhte Gewicht nicht gewöhnt und es kommt ganz schnell zu Verletzungen, besonders dann, wenn auf Schneeboden trainiert wird.
Lasse es nicht soweit kommen, trainiere in den kommenden Wochen ruhig wenig und langsam. Erhole dich, stärke deine Muskeln und denke immer an deine Ziele. Dann isst du nicht mehr das fünfte Plätzchen und der Oma kannst du auch imponieren, wenn du ihr deinen Waschbrettbauch zeigst.
Die Kinder bindest du jetzt ein in deine läuferischen Aktivitäten:
Zweimal in der Woche einen MaxxF-Durchgang mit Partnerübungen macht allen Spaß, da kann auch der Lebenspartner mitmachen.
Immer wieder gerne am Wochenende genommen wird die Spaßbadrunde. Mama oder Papa läuft dort seine Lange Runde hin und der Rest der Familie nimmt das Auto. Dann wird gemeinsam geplanscht, anschließend wird noch etwas gegessen. Dann sind alle zufrieden und fahren gemeinsam glücklich nach Hause.
Solche Aktionen kann man auch hin zu Landgasthäusern oder Bauerncafes planen. Ein trockenes Hemd und Jacke im Auto mitgeführt, erlauben dem Laufenden einen unverschwitzten Auftritt.
Es gibt viele Möglichkeiten, in dem kommenden Regenerationszeitraum sportliche und familiäre Aktivitäten zu verbinden. Aber immer daran denken: "Es muss geplant werden".
Zum Ende dieses Textes möchte ich dir eine Freude bereiten, über einen Athleten, der beim Frankfurt-Marathon trotz einer nicht optimalen Vorbereitung schier Unmögliches erreicht hat.
Christian Frank aus Offenbach schrieb mir folgende Mail. Mit seiner Erlaubnis veröffentliche ich sie hier im vollen Umfang:
"Hallo Peter, ich denke, du bist auch an den Erfahrungen eines „Schmalspur“-Mitglieds mit lediglich einem Joker-Plan interessiert, zumal bei einer Zielzeit von 02:30:00. Daher möchte ich dir ein paar Zeilen schreiben.
Der Plan war auf den gestrigen Frankfurt-Marathon gerichtet. Bestzeit bisher 02:37:46. Dass die 02:30:00 für einen voll berufstätigen Enddreißiger nicht unambitioniert ist, weißt du selbst am besten und bringst das in deinen Plänen auch entsprechend rüber.
Zunächst konnte ich meine eigenen Vorgaben zum nicht unmaßgeblichen Zielgewicht nicht einhalten – schon einmal schlechte Voraussetzungen.
In den letzten acht Wochen hatte ich zudem heftige Oberschenkel-Probleme (Verhärtung) und musste zweimal für vier Tage komplett aussetzen und konnte/wollte den entscheidenden Test-HM nicht riskieren. Alles denkbar schlechte Voraussetzungen.
Ob ich damit deine übrigen Planvorgaben noch erbringen konnte, wusste ich überhaupt nicht. Ich habe nach den verletzungsbedingten Unterbrechungen aber versucht, in den Wochenturnus wieder einzusteigen und mich auf die Kerneinheiten zu konzentrieren.
Einige Intervalle und "Treppen" fielen aus, den TDL versuchte ich aber, in jedem Fall hinzukriegen, musste nur einmal abbrechen. Der lange Lauf musste aber immer klappen, stets mit Endbeschleunigung; als Kompensation plante ich lieber davor und/oder danach ein oder zwei Tage Pause ein.
Die einfachen Einheiten habe ich um rund 5 km erhöht. Erst in der vorletzten Woche konnte ich beschwerdefrei laufen, die Pace beim letzten TDL passte, ebenso beim langen Lauf. Trotzdem schien mir ein 3:33min-Schnitt außerhalb jeder Reichweite und eine frische Wettkampf-Zeit hatte ich ja auch nicht.
Zum ersten Mal machte ich auch ein ordentliches Tapering nach deinem Plan und fuhr den Körper –widerwillig- runter. Parallel beherzigte ich in den vergangenen Wochen einige Ernährungstipps, die in Richtung Dr. Strunz gehen; mein Gewicht konnte ich minimal reduzieren, den Fettanteil aber doch sichtbar. Trotzdem sind einem mit 75kg bei 180cm Körpergröße irgendwo Grenzen gesetzt.
Nach alldem müsste ich bis gestern eigentlich alles andere als dein Traumkandidat für die Vermeldung einer "Punktlandung" gewesen sein!
Du weißt wahrscheinlich, was jetzt kommt ...
Mit dem gestrigen Startschuss habe ich mich zum ersten Mal in meiner nicht gerade kurzen Laufgeschichte locker, unverkrampft und "frei" gefühlt, wusste, dass ich nicht gegen Widerstände in meinem Körper würde ankämpfen müssen. Die Splits lief ich mit lediglich 30 Sekunden Verlust – aus der "Zielzeit" wurde eine reale Zeit im Ziel: 2:29:45. Dritter bei der Hessischen Meisterschaft!
Bei meiner verletzungsbedingt eingeschränkten Vorbereitung musste ich also trotzdem einiges richtig gemacht haben. Eine "Greifsche Planerzielung" ist offenbar auch mit Lücken (klar ist bei Verletzungen Vorsicht geboten, das können ja aber auch zeitliche Engpässe sein) möglich, wenn die Eckpfeiler des Plans eingehalten werden können – und man sich mit einiger Selbstdisziplin durchbeißt. Das ist meine laienhafte Einschätzung.
Gelaufen bin zwar ich – einen nicht unerheblichen Anteil möchte ich jedoch dir zumessen. Das gilt doch erst recht, da ich ja nur mit dem Joker-Plan gearbeitet habe und du mich und meinen Leistungsverlauf kaum einschätzen konntest.
Mit Dank und sportlichem Gruß, dein Christian"
Nach dem ich Christian per Mail gefragt hatte, ob ich seinen Text hier an dieser Stelle veröffentlich darf, schrieb er mir wenige Stunden später eine weitere Mail, die mich fast aus dem Bürostuhl gehauen hätte:
"Hallo Peter, noch ein Letztes: Fast während der gesamten Strecke lief ca. 200m vor mir ein Läufer mit Garbsener Vereins-Trikot. Das war mit mir der einzige, der konstant innerhalb des Zielkorridors 2:30:00 lief und diese auch packte.
Ihn und nicht die zahlreichen Frauen mit Pacemaker wählte ich als Fixpunkt, weil er mir am konstantesten und irgendwie "souveränsten" aussah. An ihn heranlaufen konnte und wollte ich nicht. Aus irgendeinem Grund hatte ich mit zunehmender Renndauer das Gefühl, dass wir beide irgend etwas gemeinsam hatten und dachte an Peter Greif, zumal Garbsen ja in deiner Ecke ist (das vielleicht als rationale Erklärung...).
Jetzt sehe ich ihn in deiner Bestenliste (René Jäger) mit ebenfalls einer kräftigen Verbesserung! Das Ganze ist kein Witz - offenbar erkennen sich deine "Jünger" gegenseitig.
Beste Grüße nochmal, Christian."
Man kann so etwas kaum glauben, aber wenn ich nachdenke, ist es nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Zudem war es zu meiner Zeit bei ähnlich starken Läufern üblich, sich an die "Seesener" zu hängen: "Die laufen immer diszipliniert, gleichmäßig und kommen an."
Mit Martin Butzlaff war sogar noch ein weiteres Greif-Club-Mitglied in der Nähe der beiden. Martin war mit 2:27:17 h der schnellste dieses <2:30-Trios.
Aber alles in allem sind es diese Tage nach einem Marathon mit optimalen Wettkampfbedingungen, die mir Glück bedeuten. Dafür arbeite ich immer noch mit meinen fast 69 Jahren und lerne, lese und bilde mich immer noch weiter fort, um unseren Clubmitgliedern einen kleinen oder auch großen Schritt weiter helfen zu können.