Heute am 29.06.2010, an dem ich beginne diesen Artikel zu schreiben, schaue ich in den blühenden Sommergarten vor meinem Fenster und dort auf das große Thermometer. Es steht bei exakt 40 Grad. Was macht man bei diesen Temperaturen, wenn zum Beispiel wie am Wochenende in Hamburg mit dem Halbmarathon ein Wettkampf ansteht.
Resignieren und gleich langsam laufen? Oder gar nicht erst hinfahren? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Je länger die Stecke ist, desto größer wird der negative Einfluss von hohen Temperaturen. Obwohl, ich hatte heute Morgen schon eine Bestzeitenmeldung von dem oben genannten Halbmarathon. Ich sollte vielleicht erst einmal die Fakten und Umstände klar machen.
"Hitze-Wettkämpfe" beschäftigen mich schon seit Jahrzehnten. Diese Auseinandersetzung kommt von der eigenen früheren Empfindlichkeit bei hohen Temperaturen. Durch Probieren, im Erfahrungsaustausch und Literaturstudium kam ich dann zu einigen wirksamen Gegenmaßnahmen.
Das heute als so wirksam angepriesene "Pre-Cooling" betrieb ich schon in den ganz frühen 80-er Jahren. Und musste mich dafür oft genug als "bekloppt" hinstellen lassen.
Die Bahn-Leichtathletik hat im Sommer ihre Höhepunkte und wenn man an Meisterschaften teilnehmen wollte, muss man sich zwangsläufig deutlich mehr mit Hitzeläufen auseinander setzen als die Straßenläufer, die ihre Meisterschaften meist im kühlen Frühjahr und Herbst absolvieren.
Damals war es üblich sich vor jedem Bahnrennen gründlich "warm" zu laufen, sei die Hitze auch noch so groß. Das schaffte ich erst einmal ab. Bei Temperaturen >25 Grad wurde sich im Schatten aufgehalten, kurz eingelaufen, dann kurz vor dem Start die Haare und das Trikot nass gemacht und dann ging es los. Die Konkurrenz reagierte mit "bekloppt" und verlor.
Natürlich weigerten sich einige der eigenen Athletinnen mit nassen Haaren zu starten. "Wie sieht denn dass aus mit diesen angeklatschten Haaren, das mache ich nicht". Zitat von D.G., das war die, die sich weigerte auf der Zielgerade besonders bei publikumsstarken Veranstaltungen, noch einmal Gas zu geben. "Ich möchte nicht so abgekämpft in das Ziel kommen. Ich möchte immer noch lächeln und in das Publikum winken können."
Da bricht dann der Trainer fast zusammen und muss seinen Würgereiz unterdrücken. Nicht den bekannten, sondern den gewalttätigen.
Aber wie auch immer, das Pre-Cooling fand so nach und nach Nachahmer und auch Literatur und Fachpresse berichteten über Kühlhalten vor dem Rennen. Und plötzlich hatten es alle schon gewusst, dass dieses Verfahren das Beste ist.
Wir gingen aber noch einen Schritt weiter. An einem schrecklich heißen Nachmittag musste eine jugendliche Athletin aus unserem Verein zu ihrer 3000 m Landes-Meisterschaft antreten. Uns begleitete eine Kühltasche mit gefrorenen Gelkissen, Eiswürfeln, Kühlaccus und zwei l Wasser. Da hinein kam ein großes T-Shirt, welches beim Einlaufen dann eiskalt und nass getragen wurde.
5 min hielt das die Körpertemperatur niedrig und dann wurde das Shirt wieder in das eiskalte Wasser getaucht und es wurde erst kurz vor dem Start ausgezogen und ab ging die Post. Resultat? Klarer Sieg.
Weiter haben wir aber nicht mehr experimentiert. Denn so langsam verlor ich die Lust an unserer superstarken Damenmannschaft. Die sich intern nicht verstanden. Das ging so weit, dass sich die stärkste Läuferin weigerte bei einer deutschen Meisterschaft anzutreten, damit ihre "heiß geliebte" Vereinskameradin den Titel der deutschen Marathon-Mannschaftmeisterschaft nicht mit gewann.
Aber die Forscher arbeiten weiter am Pre-Cooling. Die nachfolgenden Zeilen sind zu großen Teil der Fachzeitschrift "Triathlon" entnommen:
"Athletes on the rocks?
Angesichts der zu erwartenden Hitzewelle bei den Olympischen Spielen in Athen 2004 und Peking 2008 wurde deshalb verstärkt nach verschiedenen Methoden der Körperkühlung gesucht. Im Fokus stand dabei vor allem eine Auswahl von äußerlich anwendbaren Kühlmaßnahmen, den Kälteapplikationen.
Die zentrale Frage: Würde es gelingen, die sportliche Leistungsfähigkeit durch eine kurzfristige Abkühlung des Körpers vor dem Wettkampf zu verbessern? Eine weitere Fragestellung betraf auch die Zeit nach der Belastung: Könnte ein schnelles herunter kühlen nach einem harten Training oder einem Wettkampf die regenerativen Prozesse beschleunigen und so die Leistungsfähigkeit schneller wiederherstellen?
Die Sportwissenschaftler Prof. Winfried Joch und Dr. Sandra Ückert kamen bei ihren Untersuchungen zum Thema "Cooling" an der Universität Münster in Westfalen zu interessanten Ergebnissen. Sie hatten Sportler für zweieinhalb Minuten in einer Kältekammer einer Temperatur von -110 Grad Celsius ausgesetzt.
Diese Pre-Cooling-Maßnahme bewirkte beim anschließenden Ausdauertest auf dem Fahrradergometer eine signifikant niedrigere Herzfrequenz um acht bis zehn Schläge pro Minute und deutlich geringere Laktatwerte gegenüber den Kontrollpersonen, die vor der Belastung nicht gekühlt wurden. Australische Forscher kamen zu ähnlichen Resultaten und bemerkten zudem noch einen deutlichen Anstieg des Herzschlagvolumens.
Auch Jim Cotter, Physiologe an der Universität Otago (Neuseeland), konnte im Jahr 2001 bei seinen Probanden nach einer Kälteapplikation mittels Kühlweste eine um 16 Prozent verbesserte Ausdauerleistung auf dem Ergometer beobachten. 1997 erbrachten in Australien auch Triathleten nach dem Tragen einer Kühlweste eine signifikant höhere Leistung auf dem Ergometer. Es muss also gar nicht der hohe materielle Aufwand einer Kühlkammer sein – schon die Abkühlung mithilfe einer speziellen Weste kann die Leistungsfähigkeit enorm verbessern, vor allem bei sehr heißen Umgebungstemperaturen.
Das Kühlen danach
Interessant ist neben dem wissenschaftlich erwiesenen Pre-Cooling-Effekt natürlich auch die Idee des schnellen Abkühlens nach einer Ausdauerbelastung. Dr. Sandra Ückert beschreibt in ihren Untersuchungen zu diesem Thema stets die verbesserte Herzfrequenzvariabilität. Diese deutet darauf hin, so die Sportwissenschaftlerin, dass es durch das Abkühlen zu einer größeren vagotonischen Steuerung käme, also der Verschiebung des Gleichgewichts des vegetativen Nervensystems hin zum Parasympathikus.
Dessen entspannende Wirkung würde die Regeneration beschleunigen. Das rasche herunter kühlen nach einer Belastung sollte, so die ursprüngliche Idee, aber vor allem den Rückfluss des Bluts aus der Hautregion in die inneren Organe beschleunigen. Man versprach sich davon in erster Linie eine Beschleunigung des Abtransports von Stoffwechselprodukten, was wiederum die Regeneration fördern und einen frühzeitigen Wiedereinstieg in intensives Training ermöglichen sollte.
Die Britin Paula Radcliffe, Inhaberin der Weltbestzeit im Marathon, nutzt das Cooling nach ihren Rennen regelmäßig. Auch Mathias Hecht, Profi im Trikot des Commerzbank Triathlon Teams, schwört mittlerweile auf die regenerationsfördernden Effekte von Eisbädern. Der Schweizer ist bei seinen häufigen Trainingsaufenthalten in Australien auf diese Methode gestoßen. Und tatsächlich scheint man in Down Under mehr Erfahrung mit den Methoden des Coolings zu haben.
"Früher bin ich nach dem Training kurz in den kalten See gesprungen. Heute nutze ich nach jeder harten und langen Trainingseinheit für etwa zehn Minuten ganz gezielt das Eisbad. Ich regeneriere dann schneller, kann unmittelbar Hitze abbauen und genieße das gute Gefühl der Kompressionswirkung, die das kalte Wasser hat."
Kein Wunder also, dass man im Bundesleistungszentrum Kienbaum im Jahr 2009 eine Kältekammer einrichtete, um den Athleten eine schnellere Regeneration zu ermöglichen. Gleichzeitig könne die Kammer auch genutzt werden, um entzündliche Prozesse zu verhindern, die besonders nach hochintensiven oder lang andauernden Belastungen entstünden, erklärte Prof. Winfried Joch bei der Einweihung. Diese Erfahrungen stützen Untersuchungen zur erfolgreichen Rheumabehandlung mittels Kälteanwendung."
Ich weiß auch von einigen deutschen Spitzenathleten, die nach dem Training in die eiskalte Badewanne springen, um sich abzukühlen. Es wird durchweg von positiven Erfahrungen berichtet. Ich selbst könnte so etwas nicht, kaltes Wasser ist mir ein Grauen. Ich dusche nicht einmal kalt.
Dann auch vielleicht noch ein Bad mit Eiswürfeln? Niemals, da hätte ich Angst, dass meine primären sexuellen Merkmale auf immer verschwinden würden. ;-) Aber die, die so etwas anwenden, schwören darauf.
Ich könnte mir auch noch ein paar schöne Sachen vorstellen, die man zum Abkühlen nutzen könnte. Ein Kinderplanschbecken mit zum Wettkampf nehmen. Mit dem Gartenschlauch füllen, um sich nach dem Rennen entspannend mit ein paar harten Jungs in das kalte Wasser zu setzen.
Oder eine Plastikregentonne nutzen, da passen im Stehen auch gut zwei Personen rein. Oder 5 - 6 Kühlkissen in die Kompressionsstrümpfe schieben oder das Kneiptretbecken im benachbarten Park nutzen. Alles das hilft.Was ist aber der eigentliche wissenschaftliche Hintergrund der Abkühlung vor dem Training und Wettkampf? Das Training bewirkt einen Anstieg der Körpertemperatur und je intensiver du trainierst, desto schneller ist dieser Anstieg. Dieser Anstieg der Körperkerntemperatur ist durch einen besseren Trainingszustand beeinflussbar. Negativ beeinflusst wird dieser Zustand aber durch heiße und feuchte Bedingungen.
Dein Körper gibt dir einen persönlichen Grenzwert vor, den du nicht überschreiten kannst. In der Regel dreht er dir den Leistungshahn gnadenlos zu, wenn du an diesen Grenzwert heran kommst. Wenn du aber dennoch versuchst weiter zu laufen, dann riskierst du nicht nur deine Gesundheit, sonderm eventuell auch dein Leben.
Aus diesem Grund ist es auch sinnvoll bei Hitzebedingungen mit einer möglichst niedrigen Körpertemperatur zu starten. Damit wird die Spanne zwischen der Startkörpertemperatur und der höchstmöglichen Körperkerntemperatur größer. Das heißt, der Zeitpunkt, an dem deine Leistung durch den Hitzestau im Körper eingeschränkt wird, tritt später ein.
In der internationalen Läuferszene werden dazu heute Kühljacken genutzt. Die wohl für die Laienläufer noch nicht zur Verfügung stehen, weil sie auch sehr teuer sind. Aber die kommen, wenn man sie erst preiswerter herstellen kann. Was eigentlich nur dann passiert, wenn die Nachfrage höher ist.
Hier sind noch abschließend einige Pre-cooling Tipps, die aus den wissenschaftlichen Berichten hervorgehen (aus Sport und Training):
- Benutzen Sie bestenfalls eine Kühljacke oder Dampfhandtücher bepackt mit Eis.
- Setzen Sie sich die Senkung der Hauttemperatur zum Hauptziel.
- Versuchen Sie 8-30 Minuten zu pre-coolen während des Aufwärmens und/oder den Phasen zwischen Aufwärmen und Wettkampf.
- Probieren Sie ihre ausgewählte Pre-cooling Technik aus, bevor Sie sie in einem wichtigen Wettkampf anwenden.
Nun bist du gewappnet gegen die Hitze. Wenn du sie verfluchst, dann denke einmal an den letzten Winter. Eiskalt, Dunkelheit, Schnee und Eis. Grässlich! Wir sollten dankbar sein für unser Sommerwetter und das Licht dieser Tage.