Heute muss ich mich etwas kurz fassen, damit du dieses neue Taperingverfahren = Unmittelbare Marathon- Vorbereitung nachfolgend nutzen kannst. Die Abbildungen stammen größententeils von Prof. Hottenrott aus dessen Vortrag vom 11.2011 beim DLV-A-Trainer-Lehrgang in Mainz. Ich danke dem Prof., dass er mir seine Folien zur Verfügung gestellt hat.
(Hottenrott Abbildung 1)
Das Grundlagentraining am besten unter Energiemangel wirkt, ist eine uralte Weißheit. Schon in unserem ersten Trainingsurlaub 1987 auf der Insel Hvar, die damals zu Serbien gehörte, wurde vor dem Training nicht gefrühstückt.
Das gab vielleicht einen Aufstand. Speziell die Damenwelt protestierte agressiv. Ich hatte aber noch die Kaffeewaffe im Hintergrund, denn es war die Zeit der Emanzipation und und ich fürchtet die Invasion von Alice Schwarzer.
(Ich malte mir grausige Vergewaltigungsszenen aus: Ein leerer Hotelflur, darin 20 liebesbrünstige Emanzen mit gerollten Emmas in der Hand. Die Langkleider gerafft, trieben sie mich den Flur entlang und am anderen Ende des Hotelflurs steht Alice mit unerbittlichen Blick. Mit einem Hilfeschrei wachte ich auf. Meine Frau neben mir fragte: Was ist denn nur los? Alice ist hinter mir her! Ihre lakonische Antwort: "Die hat aber einen schlechten Geschmack.)
Also bot ich bei den Friedensverhandlungen an, dass alle vor dem Training eine oder mehrere Tassen "Braunen" trinken sollten. Die Läuferinnen wussten aber nicht, dass ich diese "List" schon vorher eingeplant hatte. Weil es sinnvoll war und ist, morgens vor dem Training Koffein zuzuführen, der den Fettstofwechsel anregt.
Das ist auch der eigentlich Punkt. Alle Ausdauersportler müssen dafür sorgen, dass der eigene Fettstoffwechsel optimal trainiert ist. So werden die wertvollen Reserven von Proteinen und Glykogen geschont. Das ist einer der wenigen Wege eines austrainierten Läufers sich energetisch noch zu verbessern.
Dazu schreibt auch Dr. Ulrich Strunz:
"Unglaublich, meint einer von Ihnen und schickt mir den Blog eines Laufprofis. Unglaublich, meint er: "Der Europameister von 2006 macht jetzt neuerdings Nüchternläufe, Geheimtipp eines Ernährungsberaters, wegen des Fettstoffwechsels."
Unglaublich nur für Sie. Die Leser meiner News. Sie halten das Wissen, das Ihnen täglich hier vermittelt wird, für (fast) selbstverständlich. Für logisch und sofort einsichtig. Also für allgemein bekannt.
Sie täuschen sich. Da haben wir hier in Roth die besten deutschen Triathleten schon 1988/1989 nüchtern trainiert, aber erst heute, 2012, schreibt ein Laufprofi und Europameister:
"Eine der vielen Schrauben, an denen wir gerade drehen, um die letzten Minuten für die Olympia-Norm herauszukitzeln, besteht in der Fettverbrennung beim Rennen. Bei einer Ernährungsberatung wurde uns empfohlen, häufiger nüchtern, also ohne vorher zu essen, zu laufen, und so dem Körper keine Kohlenhydrate zu gönnen. Die Idee ist, dass er dann die Energiebereitstellung aus den Fettreserven optimiert, also auch im Wettkampf die Fettspeicher als einen besseren Zusatzenergie-Tank nutzt. Und am wenigsten im Magen habe ich dann morgens. Also: Frühstück erst nach dem Training... Für mich ist das jedoch etwas Neues, und ich bin gespannt ob es etwas bringt."
Heißt für mich: Da steckt noch so viel Potential drin. In der deutschen Leichtathletik. So viel Verbesserungsmöglichkeit. Erinnern Sie sich? Dezember 1988 in einer Sportzeitschrift: "Fortschritte sind zu erwarten im Fettstoffwechseltraining und beim mentalen Training". Punkt eins ist also 22 Jahre später angekommen. Immerhin...
Sie ahnen, dass ich lächele. Und an Punkt zwei denke."
(Hottenrott Abbildung 2)
(Hottenrott Abbildung 3)
Fast alle Leser dieses Newsletters kennen die Greif'sche-Version der unmittelbaren Marathonvorbereitung. Die hat sich über Jahrzehnte in der Praxis bewährt. Nur nach wissenschaftlich sporttheoretischen Erkenntnissen sollte der letzte 35-er nicht passend sein.
Nur haben die wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt, dass man im Rennen noch erfolgreicher sein kann, wenn man mit dem Tapering einige Tage früher beginnt. Und zwar mittels schnellen Herunterschraubens des Umfangs.
Die Leistungssteigerung durch dieses optimierte Training ist nicht erheblich, aber leicht und erholsam. Die durchschnittliche zu erwartende Verbesserung durch optimierte Vorbereitung beträgt 2 min. Nicht viel, aber dafür musst du auch weiniger trainineren.
(Hottenrott Abbildung 4)
Einem besseren Tapering folgt eine gesteigerte Leistung. Die Linien verfolgen die Verbesserungen über die Zeit der unmittelbaren Vorbereitung.
(Hottenrott Abbildung 5)
Abbildung 5 zeigt, dass die stärksten positiven Leistungseffekte durch eine 41 - 60% Reduzierung des Trainingsvolumens (Umfang) in der unmittelbaren Vorbereitung zu erzielen sind.
Nicht das Tempo zum Marathon hin abzusenken, bringt den größten Erfolg, wie wir immer dachten, sondern die schnelle Reduzierung des Umfangs in den letzten Tagen. Wie sich in der nachfolgenden Abbildung 6 zeigt.
(Hottenrott Abbildung 6)
Viel haben wir nicht falsch gemacht in unserem bisherigen Tapering-System. Wenn überhaupt. Eigentlich fällt bei uns jetzt der letzte 35-er weg, der nach der letzten Endbeschleunigung kommt, den wir immer ganz langsam und entspannt gelaufen sind. Daraus wird jetzt am Samstag ein 26 - 30 km extensiver Dauerlauf.
Wir müssen es einmal ausprobieren. Kommt es nicht zu einer positiven Veränderung, dann gehen wir im nächsten Jahr in diesem Punkt wieder auf unsere praktischen Erfahrungen zurück und laufen wieder 35 km.
Ich bin skeptisch: Denn niemals hat es sich im Kleinen gezeigt, dass theoretische Erkenntnisse besser sind als die praktischen. Aus diesem Grund musste ich meine Trainingsvorgaben in den letzten 25 Jahren auch nicht widerrufen. Aber ich bleibe aufmerksam und kann mich anpassen, wenn jemand mehr oder etwas besser weißt.
Darum bitte melde dich nach dem Ausprobieren des neuen Verfahrens. Egal ob du das neue oder alte Taperingverfahren vorziehst. Und ob dein Rennen positiv oder negativ ausgegangen ist. Wir bewerten dann die ganze Sache und sehen wie ich eventuell unsere Pläne (Greif Club) optimieren kann.
Hier geht es los mit dem neuen und alten Marathon-Tapering:
Und nachfolgend nur das neue Verfahren.
Wer gewohnt ist weniger als 7-mal pro Woche zu trainieren, streicht die nachfolgend gezeigten Tage:
Sechsmaliges Training/Woche: Beide Dienstage trainingsfrei
Fünfmaliges Training/Woche: Beide Dienstage und beide Donnerstage trainingsfrei
Viermaliges Training/Woche: Beide Dienstage, beide Donnerstage und beide Freitage trainingsfrei
Dreimaliges Training/Woche: Beide Dienstage, beide Donnerstage und beide Freitage trainingsfrei, sowie ein Sonntag frei