Heute am 23. August 2016 schreibe ich diese Zeilen. Gerade läuft unser Seminar in Wolfshagen/Harz. Wir haben warme und auch heiße Bedingungen.
An solchen Tagen kommt immer wieder das Thema Trinken im Wettkampf und Training zur Diskussion. Bei einem 35 km Lauf wies ich darauf hin, nicht zu große Mengen zu trinken.
Einige Mitglieder einer Frauengruppe waren vollständig konsterniert, als ich darauf hinwies, das zuviel Wasser schlimmer ist als zuwenig.
An solchen Reaktionen ist zu merken, das das Thema "Trinken" nicht richtig erkannt ist. Darum findest du nachfolgend einen Text, der dir die Augen öffnen wird:
Immer wenn die Hauptwettkämpfe näher kommen, werde ich bombardiert mit Fragen über Trinkverhalten per Mails, Anrufe oder auch Gespräche im Training. Hauptsächlich geht es dabei um die Mengen und die Flüssigkeiten, die man dort trinken soll oder nicht.
So alle paar Jahre muss ich mich an dieser Stelle zu diesem Thema äußern. Da aber frage ich mich, vergessen meine Leser diese Texte, die schon so oft geschrieben worden und auch im Newsletter-Archiv ganz einfach zu finden und nachzulesen sind.
Vielleicht sind das aber auch Neulinge auf unseren Seiten. Aus diesen Gründen nachfolgend noch einmal ein grundlegender Text, der schon einmal hier an dieser Stelle erschienen ist.
Großartig Neues gibt es nicht, alles ist noch so wie vor ein paar Jahren. Das Theater ist grundsätzlich das gleiche und die Fehler liegen ebenso immer wieder im Magen der Läufer und Läuferinnen. Kaum jemand will oder kann verstehen, dass eine leichte Dehydrierung (Flüssigkeitsmangel) die Leistung steigert. Es zeigt sich im weiteren Verlauf dieses Textes, dass sogar ein deutlich höherer Flüssigkeitsmangel im Wettkampf die Leistung noch weiter steigen lässt.
Hier kannst du noch einmal den Text nachlesen aus dem Jahr 2012: Weißt du, welche Texte verschiedener Medien in mir den meisten Ärger verursachen? Du wirst es nicht ahnen, es sind die Artikel über Trinken bei Ausdauerwettkämpfen, besonders beim Marathon. Jahrelang schreibe, rede und bitte ich darum, bei einem Rennen angepasst Energie aufzunehmen und zu trinken.
Leider kämpfe ich seit Jahren gegen fast undurchdringliche Mauern. Diese werden jetzt aber so langsam durchlässig. Seit den Studien des Südafrikaners Tim Noackes von vor mehr als zehn Jahren bricht die Wand der Dauersäufer. Jetzt meldet sich auch die Medizinszene massiv zu Worte.
Als ich am 12.09.2006 einen Artikel über Trinken im Marathon schrieb, erklärten mich einige Sportwissenschaftler als nicht ernst zu nehmenden Autor. Ein Medizinprofessor rief mich auch an - aus Höflichkeitsgründen möchte ich hier seinen Namen nicht nennen - und versuchte, mich in einem herablassenden Ton fachlich auseinanderzunehmen.
Das schaffte er leider nicht, denn wir beide mussten feststellen, dass er zwar einen theoretischen Durchblick hatte, aber praktisch eine Null war. D.h., er war vom Ausdauersport sportlich völlig unberührt. So beendeten wir dieses Telefonat nicht gerade als Freunde. Ich habe auch niemals wieder etwas von ihm gehört.
Aber wie gesagt, auf die Praktiker wird nicht gehört. Es muss nur erst einmal ein Afrikaner kommen, der praktische Studien vornimmt. Bei uns ging es von 1990 an nur nach Annahmen der Industrie und die Sportmedizin folgte den Wünschen der Getränkehersteller, obwohl wir Praktiker wussten, dass die Vorgabe ?trinken, trinken, trinken? falsch war.
Nun wird diese Sache anders gesehen, und wir kennen diese Vorgänge ja schon. Die Sportmedizin sagt nun, ?das haben wir schon immer gewusst?. Stimmt auch. Es waren mehr die Mediziner, die auf der Gehaltsliste einiger Unternehmen standen.
Aber dieses Gehalt reicht heute nicht mehr aus, um die Wahrheit vom Tisch zu wischen. Jetzt kommen Texte, wie der aus der Ärztezeitung online vom 03.08.12 auf den Markt. Titel: "Trinken bis zum Hirnödem" von Autor Thomas Müller. Nachfolgend Zitate aus diesem Text:
"Sportler sollen vor dem Sport, während des Sportes und danach viel trinken - solche Ratschläge gibt es zuhauf. Alles Quatsch, sagen inzwischen viele Sportmediziner. Man soll trinken, wenn man Durst hat. Alles andere ist sogar gefährlich.
Die 41-jährige Marathonläuferin hatte die Strecke zwar in fünf Stunden geschafft, fühlte sich danach aber nicht besonders wohl: ihr war übel, der Kreislauf war am Zusammenbrechen.
Sie gab an, genug getrunken zu haben, die anwesenden Ärzte verabreichten ihr aber Infusionen, weil sie einen Flüssigkeitsmangel vermuteten.
Das war fast fatal: Kurze Zeit später lag die Frau mit Hirnödem und Hyponatriämie auf der Intensivstation. Nicht zu wenig Wasser, sondern zu viel, war das Problem, wie Notfallmediziner um Dr. Stefan Trautwein vom Klinikum Kassel berichteten (Notfall Rettungsmed 2009; 12:287-289).
Offenbar passieren solche Unfälle immer wieder: Nach Marathonläufen haben bis zu 13 Prozent der Sportler zu niedrige Natriumspiegel (unter 136 mmol/l). Schwere Hyponatriämien mit Werten unter 120 mmol/l kommen immerhin bei 3 bis 6 von 1000 Läufern vor, schreiben Trautwein und Mitarbeiter.
Tipp: Diese Hyponatriämien verhindert der Greif-Krampfblocker.
Dagegen ist die Gefahr einer Dehydrierung eher gering. "Wir konnten in der Literatur keinen einzigen Fall von Dehydrierung als Todesursache bei Marathonläufern feststellen, es gibt aber zahlreiche Berichte über Läufer, die an einer Überhydrierung starben", schreiben Forscher um Dr. Carl Heneghan von der britischen Oxford University in einer aktuellen Publikation (BMJ 2012; 345:e4848).
Trinken auch ohne Durst?
Trotzdem glauben immer noch viele Sportler, dass man nie genug trinken kann und am besten auch dann noch Wasser in sich hineinschüttet, wenn man längst keinen Durst mehr hat.
Sportmediziner sind an dieser Haltung nicht ganz unschuldig, denn in der Zunft besteht bis heute ein Dissens, wann und wie viel man beim Sport trinken soll.
So warnte Professor Heinz Liesen, der an der Universität Paderborn ein sportmedizinisches Institut aufgebaut und viele Leistungssportler betreut hat, noch vor einigen Jahren: Wir haben kein gut entwickeltes Durstgefühl. Es gibt nicht wieder, was der Körper braucht."
Liesen rät, bereits eine halbe Stunde vor dem Sport die Flüssigkeitsreserven des Körpers aufzufüllen. Wer zu wenig trinke, könne weniger Leistung bringen und empfinde den Sport als belastend.
Liesen: "Jeder Flüssigkeitsmangel über einem Prozent des Körpergewichts kann gravierende Veränderungen bewirken."
Leichte Dehydrierung verbessert die Leistung.
Solchen Auffassungen widersprechen Heneghan und Mitarbeiter vom Zentrum für evidenzbasierte Medizin in Oxford vehement: In Studien über Körpergewichtsminderungen hätten selbst Flüssigkeitsverluste bis knapp über drei Prozent die Leistung der Athleten nicht geschmälert und auch keine Probleme verursacht, eher im Gegenteil, die Leistung sogar noch verbessert.
So wurden in einer Studie Sportler unter starker Belastung geprüft: Die einen durften während des Trainings trinken, die anderen nicht. Bis zu einem Flüssigkeitsverlust von 2,3 Prozent des Körpergewichts schnitten die Dehydrierten deutlich besser ab.
Die einfache Erklärung: Sie waren durch den Flüssigkeitsverlust leichter und mussten ihr Training nicht ständig zum Trinken unterbrechen.
Der Rat, zu trinken bevor man Durst hat, führe oft dazu, dass Sportler zu viel Wasser konsumieren würden. Das schmälere ihre Leistung und gefährde ihre Gesundheit, so Heneghan.
Marathon mit acht Prozent Gewichtsverlust.
Der Sportmediziner Dr. Tim Noakes von der Universität in Kapstadt in Südafrika warnt sogar davor, bei Athleten pauschal eine Prozentzahl für eine schädliche Dehydrierung anzugeben und nennt als Beispiel den US-Amerikaner Alberto Salazar.
(Tim Noakes folge ich seit Jahren, denn er ist der Sportwissenschaftler, der sich nicht nur auf Studien verlässt, sondern auch praktisch überprüft.)
Dieser hatte bei den olympischen Spielen 1984 in der Hitze von Los Angeles über acht Prozent seines Körpergewichts beim Marathon verloren. Dennoch lief er eine Zeit von zwei Stunden und 14 Minuten (Timothy Noakes im Magazin "Runner's World", Mai 2005).
Viele gute Marathonläufer, so Noakes, kommen mit einem halben Liter Wasser während des Wettkampfs aus. Viel gefährlicher sei ein Zuviel an Wasser. Bereits eine Zunahme von zwei Prozent des Körpergewichts durch Wasser könne generalisierte Ödeme erzeugen.
Der Sportmediziner verweist auch gerne auf afrikanische Buschmänner, die bei 40 Grad in der Savanne oft Marathonstrecken zurücklegen, ohne dass ihnen alle paar Kilometer eine Wasserflasche gereicht wird.
"Haben wir nicht ihre Physiologie geerbt?", fragt Noakes. Der Mensch habe durch seine Evolution in einer solchen Umgebung wie kein anderes Säugetier die Fähigkeit entwickelt, auch unter extremer Anstrengung und Hitze einen hohen Flüssigkeits- und Elektrolytverlust zu verkraften.
Dieses Defizit werde aller Regel nach nicht von Industriegetränken während der Anstrengung ausgeglichen. Dass man vor dem Sport trinken soll, auch wenn man keinen Durst hat, weil das Blut verdickt, hält Noakes daher für "eine unsinnige Auffassung, die sich zu einer Art Mantra entwickelt hat."
"Bisher konnte nicht nachgewiesen werden, dass es irgendeinen Nutzen bringt, mehr zu trinken, als der Durst uns signalisiert." Er sieht in diesem Mantra letztlich nur eine Marketingstrategie der Getränkeindustrie (BMJ 2012; 344:e4171 )."
Diese Zeilen kann ich ohne Einschränkungen auch unterschreiben. Aber die Getränkeindustrie gibt sich nicht geschlagen. Sie will natürlich uns alle dazu verleiten, möglichst viel zu trinken. In diesem Sinne tut sie eigentlich dasselbe wie die Pharmaindustrie, die uns nach Möglichkeit so viele Tabletten aufdrängt, wie reingehen.
In der letzten Ausgabe dieses Textes habe ich noch über Stellungnahmen vom Trinkverhalten von Senioren und nicht von Sportlern geschrieben. Das verwirrt nur, und darum weise ich nochmal ganz klar darauf hin, dass es hier nur um gut trainierte Läufer und Läuferinnen geht.
Die Firma Greif ist freundschaftlich verbunden mit der Firma UltraSports. Dennoch habe ich mich mit Dr. Wolfgang Feil, dem Chef von UltraSports, jahrelang verbal gekloppt. Er wollte nicht einsehen, dass speziell für das Training von ambitionierten Läufern in den meisten Fällen Wasser reicht. Ebenso gefiel ihm nicht, dass ich empfahl, sein Produkt Ultra-Buffer doppelt mit Wasser zu verdünnen.
Wir sind aber zu einem Konsens gekommen, weil wir beide zusammen überlegt haben, dass Trinkempfehlungen für Rennen und Training grundsätzlich unterschiedlich sein müssen. Dazu muss man unbedingt den Trainingszustand und auch die Ziele eines Ausdauersportlers betrachten.
Es ist einleuchtend, dass zwei Läufer, die bei einem Halbmarathon mit der gleichen Zeit in das Ziel kommen, einen unterschiedlichen Flüssigkeitsbedarf haben können. Denn wir alle wissen, dass einer von beiden die Zeit erreicht hat, in dem er sich das gespaltene Ding bis zum Anschlag aufgerissen hat und der andere locker joggend ins Ziel lief.
Zudem hat noch nie jemand erklärt, dass es zwei Arten von Durstgefühl gibt. Und ich weiß aus Erfahrung, dass dies die eigentliche Trinkfalle ist. Dazu mehr in der nächsten Woche, in der ich dich in einige weitere Geheimnisse einweihen werde.
Bis dahin genieße den Sommer und denke daran, dass du auch ohne Durstgefühl ein leckeres Kristallweizen (auch alkoholfrei :-; ) trinken darfst.