Manchmal gibt es im Leben noch Überraschungen und zwar auch auf dem Gebiet des Trainings. Du weißt es ganz sicher, dass Greif-Training nun nicht gerade eine Wellnessveranstaltung ist. Das gilt auch und insbesondere für unsere Trainingsurlaube, die Achim Achilles einmal als „Abu-Greif“ getauft hat.
Das ist natürlich völlig übertrieben, aber einen Funken Wahrheit enthalten diese Zeilen dennoch. Das ist mir auch klar, aber nach mehr als 40 Jahren in der Laufszene weiß ich wie die Sache läuft. Dazu gehört auch das gefürchtete Übertraining.
Und was einige Läufer und Läuferinnen über diese Art des Trainings denken, mag diese Anfrage eines 36 Jahre alten Läufers aufzeigen: „Ich trainiere nach T3M und fühle mich die letzte Zeit so schlapp. Bin ich übertrainiert?“
Diese Frage zeigt, dass die Angst vor einem Übertraining fast jedem steckt, sogar auch bei jemand, der sinnbildlich vier Tage in der Woche die Couch pflegt. Ängstlich sind viele, aber niemand kommt auf die Idee, dass Übertraining auch sinnvoll sein kann.
Doch es gibt ein paar Leute, die wissen um ein gesteuertes Übertraining. Daraus kann man erhebliche Leistungsfortschritte erzielen. Wenn man es denn richtig macht. Wir versuchen das seit Jahren in unseren Trainingsurlauben. Manch einem wird schlecht, wenn er so einen Trainingsplan sieht, den wir in unseren Trainingsurlauben nutzen.
Nachfolgend habe ich dir einmal in gekürzter Form unser Trainingswochen-Programm vom März 2014 in Side/Sorgun aufgezeichnet:
15.3. Abends: 10 - 15 km regenerativer Dauerlauf. Wer früh genug da ist.
16.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10000 m Tempodauerlauf "Ohne Uhr". Startgeld! Der/die Sieger/in bekommt alles!
17.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 - 20 km extensiver Dauerlauf
18.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 3 x 4000 m Wiederholungsläufe im HM – 10 km-Renntempo, 1200 m Trabpause. Entwicklungsgruppe 3 x 3000 m.
19.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 - 20 km extensiver Dauerlauf
20.3. Ca. 11 Uhr: 35 km extensiver Dauerlauf mit Busbegleitung nach Besconak.
Entwicklungsgruppe 15 – 30 km.
21.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 - 20 km extensiver Dauerlauf
22.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: Tempoturn: 10 km mit 17 x 400 m im Wechsel mit 200 m reduzierten Tempo: Bei dieser Einheit geht es im
Gegensatz zu den Wiederholungsläufen darum, eine möglichst schnelle Endzeit zu erzielen.
23.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 - 20 km extensiver Dauerlauf
24.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 4 x 2000 m Staffellauf um die "Türkenkohle". Startgeld!, die Sieger gewinnen alles!
25.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 - 20 km extensiver Dauerlauf
26.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 18 km im geplanten Marathon- oder Entwicklungsgruppe 15 km im geplanten Halbmarathon- Renntempo
27.3. Morgens: 20 min Athletiktraining und danach 7 - 10 km regenerativer Dauerlauf
Abends: 10 – 20 km extensiver Dauerlauf
28.3. ca. 11 Uhr: 35 km extensiver Dauerlauf mit Busbegleitung nach Besconak.
Entwicklungsgruppe 15 – 30 km.
29.3. Abreise
Komme um Himmelswillen nicht auf die Idee diesem Plan zu absolvieren. Den kann man nur unter der Ruhe eines Urlaubes abarbeiten. Und man muss wissen, was in den darauf folgenden Wochen passiert.
Bevor die Trainierenden wieder nach Hause fahren, halte ich immer einen Vortrag über die Nachtrainingslager-Depression. Und der ist ziemlich schockierend! Durch die Ruhe, die Gruppe und sicher auch durch die Motivation der Trainer fühlen sich die Läufer und Läuferinnen am Ende des Trainingslagers sehr gut.
Dabei kommt das Schlimme erst am zweiten Tag der Heimkehr. Am ersten Tag fühlen sich die Teilnehmer noch sehr gut, aber dann bricht fast das ganze Leistungsvermögen sinnbildlich zusammen. Natürlich kann jeder ohne Probleme noch lockere Dauerläufe absolvieren, aber wenn es an Qualitätseinheiten geht sind die Betroffenen so schlaff wie ein feuchtes Wischtuch.
Es trifft besonders diejenigen, die ihren Trainingsumfang in diesem Urlaub erheblich erhöhten. Aus Berichten weiß ich, dass manche Läufer und Läuferinnen so kaputt sind, dass sie manches Mal unterwegs weinen. Das ist jetzt kein Witz, diese Menschen haben das Gefühl überhaupt nicht mehr laufen zu können.
Und das ganze dauert dann 10 bis 14 Tage an. Das Schlimme in dieser Situation ist auch noch, dass die läuferische Umgebung voller Schadenfreude auf die sichtbar Übertrainierten verbal einhacken: „Wir haben dir doch gleich gesagt, dass der Greif dich kaputt trainiert!“
Wenn es nach ihnen gehen würde, dann könnten die Schadenfreudigen sogar ein Freudenfeuer anzünden, weil sie doch so etwas von Recht gehabt haben. Denn bekannterweise reagieren Gruppen auf Personen, die außerhalb der Gemeinschaft weiterkommen wollen, mit tiefer Ablehnung. „Wir haben sie gewarnt, aber sie wollte ja etwas Besseres sein!“
Aber du wirst schon ahnen, dass die Sache noch nicht an ihr Ende gekommen ist. Nach zehn bis 14 Tagen kommt es zu einer wahren Leistungsexplosion. Ich kann dir versichern, dass sich niemand vom Lauftreff bei den Übertrainierten entschuldigt, sondern die ziehen sich in die Ecke zurück und schmollen. Was denen vielleicht noch einfällt ist: "Doping!"
Nein es ist kein Doping, sondern Wissenschaftler haben jetzt eindeutig belegt, wie sich ein Übertraining nach einer Ruhephase auswirkt. Denn wie genau das alles abgeht, kannst du in der nächsten Woche hier an gleicher Stelle lesen.