Hallo liebe Laufgemeinde!
Der hoffentlich nicht nur kurz zu Besuch erschienene Lenz hat auch mich erwischt und dank meiner frühlingsgefühlbedingten Schwäche fiel ich dem unwiderstehlichen Rot eines Gravelbikes zum Opfer. Verliebt, wie ich war, musste ich den Neuerwerb natürlich umgehend mit zahlreichem Bildmaterial präsentieren. Hätte ich dies nicht getan, würden mich nun nicht diese Ultragedanken plagen. Warum?
Die Reaktion einer nicht sportlich interessierten aber sonst sehr netten Kollegin war nicht ganz überraschend:
"Machst Du dann jetzt auch Triathlon?"
"Ne, wieso das denn?"
"Na Triathlon ist doch dann die nächste Steigerung."
"Wieso bitte Steigerung?"
"Ja, Marathon kannst Du doch jetzt. Dann kommt doch Triathlon."
Auf einer Mischung aus gekränkter Läuferehre und Genervtheit balancierend, versuchte ich nun zu vermitteln, worum es beim Laufen tatsächlich geht und was eine Steigerung ist. Den Marathon immer schneller zu laufen, ist begrenzt. Das Limit findet jeder irgendwann. An irgendeinem Punkt warf ich ihr an den Kopf: "Es geht ja auch schließlich noch länger!" Damit konnte ich sie offenkundig erstaunen. Und mich eigentlich auch.
Denn seitdem lässt mich der Gedanke nicht mehr so recht los. Es gibt viele Läufer in meinem Umfeld, die nach einer mehrjährigen „heiße Phase“ mit einer starken Leistungsverbesserung basierend auf erhöhtem Trainingseinsatz ein Ziel erreichen, dass sie sich gesteckt haben. Danach folgen dann oft vergleichbare Entwicklungen, von denen 2 in meinen Augen sehr häufig anzutreffen sind:
- Manche ziehen sich zurück, weil es ihnen nicht gefällt, mehr investieren zu müssen um vergleichsweise niedrigere Fortschritte zu machen.
- Ein Teil der Läufer verharrt auf dem bisherigen Trainingslevel und ruft in den weiteren Jahren Wettkampfleistungen ab, die sich ebenso gleichen.
Ich erlebe es selten, dass ein bislang sehr ambitionierter Langstreckenläufer auf den Ultramarathon umsteigt und dort mit dem selben Engagement an Rekorden arbeitet, wie an seiner Marathonbestzeit.
Ich frage mich, warum die Ultralaufszene für Freizeitsportler, die bislang an Ihren Bestleistungen bis Marathon gefeilt haben, nicht eine stärkere Anziehungskraft hat. Ein paar Punkte, die MICH davon bislang abgehalten haben, sind mir sofort eingefallen:
- Noch zeitintensiveres Training
- Weniger Tempovariation in der Vorbereitung
- Das Training macht nicht wirklich schneller auf den Langstrecken
- Das Angebot an Veranstaltungen ist nicht so groß wie bei den üblichen Langstrecken (hier rede ich von offiziell vermessenen und schnell zu laufenden Pisten!)
- Fehltritte am WK-Tag sind aufgrund der geringeren WK-Dichte noch fataler als beim Marathon (betrifft natürlich auch Absagen von Veranstaltungen)
- Nach erster, oberflächlicher Recherche, sind die Publikationen zur Trainingsgestaltung nicht so inflationär wie für Marathon und Co. Vor allem aber wenn es nicht "nur" ums Ankommen geht.
Es gibt aber natürlich auch einige Gründe, die das Ultralaufen reizvoll machen. Allein schon die Tatsache, dass ein 100 KM-Wettkampf mit all seinen Anforderungen für die meisten von uns (endlich) mal wieder eine Art Neuland wären. Und mal ehrlich, auch wenn ich damals viel langsamer lief als heute. Ich denke noch oft an meine Laufanfänge zurück, wo die Überraschungen, Entwicklungen, Sprünge und Erfahrungen verglichen mit der mittlerweile eingekehrten (Teil-)Routiniertheit viel intensiver waren. Oder auch, dass die Trainingsorganisation, abgesehen vom Zeitaufwand, wahrscheinlich leichter wäre. Denn ein bedeutend höherer Anteil der Kilometer würde in einem Tempo gelaufen, für das man nicht immer eine Bahn oder eine bestens asphaltierte Strecke benötigt.
Wie seht Ihr das? Ist das für Euch eine Alternative? Was zieht Euch an am ambitionierten Ultralaufen. Was schreckt (hält) Euch ab?
Ich werde sicher noch einige Zeit mit dieser Idee schwanger gehen. Ob ich sie wieder loswerde?
Zumindest für den Augenblick scheint die kurzfristig eingetretene Sinnestrübung eingedämmt zu sein. Warum?
- Weil mir das Training nach meinen jetzigen (Greif-)Plänen einfach noch zu viel Spaß macht, als dass ich umsteigen würde.
- Weil ich mich jetzt schon darauf freue, meine rote Errungenschaft bei Wiederbelebung des Frühlings auszureiten.
- Weil ich im Greif-Mitgliedsbereich keine "Plangruppe U" finde. Warum eigentlich nicht. J
Viele ultraschöne Frühlingskilometer Euch allen!
Ralph