Ich muss dir einmal eine wahre Geschichte erzählen: Als ich im letzten Jahrtausend anfing kommerziell Trainingspläne zu verkaufen, legten wir das langsamst mögliche Ziel auf 40 Minuten/10 Kilometer.
Befragte Mitarbeiter und auch die Trainierenden aus dem Verein waren alle damit einverstanden diese Grenze zu ziehen. Denn wir kannten niemand, der zu Beginn seines Trainings ein Ziel über die 40 Minuten/10 Kilometer hatte.
Vielleicht aber doch, denn ich meine, dass wir die Grenze für die Frauen bei 50 min festgelegt hatten. Genau weiß ich das aber nicht mehr. Wie auch immer, in den achtziger Jahren gab es kaum jemand, der es lohnend ansah einen Trainingsplan zu nutzen oberhalb der beschriebenen Zeiten.
Das klappte auch ganz gut, denn die mir Folgenden waren erfolgreich und die Außenstehenden hielten den Schreiber dieser Zeilen so oder so bekloppt. Aber mit der Zeit kamen immer mehr Interessenten/innen, die sich kleinere Startziele setzen wollten, aber nicht in den vorgegebenen Rahmen passten.
Nun denn dachten wir, gehen wir eben als Grenze zu den 45 bzw. 55 Minuten/10 km. Aber dann ist Schluss, war die Meinung der Mehrheit: „Langsamer kann der Mensch doch gar nicht laufen!“ Doch konnten sie! Bald mussten wir die Ansprüche noch einmal deutlich absenken.
Wir erstellten dann auch Trainingspläne für Leute mit Zielen für 50 Minuten und 55/10 Kilometer. Es kam zum Schwur hier in der Firma und auch der Chef schwor mit: „Jetzt ist es endlich aus, langsamer machen wir keine Pläne mehr!“
Ahn`ste schon was? Ja, mit gebeugtem Haupt gebe ich zu, dass wir heute Trainingspläne bis zu 70 Minuten/10 Kilometer-Zielen anbieten. Und du glaubst es nicht, es gibt Personen, die noch langsamer trainieren möchten. An diesem Punkt haben wir uns dann knallhart verweigert.
Das ganze wäre ja nicht so problematisch zu sehen, wenn es sich nur um Läufer und Läuferinnen im fortgeschrittenen Alter handelt. Für diesen Personenkreis erstellen wir auch gerne und mit Freude Pläne.
Du solltest auch verstehen, dass wir in keiner Art und Weise auf die ganz langsamen Läufer und Läuferinnen herab sehen. Es wäre nur besser, wenn diese erst einmal mit reinen Dauerläufen ihre Leistung steigern würden. Und das geht ganz leicht!
Wochenweise langsam die die Umfänge steigern, das Gewicht verringern und die Ziele höher setzen. Wie man das macht, ist alles bei Uli Strunz nachzulesen. Es ist eigentlich ein Kinderspiel.
Wenn es nicht mehr so richtig weiter geht mit der Entwicklung, dann sind die Betroffenen reif für einen Trainingsplan. Oft aber ist die Idee für den möglichen Fortschritt zu klein. Mancher glaubt einfach nicht an seine Möglichkeiten.
Wenn die 1,78 m hohe Fettkugel mit einem Gewicht von 112 Kilo nur ein Ziel vor 59 Minuten/10 Kilometer anstrebt, dann ist das einfach zu niedrig. Jeder kann sich entwickeln und rank und schlank werden. Hier ein Beispiel:
Locker könnte diese Person 37 Kilogramm abnehmen. Sie würde dann eine zehn Kilometer Zeit von etwa 43 Minuten laufen können. Unser Gewichts-Laufzeit-Rechner ermittelt das so:
Aktuelles Gewicht: 112 kg
Geplante Fettabnahme: 37 kg
Berechnung:
Erzielbare Leistungssteigerung: 28.08 %
Erzielbare Zeit nach Abnahme: 42:25 min
Du musst dir also nur Mut machen und dir die entsprechenden Ziele setzen. Wenn du zauderst, weil du glaubst, dass du es nicht schaffen kannst, dann solltest du einmal die Leistungen betrachten, die unsere Mitglieder aufzeigen.
Du denkst vielleicht, dass du schon im fortgeschrittenen Alter bist und keine Chancen auf gute Zeiten mehr hast? Du denkst, du wirst jeden Tag langsamer und da rennt ein 52-jähriger über 10 km eine 34:30 min, nach dem er jahrelang in der Nähe von 40 min herumgelaufen ist. Du kommst dir irgendwie minderwertig vor.
Fakt sind aber zwei Tatsachen: 1. Ab 45 Jahre verlieren wir bei gleichbleibendem Training in der Regel 30 sec auf 10 km im Jahr. 2. Nicht alle Greif-Club-Mitglieder vollbringen solche Leistungssprünge, wie sie in den wöchentlichen Club-Highlights beschrieben sind.
Beschrieben werden an dieser Stelle nur die herausragenden Leistungen. Oft verbessern sich die Club-Mitglieder nur um ein paar sec oder auch scheinbar gar nicht. Wenn eine W55 Läuferin im Vorjahr eine 48:54 läuft und in diesem Jahr eine 48:59, dann ist das für Sie schon ein Erfolg. Ihr ist es gelungen, den Altersabbau aufzuhalten.
Natürlich ist es so, dass eine Vielzahl von Aktiven auch noch in der zweiten Lebenshälfte erstaunliche Leistungssteigerungen erzielt. Das geschieht in der Regel einmal durch einen späten Einstieg in unseren Sport oder durch Änderung und Verbesserung des Trainings.
Es gibt aber noch einen zweiten Grund, aus dem es plötzlich zu ganz überraschenden Leistungs-Aufwertungen kommt. Und zwar resultieren diese Aufwertungen oft aus gesteigertem Selbstbewusstsein. Manche von uns glauben nämlich nicht so richtig an Ihre Fähigkeiten. "Ich bin einfach nicht talentiert" oder "Meine Grundschnelligkeit ist zu schlecht, das schaffe ich nie."
Ich kann dir versichern, dass sich die meisten mit solchen Annahmen unglaublich täuschen. In jedem steckt ein guter Läufer, fast jeder kann es bis zu einem Alter von 55 Jahren schaffen unter 3 h im Marathon zu kommen. Fast jede junge Frau kann unter 40 min über 10 km laufen.
Nur der Glaube daran, dass es zu schaffen ist, muss erst einmal da sein. Dazu muss dann der Wille kommen, dieses Ziel auch zu erreichen und erst dann wird das Training wichtig. Träumen allein nützt wenig.
An zwei Beispielen von Läufern aus unserem Verein mit mangelnder Grundschnelligkeit möchte ich aufzeigen, dass es trotz dieses Handicaps möglich ist großartige Leistungen zu erzielen.
Einmal von einem Jungen, der genug Selbstvertrauen hatte an sich zu glauben, obwohl sein Grundspeed unter leistungssportlichen Gesichtspunkten mehr als schlapp war und von einem der noch viel langsamer war, dazu aber überhaupt kein Selbstvertrauen hatte und der dennoch eine Zeit über 42,2 km von unter 3 h lief.
Der andere Fall war schier unglaublich: Prof. Dr. Jörg Rainer Oberbeck konnte in seiner Jugend die 1000 m nicht unter 3 min laufen. Eigentlich eine Zeit, bei der jeder Trainer abwinkt und sich anderen, schnelleren zuwendet.
J.R. war aber so ehrgeizig, dass er sich schon als Jugendlicher auf das Marathon-Training stürzte. Wir selbst im Verein sahen das gar nicht gerne. Ich erteilte ihm als sein Trainer damals zumindest für den Sonnabend Trainingsverbot.
Das Resultat war, dass ich ihn an diesem Tag dennoch auf einem selten gelaufenen Kurs beim Training erwischte. Es folgte eine „Zusammenfaltung“, aber geholfen hat es nichts, der Junge trainierte weiter auch sonnabends.
Aber seine harten Übungen blieben nicht ohne Folgen. J.R. lief als 19jähriger Jugendlicher beim Berlin-Marathon 1988 eine 2:28:08. Das war eine wahre Spitzenleistung. Eine Zeit, die auch heute Anfang 2016 in Deutschland von keinem Jugendlichen jemals erreicht wurde.
Also: Glaube an dich und setze dir hohe Ziele. Es ist nicht wichtig, dass du unbedingt diese hohen Ziele erreichst. Du wirst aber auf dem Weg dorthin genügend Highlights erleben, die dich glücklich machen.