Läufer(innen) sind schwer davon zu überzeugen, in der jetzigen Zeit gezielt zu trainieren. Es ist dunkel, nass und ungemütlich und außerdem hat das neue Jahr noch gar nicht angefangen. Also laufen wir ein bisschen was, damit das Fett nicht zu sehr über den Hosenbund quillt.
Es ist noch viel Zeit, so die Meinung der Masse der weniger ambitionierten Lauferschar. In vielen Köpfen steckt noch das alte Jahr. "Bis zum 31.12. habe ich meine Wettkämpfe und dann sehen wir weiter. Ich will ja auch etwas von Weihnachten und Silvester haben."
Zu Weihnachten fällt mir ein, dass ich in meinen leistungsorientierten Jahren an jedem Heiligabend am frühen Nachmittag eine Runde lief. Ein gemütliches Tempo zwar, aber ich lief. Und immer die gleiche Strecke durch den Wald mit Namen "Vereinsplatz-Runde" von ca. 20 km Länge.
16 km davon gingen durch den Wald. An allen sonstigen Tagen trifft man dort eine Anzahl Mitstreiter, Mountainbiker und "Hundeleute". Und was soll ich dir sagen, in all den Jahren traf ich am Heiligabend einen km hinter dem "Waldeingang" niemals eine einzige Person. Und ich habe das mehr als 20 Jahre lang gemacht.
Und jetzt sitze ich hier und schreibe darüber, dass man auch in der Weihnachtszeit trainieren sollte. Das ist doch ein Kampf gegen Windmühlenflügel. Aber nichts desto trotz. Ich fliege weiter, in der Hoffnung, dass mir einige Wenige folgen, die auch etwas höher fliegen möchten, als ihr Talent es zulässt.
Ja, aber die Höhenflieger sind selten geworden in unseren Zeiten. Niemand kann genau sagen, warum der Durchschnitt der Läuferinnen und Läufer sowohl in der Spitze, als auch in der Breite so langsam in Wettkämpfen läuft. Nicht einmal die von mir so genannte Lauftreff-Trainings-Methode mag dafür herhalten und die gab es früher auch schon.
Kennst du diese Methode? Das ist das Verfahren, das ganze Jahr gleichmäßig durch zu trainieren und in jedem Wettkampf fit zu sein. Als ich hier in Seesen vor jetzt fast genau 29 Jahren als Trainer begann, musste ich mich genau mit dieser Art des Trainings herumschlagen. Niemand wollte im November regenerieren und in den Monaten danach mit langsamen Training wieder aufbauen.
"Du spinnst doch, wenn ich jetzt anfange nicht mehr richtig zu trainieren, dann verliere ich doch alles, was ich vorher rein geholt habe." So waren die Argumente. So erklärte ich, wie es besser geht. Dennoch blieb ich für gut die Hälfte der Truppe ein Spinner.
Die andere Hälfte fing unter meiner Leitung an zu trainieren. Und schon im nächsten Frühjahr schlugen unsere Bestzeiten zwischen die Dissidenten wie Bomben ein. Diese waren dann schnell überzeugt und kamen auch zu uns zurück. Aber einige Wenige blieben wo sie waren, ignorierten uns und machten ihr eigenes, aber wenig erfolgreiches Ding.
In der Zwischenzeit gehen fast alle ambitionierten Langstreckenläufer im November in die Regeneration. Eine Laufzeitschrift begann ihre Titelgeschichte sogar mit den Worten: "November, die Läufer sind in der Regeneration ..." Niemand aber weiß heute noch, von wem die Empfehlung kam.
Aber wenn du glaubst, die Lauftreffler Deutschlands sind geheilt, dann hast du dich geirrt. Lies einmal diese Zeilen, die mir Clubmitglied A. P. mailte und die wir bereits im Trainingsplananschreiben dieses Monats veröffentlicht haben: "Am Mittwoch stand bei mir im Plan die folgende Einheit: `20-mal 400 m extensive Tempowechselläufe in 1:50 min = 4:35 min/km". Als ich davon beim Lauftreff erzählte, schwappte mir eine Welle der Ablehnung entgegen, weil: - "das ist viel zu langsam für dich", - "da pennst du ein", - "was soll das bringen". - "das trainieren 4h-Omas".
Das sind ein paar Zitate der anderen. Kannst du mir erklären, was dieses Training "bringen" soll? Denn als Intervall-Tempo ist es nicht gerade schnell, die Anzahl der Wiederholungen können eventuell schon ermüdend wirken, aber auch nicht so richtig, weil es eben recht langsam ist."
Zurück schrieb ich Alexander, dass er seinen Lauftreffleuten sagen sollte: "Wenn man keine Ahnung hat, dann ist es immer gut die Klappe zu halten. Diese Läufer(innen) sind genau aus dem Holz geschnitzt, wie die oben beschriebenen. Im Grunde kennen sie nur ein Aufbautraining und das ist die unmittelbare Wettkampfvorbereitung.
Von einer Jahresplanung sind sie genau so weit entfernt, wie Hertha BSC von der deutschen Fußballmeisterschaft. Im letzten Plananschreiben habe ich die Gründe des Verfahrens eines Jahresaufbaus schon erklärt. Aber A. schrieb: "Mich würde eine tiefergreifende Erklärung sehr interessieren."
Ich kann hier leider nun nicht die ganze Trainingslehre aufführen. Aber so viel: Intensives Training führt zu einem schnellen Formzuwachs. Diese Form hält aber nur kurze Zeit. Wenn wir praktisch jetzt schon mit dem intensiven Training loslegen würden, wären wir spätestens im Februar in Hochform und im frühen April wäre es schon wieder aus mit der Form. Das kann aber nicht Sinn der Sache sein.
Ein auf einem aeroben Umfangstraining aufgesetztes intensives Training führt zu einer besseren Form und diese hält auch wesentlich länger an. Darum laufen wir jetzt im Dezember in der Vorbereitungsperiode zum Einstimmen auch die 400 m in etwa im Marathonrenntempo. Wir schulen die Koordination und sorgen dafür, dass der Organismus sich nach der Regeneration wieder an höheres Tempo gewöhnt."
Alle schnelleren Tempoarten kommen noch. Und da werden die hirnbrachen Kritiker von A. schon nicht mehr mitlaufen können. Entschuldigung wegen dieses harschen Wortes, aber bei diesem Thema gehen mir aufgrund der früheren Erfahrung jedes Mal die Schnürbänder auf.
Eigentlich müsste ich mich mit solchen Dingen gar nicht mehr befassen, die Resultate unserer Mitglieder sprechen die richtige Sprache. Ich äußere mich nur dazu, um gemobbten Clubmitgliedern auch Argumente zu liefern.
Was trainiert man denn nun aber in der jetzigen Zeit? Nur Jogging, wenn man kein Tempo laufen soll? Nein, es gilt schnell zu laufen, aber zum größten Teil im aeroben Bereich zu bleiben. Von einer der Einheiten wurde in den vorhergehenden Absätzen schon gesprochen. Das war die, wegen der sich A. beschimpfen lassen musste.
Der Name dieser Tempoturn-Einheit lautet: "20 km mit 20 x 400 im Marathon-Renntempo (hier steht im Plan eine genaue Zeit in min/km) und 20 x 200 m Temporeduktion." Praktisch läufst du die 12 km los, in dem du die ersten 400 m im vorgeschriebenen Tempo rennst.
Das ist schon nicht besonders leicht, aber auch nicht mühsam. Du läufst weiter ohne Pause und senkst auf den nächsten 200 m dein Tempo etwas ab (ca. 20 - 30 sec km), damit du wieder in den reinen aeroben Bereich kommst. Und beginnst dann mit dem nächsten 400-er wieder im Marathonrenntempo und bewegst dich in diesen Rhythmus weiter, bis du die 12 km voll hast.
Die Hirnbrachen würden jetzt natürlich gleich argumentieren: "Niemand auf dieser Welt läuft 20 x 400 m so langsam!" Natürlich, das kennen sie nicht anders. Bei 400 m-Läufen denken die meisten an: Schaum vorm Mund, Blutgeschmack und Lakatgehalte im Blut bis zur Qualität von Gurkenessig.
Aber in Wirklichkeit sind diese 12 km ein Tempowechsellauf. Ja, dann kommt gleich wieder ein Aufschrei und ein paar Mails mit dem Argument: "Es ist doch viel besser diese 12 km gleich ganz im Marathontempo durch zu laufen!"
Wer im November in der Regeneration war, kann im Dezember keine 12 km im Marathonrenntempo durchlaufen und dabei im aeroben Bereich bleiben. Und warum wir dieses so möchten, ist bereits dargelegt.
Die Tempo-Turn-Einheit ist genau das Richtige für den Einstieg in das Wintertraining. Du kannst sie im Laufe des Jahres verschärfen, in dem du im Dezember im Marathon-, im Januar im Halbmarathon und im Februar im 10 km-Renntempo läufst.
Variationen sind möglich. Nachfolgend schlage ich dir ein einfaches Programm vor, wie du mit einem einmaligen wöchentlichen Training deine Form zum Frühjahr hin verbessern kannst.
Hinweis: Dieses Programm ist nicht das aus den Plänen der Greif-Club-Mitglieder. Dort gehen wir etwas diffiziler vor, aber es wird dich dennoch zum Erfolg führen. Vielleicht kann ich damit sogar ein paar von den "Hirnbrachen" bekehren, bei denen ich natürlich bis auf alle Zeiten unten durch bin.
Denen möchte ich noch mit auf den Weg geben. Keep cool! Wer hat denn angefangen zum Beispiel mit "das trainieren 4 h-Omas". Passt nur auf, dass die Damen euch nicht erwischen, das könnte üble Folgen haben!!! Besonders dann, wenn ihr von ihnen kurz vor dem Ziel überholt werdet.
Alles in allem belebt solch eine Diskussion mit einigen sporttypischen Beleidigungen die ganze Sache. Aber jetzt kommen wir zu dem Programmvorschlag:
Monat | Jahreswoche 2009 2010 | Gesamt km | Tempostück m | Geschwindigkeit Tempostück | Tempo-Reduktion m | max. mögl. Gesamttempo |
Dezember | 51 | 10-15 | 400 | 42,2-RT | 200 | |
Dezember | 52 | 10-15 | 400 | 42,2-RT | 200 | |
Dezember | 53 | 10-15 | 600 | 42,2-RT | 400 | |
Januar | 1 | 10-15 | 700 | 42,2-RT | 300 | |
Januar | 2 | 10-15 | 800 | 42,2-RT | 200 | |
Januar | 3 | 10 | 900 | 42,2-RT | 100 | x |
Januar | 4 | 10-15 | 600 | 21,1-RT | 400 | |
Februar | 5 | 10-15 | 700 | 21,1-RT | 300 | |
Februar | 6 | 10-15 | 800 | 21,1-RT | 200 | |
Februar | 7 | 10 | 900 | 21,1-RT | 100 | x |
Februar | 8 | 10-15 | 600 | 10 km-RT | 400 | |
März | 9 | 10-15 | 700 | 10 km-RT | 300 | |
März | 10 | 10-15 | 800 | 10 km-RT | 200 | |
März | 11 | 10 | 900 | 10 km-RT | 100 | x |
42,2-RT = Marathon-Renntempo, 21,1-RT = Halbmarathon-Renntempo, 10 km-RT = 10 km-Renntempo |
Das ist ein Programm, welches dich fordern wird. Dein Ziel ist über das gesamte erste Vierteljahr 2010 auch die Geschwindigkeit während der Temporeduktion hoch zu halten. Die mit x gekennzeichneten Einheiten läufst du mit vollem Einsatz so schnell du kannst. Ein Tempo ist dir vorgegeben. Du hast also nur die Chance, die 10 km in einem hohen Tempo zu laufen, wenn du den langsameren Abschnitt auch möglichst schnell läufst.
Also ran an die Arbeit und zwar sofort, du hast keine Zeit zu verschenken!