Kaum ein Läufer(in) liebt die Winterzeit. Es ist nass, kalt, dunkel und die Bodenverhältnisse sind oft schlecht. Das verführt viele von uns dazu, in dieser Jahreszeit kürzer zu treten. Frei nach dem Motto: Die nächsten Wettkämpfe sind fern. Ich habe noch viel Zeit um "richtig" zu trainieren.
Dem steht das Zitat eines unbekannten, aber weisen Sportlers gegenüber, welches lautet: Die Meister des Sommers werden im Winter gemacht. Warum ist das so? Wir müssen einmal die verschiedenen Aspekte beleuchten.
1. Der Athletikbereich
Wer nicht genug Kraft hat, kann auch nicht gut laufen. Das ist eine Binsenweisheit, durch ungezählte Studien und in der Praxis belegt. Wenn Rumpf und Beine schwach sind, sind die Laufzeiten auch schwach. Was aber viele von uns nicht wahr haben wollen: "Ich mag so etwas nicht, da gehe ich lieber noch 20 km mehr laufen."
Wer aber einmal ein Winter-Athletiktraining durch geführt hat, der wird verblüfft sein, mit wie wenig Aufwand man so viel Kraft hinzugewinnen kann. Ein Beispiel im eigenen Verein zeigt das. Wir begannen pünktlich nach dem Ende der Wettkampfsaison am 3.11.2009 mit unserem Training in der Halle. Jeweils dienstags und mittwochs eine Stunde.
Wie das Training aussieht, ist hier auf unserem laienhaften Athletik-Videofilm zu sehen. Die Übungen sind zum großen Teil angelehnt an die Vorschläge aus dem Buch "MaxxF".
Der Start zu diesem Training ist für uns alle immer wieder eine Offenbarung. Wir können es kaum glauben, wie schlapp unsere nur scheinbar durchtrainierten Körper sind. Stöhnen, zusammenklappen, fluchen, schummeln und abbrechen, ist alles was wir können. Einige sind in wenigen Muskelbereichen noch ganz gut drauf, aber wenn es in die Areale geht, die beim Laufen weniger angesprochen werden, hängen die Athleten(innen) oft wie weich gekochte Makkaroni auf ihrer Matte.
Wenn du diesen traurigen Haufen Anfang November hättest sehen können, dann wäre es bei dir sicher zu einer schweren Augenerkrankung gekommen. Und besonders der Trainer war ein negatives Vorbild. Brabbelnd, hinkend und schwer keuchend, war er nicht fähig ein Blatt feuchtes Löschpapier in zwei Teile zu reißen.
Aber jetzt am 01.12.2009 haben wir genau 8 Trainingseinheiten von einer Stunde Dauer hinter uns und was passiert ist, ist fast unglaublich. Wir haben gut 50% an Kraft zu gewonnen - und dies nur durch 8 h Training!
Die Übung "Bodenrudern" konnte ich am Anfang nur 5-mal hintereinander durchführen. Jetzt machen mir 20-mal schon keine Mühe mehr. Diesen menschenverachtenden MaxxF-Liegestütz konnte ich nur in der "Hausfrauen-Form" mit den Knien statt den Fußspitzen als Auflage schaffen. Nun bringe ich es mit etwas Mogeln schon zu zehn mit völliger Körperstreckung.
Ich gebe zu, der Muskelkater, der uns plagte, war wahrscheinlich genetisch manipuliert und quetschte unsere Bewegungselemente mitleidslos bis zur Platzgrenze auseinander. Aber wir haben ihm das richtige Futter hingestellt und so ist er dann auch schnell verschwunden. Omega 3 Fischöl hoch dosiert, dreimal täglich 10 Stück sind sein größter Feind.
Auch wenn hier der Autor dieser Zeilen zum Teil nur über sich selbst schreibt, war es bei allen anderen Teilnehmern ähnlich. Aus Hühnchen wurden sinnbildlich Bullen. Natürlich sieht man das nicht, eigentlich sehen die Jungs so aus wie vorher. Aber wo sie früher an der Leiterwand wie Wischlappen hingen, scheint jetzt an gleicher Stelle eine Eliteeinheit der GSG9 zu trainieren.
Das ist natürlich etwas übertrieben, aber der Blick eines Trainers auf seine Athleten(innen) ist traditionell getrübt. Sowohl von der positiven, wie auch der negativen Seite werden sie überschätzt. Oder auch nicht, denn im MaxxF-Buch findet man auch die Resultate aus Studien, die von dem Autor Boeckh-Behrens durchgeführt wurden.
Genau das, was wir in der Praxis mit diesen schier unglaublichen Kraftzuwächsen erfuhren, stellte das Studienteam auch fest. Das Team um Boeckh-Behrens fand heraus, dass die höchste und wirksamste Trainingsintensität vorliegt, wenn der Muskel maximal angespannt beziehungsweise verkürzt ist.
Für die Praxis bedeutet das: Wenn eigentlich nichts mehr geht, dann geht doch noch was – leicht federnd, winzige Wege, bloß ein paar Millimeter wie das leichte Wippen beim Fersenheben oder das wiederholte Anziehen der schon gehobenen Arme bei den Reverse Flys. Das ist das Herz von maxxF.
Erinnert dich das an etwas? Wenn du jemals einen Greif-Club-Trainingsplan bezogen hast, dann steht dort oft die Ermahnung: "Lasse die letzte Wiederholung nicht weg, denn in ihr steckt 50% der Trainingswirkung." Leider wird mir das oft, zu oft nicht geglaubt.
Warum ist die letzte Wiederholung so wichtig? Nimm einmal an, du sollst so eine "Schweineinheit" von 4 x 3000 m laufen. Bisher liefest du als Standardeinheit nur 3 x 3000 m. Dann werden dir die ersten zwei Wiederholungen noch relativ leicht fallen. Bei der dritten bist du schon platt wie ein Straßenigel. Der Gedanke an die vierten 3000 m ist dir zuwider. Du hast weder die Kraft noch Lust dazu, weil du dich damit überfordert fühlst.
Und dann kommt der Punkt, an dem du Härte und Charakter zeigen musst. Wenn du dich jetzt auch noch durch die ungeliebte, ungewollte und schwer zu erfüllende vierte Wiederholung quälst, dann zwingst du deinen Körper zu einer positiven Anpassung an Leistung.
Bei den ersten drei hat er nur das getan, was er schon konnte. Bei dem vierten Dreitausender wird er gezwungen sich anzupassen. Denn dein Körper wie auch dein Geist mögen diese Überforderung nicht und sorgen mit Anpassung an höhere Leistung dafür, dass es im Wiederholungsfall nicht mehr zu einer Überforderung kommt.
Das ist in jedem Training so. Alles was du nicht kannst und was du trotzdem machst, trainiert dich am besten. Vergiss nicht, dass dies sowohl beim Tempo, dem Umfang und auch bei der maximalen Streckenlänge so ist.
In allen diesen Bereichen gibt es Menschen, die diesen unangenehmen Tatsachen nicht gerne in die Augen blicken und sich drücken und lieber das machen, was sie gut können. Zum Beispiel hängt mir folgendes oder ähnliches Geheule schon zum Ohr heraus: "Ich laufe maximal 25 km, nach 35 bin ich immer so kaputt"! Ja, bist du, aber irgendwann kann dein Organismus die 35 km und das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil für dich.
Unsere Clubmitglieder fluchen oft über mich, weil ich alle 12 Monate im Jahrplan die Einheiten ändere. Es kommt auch immer eine dazu, die in Zukunft oft eingesetzt wird und die es bisher noch nicht gab. Ich selbst nenne sie die "Überforderungseinheit". Ist sie aber eigentlich nicht, denn die Überforderung ist nur temporär. Wer sie dann trainiert, ist nur zeitweise übermäßig belastet, denn der Organismus antwortet ganz schnell mit positiver Anpassung.
Ein Beispiel welches im kommenden Jahr wirksam wird - und wovon die Clubmitglieder noch nichts wissen - ist die Anhebung der Einheit 4 x 2000 m auf 5 x 2000. Früh im Jahr laufen wir sie im HM-, später im 10 km- und zum Schluss im 5000 m-Renntempo.
Das wird wieder ein Gejammere, ich freue mich jetzt schon ;-). Da kommen dann wieder die bösen Mails. Aber das halte ich aus, denn schließlich haben die Clubmitglieder mich als Trainer ausgesucht und nicht umgekehrt. Und die ganze Szene weiß schließlich, dass Peter Greif ein sadistisches Ringelschwanz tragendes Wesen ist. Auch dieses Image lässt mich kalt, bin doch kein Weicheierausbrüter...!
Aber trotz der Empfehlung einer Überforderungseinheit, mache jetzt um Himmelswillen nicht den Fehler, alle Bereiche deines Trainings mit solchen Einheiten zu spicken. Das hält dein Organismus nicht aus. Denn wenn du ihn innerhalb deines Trainings dauerhaft stresst, dann treibst du deinen Körper wirklich in die Überforderung und die Antwort, die du dann bekommst, wird dir nicht schmecken.
Also, setze die neuen harten Reize nur einmal in der Woche ein, dann wirst du daraus auch den Honig saugen können. Im nächsten Newsletter geht es dann auch ganz sachte weiter mit dem Thema: 2. Die Ausdauervorbereitung im Winter.