Wie sieht eigentlich dein Grundlagentraining aus? Diese Frage hätte man eigentlich schon im November mit dem Start der Saisonvorbereitung stellen sollen. Da es aber immer viele Läufer und Läufer gibt, deren Motivation erst nach dem Jahreswechsel wieder steigt, die krank oder auch verletzt waren, ist diese Frage jederzeit relevant. Was macht man im Grundlagentraining und kann man nur durch das Grundlagentraining schneller werden?
Bei vielen Läufern, wenn sie nicht gerade nach einem Greif-Trainingsplan trainieren, bestimmt nicht der Trainingsplan, was trainiert wird und wie intensiv eine Einheit ausfällt, sondern vielmehr sind Lust und Laune, das Wetter oder der Trainingspartner ausschlaggebend dafür, welchen Trainingsreiz der eigene Körper bekommt. Wenn dann intensiv trainiert wird, dann fallen die Einheiten oft zu früh viel zu intensiv aus. Nach dem Motto: wenn dann muss ich es schon richtig krachen lassen. Ein solches Training nach dem Zufallsprinzip ist natürlich wenig zielführend. Entsprechend stagniert auch die läuferische Entwicklung oder der Formaufbau bei vielen Läuferinnen und Läufern.
Entscheidend für den langfristigen Erfolg ist eine systematische Trainingsplanung. Dafür bietet sich die Periodisierung an. Dabei unterteilt man das Jahr in verschiedene Trainingsperioden, in denen man gezielte Trainingsreize setzt. Basis der Trainingsplanung ist die Ausbildung einer guten Grundlagenausdauer. Diese Grundlagenausdauer bildet das Fundament unseres mehrstöckigen Formhauses, welches wir mit unserem Training errichten. Ohne dieses Fundament hält die Hütte nicht lange und die Trainingspläne mit hochintensiven Einheiten sind nicht das Papier wert auf dem sie geschrieben sind. Wie der Name schon sagt, bildet es die Grundlage, die intensiveren Einheiten im späteren Verlauf der Saison zu verkraften und uns schnell davon zu erholen.
Es geht im Grundlagentraining unter anderem darum, Stoffwechselvorgänge zu trainieren, den Fettstoffwechsel zu optimieren, die Mitochondrien in Qualität und qualitativer Funktion zu erhöhen, die Muskelkapillarisierung zu steigern usw. Dies geht vor allem im unteren Tempobereich sehr gut.
Bei "unterem Tempobereich" denken die meisten an lange Läufe und lockeres Herumjoggen. Dies gehört auch dazu, ist aber damit nicht gemeint. Gemeint ist, das Tempo deutlich unterhalb der "Laktatschwelle" zu halten. Das passiert in unseren Trainingsplänen über 2-3 Monate lang (Ende November - Ende Februar). Was ist denn diese immer wieder zitierte Laktatschwelle, auch als "aerob-anaerobe Schwelle" oder "anaerobe Schwelle" bezeichnet, eigentlich? Sie bezeichnet den Belastungsbereich, in dem der Sauerstoffbedarf und der Sauerstoffverbrauch in den Körperzellen gerade noch ausgeglichen ist, d.h. Laktatbildung und Laktatabbau befinden sich noch im Gleichgewicht.
Die Energiebereitstellung während des Laufens kann über zwei verschiedene Wege erfolgen. Bei geringen Laufgeschwindigkeiten gewinnt der Körper Energie aus der Verbrennung von Kohlenhydraten und Fetten; für diesen Prozess ist Sauerstoff notwendig und deswegen nennt man ihn "aerob" (griechisch: aeros = Luft). Bei hohen Intensitäten entsteht die Energie aus dem Abbau von Glukose in einem Prozess ohne Sauerstoff, diesen nennt man deshalb "anaerob". Laktat entsteht als "Abfallprodukt" im anaeroben Prozess. Den Übergangspunkt zwischen aeroben und anaeroben Stoffwechsel ist die oben bezeichnete "Schwelle".
Geschwindigkeit an der "Schwelle"
Interessant ist nun natürlich die Laufgeschwindigkeit an der Schwelle, wenn man im Grundlagentraining vorerst darunter bleiben möchte. Wir haben uns ja bei der Betrachtung der Leistungsmessung für Läufer die Funktionsleistungsschwelle FTP/CP in Watt angeschaut. Dieser Wert ist die Leistung in Watt, die über ca. 1 h maximal aufrecht erhalten werden kann. In diesem Zusammenhang gibt es eine weitere wichtige Kenngröße. Dies ist die Funktionspaceschwelle (rFTPa). Dies ist die maximale Pace, die über ca. 1 h maximal aufrecht erhalten werden kann. Sie entspricht also deiner Stundenlauf-Geschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit kann als sehr gute Näherung als die Geschwindigkeit an der "aerob-anaerobe Schwelle" angenommen werden.
Dies bedeutet z.B. für einen Läufer der die 10 km in 36 min (= 3:36 min/km) läuft, ca. eine Geschwindigkeit von 3:44 min/km (+/- x). Dazu kannst du gern unseren Laufzeitprognose-Rechner verwenden.
Diese Geschwindigkeit von 3:44 min/km hat ein 36 min Läufer mit einem Greif-Trainingsplan zwischen dem Beginn der Saisonvorbereitung im November und heute nicht annähernd auf dem Programm gehabt. Trotzdem war das Training anstrengend und intensiv und bestand aus
- langen mittelintensiven DL,
- langen intensiven DL,
- längeren und kürzeren extensiven oder intensiven Intervallen mit unterschiedlichen Pausen und
- dem ruhigen langen Lauf.
Das Grundtempo erhöhte sich alle 4 Wochen, blieb aber für den 36 min Läufer deutlich über dem Wert der "aerob-anaerobe Schwelle" von 3:44 min/km. Das höchste der Gefühle war mal ein 1000er Intervall in 3:50 min/km. Trotz allem fühlt sich das Tempo-Training hart und intensiv an. Ist es auch, da wir uns ganz langsam an das Marathon-Tempo herangearbeitet haben, ohne dabei jedoch in den anaeroben Bereich zu kommen.
Bild 1: Garmin-Anzeige (Quelle: Garmin)
Wenn du z.B. mit einer Garmin-Uhr unterwegs bist und dir eine Trainingseffekt für diese Einheiten wie im oberen Bild angezeigt wird, dann bist du auf dem richtigen Weg. Bist du mit einem Leistungsmesser unterwegs, dann bewegst du dich bis max. in den unteren Bereich der Leistungszone 4 (Schwelle). Deine Herzfrequenz sollte sich nicht deutlich über 88% deiner HFmax bewegen.
Nun stellt sich aber die Frage, wird man rein mit diesem Grundlagentraining auch schneller?
Klare Antwort: JA!
Woher weis ich das? Ich schaue mir ganz einfach die Ergebnisse der Testläufe, die wir regelmäßig im Plan haben, an. Was da passiert ist sensationell. Schon beim Silvester-Testlauf wurden viele neue Bestzeiten über 10 km aufgestellt. Das wurde in der letzten Woche noch einmal getoppt. In allen Leistungsbereichen, sei es 32 oder 33 min, 36 min, 40 min, 50 oder 55 min wurden von unseren Mitgliedern eine Vielzahl neuer Bestzeiten über 10 km gelaufen. Dies wiederholt sich Jahr für Jahr. Um es noch einmal zu betonen: diese Leistungen entspringen dem Grundlagentraining und werden in einem Testlauf (kein Wettkampf!!) aus dem vollen Training heraus erzielt.
Warum ist das so? Zum einen kamen die Läuferinnen und Läufer gut erholt aus der Regeneration im November. Dementsprechend hoch war die Motivation endlich wieder loszulegen. Natürlich hat auch das Training im Grundlagenbereich Auswirkungen auf alle Energiebereitstellungssysteme des Körpers. Ich erinnere dich gern an Tabelle 2 mit den zu erwartenden physiologischen Adaptionen in diesem Newsletter. Natürlich hat das Grundlagentraining wichtige, wenn auch nicht maximale, Auswirkungen auf:
- die Erhöhung des Plasmavolumens,
- die Erhöhung der mitochondrialen Enzyme,
- die Erhöhung der Laktatschwelle,
- die Erhöhung des Muskelglykogens,
- die Hypertrophie der langsam zuckenden Muskelfasern,
- die Erhöhte Muskelkapillarisierung,
- die Umwandlung von schnell zuckenden Muskelfasern (Typ IIb > Typ IIa),
- die Erhöhung des Herzschlagvolumens/der maximalen Herzleistung und
- die Erhöhung der VO2max.
Wenn du also noch im Winterschlaf bist, krank oder verletzt warst oder auch schon an die nächste Saisonvorbereitung denkst, nimm dir 2-3 Monate Zeit für das Grundlagentraining. Beginne mit mittelintensiven Dauerläufen, in einem Tempo, dass noch ca. 45 sec/km über der oben angesprochenen Stundenlauf-Geschwindigkeit liegt. Steigere über den gesamten Zeitraum langsam und kontinuierlich die Geschwindigkeit.