Hast du auch manchmal das Gefühl einem Menschen einmal so richtig die Meinung zu sagen, ihm zu erklären, was er für ein ausgesprochener Blödmann ist? Ich glaube, dass wir das alles schon erlebt haben.
Ich erinnere mich noch ganz genau, als ich 1981 als junger und unerfahrener Trainer begann hier bei uns in Seesen eine kleine Gruppe von Läufern zu trainieren. Dabei war ich zwar ein junger Trainer, war aber schon durch alle Höhen und Tiefen auf diversen Wettkampfstrecken gegangen.
Aber es gab ältere Trainer, die alles besser wussten als der Neue. Was immer wir auch taten, es wurde kritisiert. “Was soll denn dieses langsame Laufen, ihr müsst mehr schnelle 200 Meter Läufe absolvieren!“ So ein Einwurf war noch ziemlich das Harmloseste, was uns so entgegen schlug.
Man beschwor uns, statt 3 mal 3000 Meter, doch besser 100 Meter Sprint zu machen, dann würden wir vielleicht sogar einmal eine Bezirksmeisterschaft gewinnen können. Als ich dann antwortete, “Solche Titel interessieren uns nur marginal, wir wollen uns an der nationalen Klasse messen!“
Und dann diese langsamen Läufe, diese furchtbaren langen und langweiligen Ausdauereinheiten mochten die Trainerkollegen überhaupt nicht. "Das bringt doch alles nichts, ihr verschleißt nur eure Kraft."
Wir wurden richtiggehend lächerlich gemacht, nur die Trainierenden hielten am Glauben an unserem System fest. Ziemlich dumm schauten die Kritiker dann doch aus der Wäsche, als der Mitbegründer unserer Leistungstruppe, Eckhard Hillebrecht, nach nur 5 Monaten Training seinen tiefen Lebenswunsch erfüllte.
Er träumte seit Jahren davon, ein einziges Mal unter 16 Minuten über die 5000 Meter Strecke zu kommen. Er hatte vorher in anderen Abteilungen unseres Vereins trainiert und war frustriert, weil er seinen Traum nicht erfüllen konnte.
Kommentar eines Übungsleiters zu seiner Leistung: "Wenn er mehr Zweihunderter gelaufen wäre, wäre er noch schneller gelaufen. Diese langsamen Läufe von euch bringen doch sowieso nichts!"
Als im Folgejahr dann aber einige unserer Leute schon im Training über 800 oder auch 1000 Meter schneller liefen als die Konkurrenz, hörte die Hetzerei langsam auf. Erst als bei uns in der LG Seesen das Marathonfieber ausbrach und wir anfingen 35 Kilometer Läufe zu absolvieren, hatten unsere Kritiker wieder Schaum vorm Mund.
Das konnten sie nun gar nicht verstehen, dass man 35 Kilometer durch den Wald laufen kann, ohne hinterher eine Woche Pause einlegen zu müssen. In der Zwischenzeit aber waren wir so eine große Gruppe geworden, dass die Neidhammel immer leiser wurden.
Noch einmal Aufregung gab es, als aus der allgemeinen Leichtathletik ein junges Mädchen in unsere Gruppe hinein wollte, um sich mehr auf Mittel- und Langstrecken zu konzentrieren. Sie hatte festgestellt, dass sie bei den winterlichen Crossläufen deutlich weiter vorn war, als bei den 400 Meter Hürden, ihrer bisherigen Hauptstrecke.
Da gab es doch einen erheblichen Aufstand im Verein. Einer der Verantwortlichen sagte zu mir wirklich: “Das Mädchen ist doch viel zu schade für Marathon!“ Da blieb mir die Spucke weg und ich zweifelte so langsam an dem Verstand meiner Umgebung.
Diese junge Dame, Ines Cronjäger, errang in der Folgezeit vier deutsche Meistertitel in der Hauptklasse. Sie gewann zweimal die deutsche Meisterschaft im Marathon und jeweils einen Mannschaftstitel im Halb-und Marathon.
Der Grund, warum ich diese vorhergehenden Zeilen eigentlich geschrieben habe, ist ein Trend, der sich in unserer Szene abzeichnet. Es wird immer, immer mehr auf das Tempo gedrückt und ich habe das Gefühl, dass den ruhigen und langsamen Einheiten, die das Brot des Langstreckentrainings sind, immer weniger Wert zugemessen wird.
Ohne regenerative Einheiten und extensive Dauerläufe wirst du niemals ein vollständiges Potenzial ausschöpfen können.
Modern ist ja das hochintensive Training = HIT, welches mit Sicherheit große Fortschritte bringt. Diese stellen sich aber nur ein, wenn dazu auch die entsprechenden langsamen Einheiten absolviert werden.
Dazu habe ich noch einen Ratschlag für die Generation 50-plus. Wenn du dieser angehörst, dann solltest du daran denken, dass du nach jedem Tempolauf oder langen Einheit (> 25 km) zwei ruhige Trainingstage einschiebst.
Du wirst sehen, dass du dennoch keine Leistungsverluste hast, sondern sogar Leistungszuwächse erwarten kannst. Der Grund liegt daran, dass du die schnellen Einheiten mit einer höheren Intensität absolvieren kannst.
Wir bieten bei unseren Greif Club-Trainingsplänen schon seit Jahren mit Erfolg solche Trainingsvorgaben (S-Pläne) an und dies mit viel Erfolg, was die hohe Anzahl von Titeln unserer Altersklassenläufer beweist.