Mitten in der Marathonvorbereitung kommt es vor, dass manche Läufer einen Koller bekommen. Totales Motivationsloch, obwohl eigentlich alles rund läuft und die Leistung stimmt. Mir selbst ging es schon in Einzelfällen so, dass ich beim Tempotraining bereits während des Einlaufens keine Lust mehr hatte und frustig die Bahn verlies um vorzeitig die Dusche aufzusuchen. Mein Holger Meier schlägt sich wahrscheinlich Dellen in die Schenkel vor Lachen, wenn er davon erfährt, aber Du sagst es ihm ja nicht weiter.
Viele Läufer haben hingegen keine Lust auf die wöchentliche lange Runde. Womöglich jede Woche über 3 Stunden am Stück allein, Regen und Wind immer stramm von vorn. 25 km sollen auch reichen, liest man ja immer wieder in "Fachmagazinen". Hier hilft nur noch eins: Raus aus dem wöchentlichen Einerlei und Tapetenwechsel.
Für Abwechselung auf der langen Runde sorgt ein gelegentlicher Trainingsmarathon. Dieser Begriff ist wörtlich zu nehmen, denn er birgt auch Risiken für dich. Dazu später mehr. Du kannst wie jedes Wochenende 35 km allein auf deiner Furche abreißen, bis dich die Monotonie in den Wahnsinn treibt. Du kannst aber auch gegen Startgeld 7 km weiter laufen, unterwegs den Ernstfall proben, einfach mal Dinge riskieren, die du dir im Hauptrennen des Jahres einfach nicht erlauben kannst. Du hast durch deine Mitläufer Abwechselung auf der Strecke, für deine Verpflegung ist gesorgt.
Trotz aller Entspannung, nimm aber auch bitte diesen Trainingsmarathon ein wenig ernst. Es geht hier nicht darum, den eventuell integrierten Kostümwettbewerb zu gewinnen, die Verpflegungsstellen aufgrund deiner Startgeldeinzahlung gänzlich zu plündern oder die ehrenamtlichen Streckenposten wegen dir zu Überstunden zu zwingen.
Es geht in Wahrheit darum, die Dinge umzusetzen, die auf deinem Trainingsplan stehen und die du auch allein zu Hause tun würdest. Nur eben im Rahmen einer Veranstaltung mit all ihren Vorteilen, die sich daraus für dich ergeben.
Such Dir einen Lauf nach deinem Geschmack aus. Der eine steht auf den kuscheligen kleinen Volkslauf, der andere auf Halli-Galli mit 30.000 anderen Mitläufern. Das Ziel muss von vornherein klar sein: Die Endzeit ergibt sich aus dem Trainingstempo, welches auf deinem Plan steht. Nicht wesentlich schneller! Läufst du deinen Trainingsmarathon im submaximalen Bereich, vielleicht nur wenige Minuten von deiner Bestzeit entfernt, störst du durch die erforderliche Regeneration den weiteren Formaufbau für dein wahres Hauptziel und wirst dort nicht deine persönlichen 100% abrufen können. Disziplin ist also gefragt. Für die Praxis ist eine individuelle Tempovorgabe nicht in ein Schema zu pressen. Da der Trainingsmarathon ohnehin nur für erfahrene Läufer in Frage kommt, ist dein Bauchgefühl gefordert, wie schnell du ihn laufen solltest. 20-40 min langsamer als deine maximalen Fähigkeiten sind eine ganz grobe Richtschnur. Ziel ist, dass er dich anstrengt, aber nicht erschöpft. Genau wie das eigentliche Training auch.
Teste dabei das etwas mutigere Trainingstempo, ohne jedoch deine Grenzen auszuloten. Hast du besondere Vorstellungen für deine Wettkampfernährung am späteren Haupttag deiner Wettkampfplanung, probiere sie hier aus. Sofern du dir neue superleichte Rennschuhe besorgt hast und noch nicht weißt, ob du dir mit den leichten ungedämpften Trittchen 42 km im ernsthaften Rennen zutrauen willst, probiere es im Trainingsmarathon aus.
Und eins macht im Trainingsmarathon besonders Spaß: Die Endbeschleunigung für alle, die sie im Training anwenden. Du schwimmst also im nicht besonders anstrengenden Trainingstempo mit und kannst am Ende noch mal so richtig auf die Pauke hauen. Es bleibt dir überlassen, wie du das gestalten möchtest. Du kannst die Tempoverschärfung abweichend von deinem Trainingsplan über 35 km nach hinten verschieben im längeren Marathon. So kommst du im hohen Tempo ins Ziel. Diese Möglichkeit eignet sich besonders, um sich im direkten Vergleich mit anderen sportlichen Gegnern zu messen.
In Frage kommt dieser Weg vor allem bei etwas kleineren Läufen mit übersichtlichem Starterfeld, wo du dich in einen konkreten, weit vor dir rennenden Mitläufer "verbeißen" kannst. Holst du ihn noch ein? Im Stadtmarathon geht der unter, da du ihn schlicht nicht sehen kannst im Gewühl. Genauso gut beendest du die Endbeschleunigung einige km vorm Ziel und joggst dann locker rein. In der Praxis wird das aber wohl kaum gemacht.
Ein Trainingsmarathon kann gefährlich sein! Kann? Ja, aber es liegt zu 100% in deiner Hand. Gehörst Du zu denen, die heißblütig sind und mit dem Startschuss reflexartig die Keule rausholen, lauf ihn lieber nicht und trainiere nach wie vor zu Hause. Dir werden unterwegs die Pferde durchgehen und du rennst Anschlag. Deine Marathonvorbereitung wäre dann um 2-3 Wochen wegen der erforderlichen Erholung unterbrochen.
Auch sollte er nur von Athleten gelaufen werden, die die Distanz an sich einfach "drauf" haben. Wer von Woche zu Woche mit den km der langen Runde existenziell kämpft, ist im Trainingsmarathon gnadenlos überfordert und trainiert sich "ins Loch".
Kannst du aber als erfahrener Läufer die Disziplin aufbringen, trotz Startnummer auf der Brust das Tempo deines Trainingsplans einzuhalten, hast du mit dieser Maßnahme eine willkommene Abwechselung und Bereicherung deines Trainingsalltages geschaffen.