Ein trauriger Tag heute. Ich sitze hier an einem Sonntagmorgen und schreibe an diesem Newslettertext. Draußen schneit es und obwohl es Mitte März ist, wird noch starker Frost und mehr Schnee angesagt. Daran kann man nichts machen und ich nehme es mit Fatalismus.
Nur rauschen hier die Mails herein mit Bitten um Aufbau- und Absagen von Wettkampfplänen, der übliche Blues in dieser Jahreszeit heißt: "Ich war so gut drauf und jetzt habe ich schon sieben Tage Trainingsausfall wegen einer Grippe. Ich muss meine Wettkampfplanung völlig ändern und meinen ersten Höhepunkt für Ende Mai setzen."
Solchen Pessimismus kann ich einfach nicht fassen. Wir haben heute den 10. März und bei diesem Beispiel glaubt ein Greifclub-Mitglied nicht mehr, dass er am 27. April noch erfolgreich einen Halbmarathon laufen kann.
Ich frage mich worher kommen diese Ideen? Aus dem Schwächegefühl heraus, die durch die Erkrankung oder Verletzung aufkommt oder von irgendeiner verbalen Indoktrination von den Laufkameraden: "Kann´ste vergessen den Lauf, bis dahin kommst du nicht mehr auf die Beine." Solche Sprüche haben wir immer drauf.
Oft genug habe ich an dieser Stelle schon über das Krankheits- und Verletzungsproblemen geschrieben. Ich wiederhole es einfach hier noch einmal, damit dir diese Zeilen in irgendeiner Weise die Schmerzen von deiner Seele nehmen:
"Hilfe Trainingsausfall!" Wie oft ich diese Worte schon gehört habe kann ich nicht zählen. Besonders in der Winterzeit schlagen die Viren hinterhältig zu und legen uns Läufer flach. Dann bricht die reale und auch unsere Traumwelt zusammen.
Die ganze Arbeit des Winters im Eimer? Ja, glauben viele von uns schon nach 7 Tagen Trainingsausfall. Eine Woche Bettruhe und aus dem hochengagierten Läufer wird ein mutloser Jammerlappen. "Meinen Frühjahrs-Marathon kann ich abschreiben, ich konzentriere mich jetzt ganz auf Frankfurt. Schreibe bitte den Joker um." Das sind die Zeilen, die ich jetzt zu oft lesen muss.
Es werden in unserer Szene geradezu grauenhafte Horrorszenarien entwickelt, was die Auswirkung einer Trainingspause bewirkt. Nach einem Winterunfall mit 3 Wochen Ausfall rief mich ein Greif-Clubmitglied an und fragte, ob er denn jemals wieder ein so guter Läufer werden könnte, wie er vorher war. Diese Frage war ernsthaft!
Ich muss natürlich vorausschicken, dass es ein relativer Neuling in der Laufszene war, der diese Befürchtung hegte. Die "Alten Hasen" sind da schon etwas abgehärteter. Die sind zwar auch nicht gerade glücklich über eine Verletzung oder Erkrankung, aber sie wissen nach einem langen Läuferleben ziemlich genau wie lange es dauert, bis sie wieder auf den Beinen sind.
Gestützt werden diese Ängste stark von der Ärzteschaft, die natürlich auf Nummer sicher geht, wenn es um die Trainingspause nach Erkrankung oder Verletzung geht. Bei denen geht Vorsicht immer vor Läuferehrgeiz.
Können Ärzte es eigentlich überhaupt einschätzen, wann ein Läufer(in) wieder auf die Piste kann? Die meisten Mediziner können es nicht. Dies ist uns oft nicht klar, aber die Gründe liegen auf der Hand.
Wenn der Patient wieder gesund ist, dann verlässt er den Doktor, weil es keinen Grund mehr gibt, ihn zu konsultieren. Und so erfährt der Heiler niemals, wann der Sportler wieder anfängt zu trainieren und wann er sich wieder voll belastet.
Nur wenn der Wiedereinstieg schief geht, muss der Patient abermals zu seinem Arzt und bestätigt diesem somit, dass seine Empfehlung einer langen Pause nach der Erkrankung richtig war. Im Kopf des Arztes wird dann eventuell die Wurzel zu einer Empfehlung einer noch längeren Schonzeit gelegt.
Der ehemalige Patient ist aber sonst allein auf sich und seine Umgebung angewiesen. Wenn er Glück hat, dann gerät er an einen Mitläufer, der schon einmal in der gleichen Situation war, wie er selbst. Aber ob sich aus diesem einmaligen Fall dann auch ein Wiederherstellungsablauf für ihn selbst konstruieren lässt, ist fraglich.
Erfahrene Trainer sind die da besseren Ansprechpartner. Da sie in vielen Jahren ihre Schützlinge stolpern und auch wieder aufstehen gesehen haben, können sie meistens deutlich besser einschätzen, wenn Läufer nach einem Trainingsausfall wieder richtig loslegen können.
Das hat aber auch seine Grenzen. Die Ausheilzeit von schweren orthopädischen Verletzungen ist sehr unterschiedlich. Und in diesen Fällen kann auch der erfahrenste Trainer keine sicheren Einschätzungen geben.
Anders sieht es nach grippalen Erkrankungen aus. Da hängen einige „Jungs“ viel zu lange in Mamas Arm umher. So ein Infekt dauert meist nur eine Woche, dann folgen 2 Tage aufraffen mit verstärktem Selbstmitleid und Streicheleinheitsforderungen.
Aber ab dann kannst du wieder dein Leben nach eigenem Gusto gestalten. Nach Fieberfreiheit, abgeschwollenen Drüsen (meistens Mandeln) und abklingen des Hustens, wird noch zwei Tage pausiert und dann geht es wieder, so schlaff du auch bist, raus auf die Piste.
Am ersten Tag läufst du 50% deines gewohnten Trainingsumfangs, am zweiten 75% und dann gehst du auf 100%. Und zwar alles im regenerativen Tempo. Hast du diesen Zeitraum ohne Probleme überstanden, machst du einen Strich unter deine Erkrankung: Du bist wieder gesund!
Das heißt: Keine Schonung mehr! Es wird auch nicht mehr im Geiste herum geeiert und gefürchtet. Du bist voll belastbar und dir wird auch nicht passieren, was von den Folgen deines grippalen Infekts herrührt, wenn die Bedingungen so liegen, wie gerade beschrieben.
Ich bin jetzt 32 Jahre Trainer und mir ist kein Fall bekannt, bei dem dieses Verfahren schief gelaufen ist. Also ran an Tempoläufe und lange Runde. Du brauchst nach 2 – 3 Wochen Trainingsausfall maximal 10 Tage damit du wieder auf dem Stand vor der Erkrankung bist. Ein Körper vergisst sein Training niemals.
Meistens reicht auch schon eine Woche Normaltraining, um deinen Holger wieder zu gefährden. Aber das ist auch Kopfsache. Nach dem Schlaffheitsgefühl der Wiedereinstiegsphase schleppen einige von uns dieses Gefühl weiter mit sich herum und verbalisieren es auch; "Ich war schwer krank und lag tagelang mit hohem Fieber im Bett!" So eiern sie im Schontempo und mit Angstgefühl weiter im Wald umher.
Diese entschuldigende Jammerei hört man aber fast ausschließlich von Männern. Für die ist ein banaler fiebriger Infekt eine lebensbedrohliche Erkrankung und Knieschmerzen bereiten ihnen genau soviel Pein, wie Opas alte Kriegsverletzung.
Woher kommt eigentlich diese ganze Angst vor dem kompletten Leistungszusammenbruch nach einer überschaubaren Krankheitszeit? Wenn du darüber nachdenkst, kommst du drauf.
Nimm einmal an ein Neuling aus der Jogger- steigt in die Läuferszene mit einem Leistungsvermögen von 54 min/10 km ein. 1,5 Jahre später erreicht er schon 51 min. Um dorthin zu kommen, hat er hart trainieren müssen.
Und nun kommt die Erkrankung, 14 Tage lang Grippe. Als er nun wieder einsteigt in das Training, läuft er genau so langsam wie damals vor 1,5 Jahren. Nun kommt in ihm das Grauen hoch: "Jetzt muss ich wieder anderthalb Jahre trainieren, um wieder auf den selben Leistungsstand wie vor der Erkrankung zu kommen. Und dann bin ich ja auch schon wieder 1,5 Jahre älter. Meine Karriere ist ruiniert!"
Wenn es dir auch einmal so geht, dann kann ich dich trösten: So etwas passiert niemals. Du kommst ganz schnell wieder auf die Füße und wirst noch viele glorreiche Rennen bestreiten können.
In diesem Sinne: Wenn du diese Zeilen liest, weile ich in der Türkei mit 118 Leuten, die auch alle auf gute Zeiten im doppelten Sinne des Wortes hoffen.