Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich unsere unsportliche menschliche Umgebung überaus freut, wenn uns einmal eine Erkrankung erwischt. Egal was man bekommt, immer ist die "Lauferei" und besonders der Marathon schuld. "Das kann doch nicht gesund sein!"
Das hast du doch bestimmt auch schon erlebt, wenn du mit einem Schnupfen ins Büro kommst und die ganze fette Bande deiner Kollegen tönt: "Ist doch klar, dass du einen Schnupfen bekommst, wenn du bei jedem Wetter draußen herumrennst."
Wenn du dann den gehässigsten Typen fragst, woher denn bei ihm die Erkältung kam, mit der er 14 Tage lang krank gemacht hat, dann antwortet dieser: "Da habe ich mich ja auch bei meinem Sohn angesteckt, der hat das aus dem Kindergarten mit gebracht." Ach so!
Du kannst machen was du willst, das Laufen ist an allem Unbill Schuld. Besonders eingeschossen haben sich Fettwanst und Co auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenk. "Das sagt doch schon der gesunde Menschenverstand, dass diese vielen km die du läufst die Knie kaputt machen."
Wenn du dann argumentierst, dass es so ewig viele Menschen gibt, die neue Gelenke bekommen mussten, obwohl sie sich in ihrem ganzen Leben nicht sportlich bewegten, wird abgewunken. Solche Einlassungen werden von der Armee der körperschonenden Weichcouchbewohner mit den Worten abgebügelt: "Kommt vor, aber bei dir ist das viel schlimmer!"
Selbst meine 91-jährige lebenslang unsportliche Mutter stößt in dieses Horn, obwohl sie zwei künstliche Hüftgelenke und ein neues Kniegelenk ihr eigen nennt. Sie hält mir vor: "Du siehst doch was du mit deinen Knie gemacht hast, du kannst doch gar nicht mehr soviel laufen." Solche Aussagen treiben mich fast in den Wahn.
Ich frage mich immer, ob sie denn die eigenen viel schlimmeren Schäden nicht sehen will oder nur davon ablenken möchte. Manchmal denke ich, dass diese ganzen Verleugner einmal zum Psychologen gehen sollten. Aber ganz realistisch betrachtet, wird es so bleiben wie es ist. Da hilft uns auch nicht der nachfolgende IdW-Artikel vom 02.06.2011:
"Marathonlaufen schädigt die Kniegelenke nicht
92. Deutscher Röntgenkongress widmet sich der Schnittstelle von Radiologie und Sportmedizin
Ein gesunder Marathonläufer schädigt seine Kniegelenke nicht, sagt Privatdozent Dr. Wolfang Krampla vom Wiener Donauspital. Der Radiologe hat die Kniegelenke aktiver Marathonläufer mittels Magnetresonanztomografie (MRT) untersucht, einem Verfahren, das besonders gut zur Diagnose der Gelenke geeignet ist.
Zwischen der ersten Aufnahme und der letzten Kontrolluntersuchung nach rund zehn Jahren lagen bis zu 40.000 Kilometer Lauftätigkeit. Dabei zeigten die Kniegelenke der Probanden keinerlei neu aufgetretenen Abnutzungserscheinungen.
Entgegen weit verbreiteter Meinung habe die Marathondisziplin keinen schädigenden Einfluss auf die Menisken, Knorpel und Knochen, so der österreichische Radiologe – und das trotz der kaum vorstellbaren Belastung von 6.200 Tonnen, die die Kniegelenke eines 75 Kilogramm schweren Läufers während eines Marathonlaufs abfedern müssen.
Zum Vergleich: die Stahlkonstruktion des Eiffelturms wiegt 7.300 Tonnen. Der Körper passt sich der vermehrten Belastung an, erklärt Dr. Krampla. Nicht nur das Muskelgewebe wächst unter Belastungen, auch die Knochendichte nimmt unter Anstrengung zu.
Dennoch sollten gerade Hobbysportler ihren Sport nicht überreiben, warnt Dr. Krampla, dessen Forschungsschwerpunkt Überlastungsschäden bei Sportlern sind. Als Faustregel gilt, dass Hobbyläufer mit einem Trainingspensum von maximal 80km/Woche ihre Knochen, Gelenke, Muskulatur und Kondition steigern. Ab ca. 100 km/Woche nehmen Überlastungsschäden dramatisch zu, da die Regenerations- phasen nicht mehr eingehalten werden können."
Eigentlich schön für uns, aber die Einschränkung bis 100 km ist zweifelhaft. Und wer ist Hobbysportler? Der, der ohne Ehrgeiz einen Marathon läuft, nur gut durchkommen will? Oder zählt dazu auch der leistungssportlich orientierte Läufer(in) für den/die diese Zeilen gedacht sind?
Ganz sicher nicht, denn wir achten speziell auf unsere Regeneration, nehmen Nahrungsergänzungsmittel zu uns, essen und trinken in Bezug auf unsere Leistung.
Und wir machen eines, was die wahren Hobbysportler meist nicht tun und es auch nicht beherrschen: Wir periodisieren unser Training. Damit geben wir unserem Organismus die Zeit und die Mittel um sich nach langen und schnellen Belastungen wieder aufzubauen.
Diese Idee unterstützte auch die Würzburger Studie aus dem Jahr 2004. Auf der Seite des Deutschen Olympischen Sportbundes wird aus dieser Arbeit zitiert:".... Aber gerade das Joggen stand stark im Verdacht, sich negativ auf die besonders involvierten Sprung-, Knie- und Hüftgelenke auszuwirken. Jetzt können die vielen Jogger unter uns aber aufatmen. Eine Studie an der Universität Würzburg belegt, dass sie nicht mehr unter Arthrose in den beschriebenen Gelenken zu leiden haben als andere Menschen auch.
Dr. Markus Walther vom Würzburger Lehrstuhl für Orthopädie hatte sich intensiv mit dem Thema auseinander gesetzt. In einer groß angelegten Untersuchung befasste er sich mit über 1.200 Läufern, um eventuelle Muster der körperlichen Folgen durch Langstreckenlauf festzustellen.
Alle Sportler wurden mit Blick auf die aufgetretenen Verletzungen und Überlastungsschäden intensiv befragt. Die Ergebnisse sind erstaunlich und lassen viele Befürchtungen schwinden, da die Forscher keinen Zusammenhang zwischen der Menge der gelaufenen Kilometer und den ermittelten Veränderungen feststellen konnten."
Eines ärgert mich bei der "Röntgenstudie" und zwar dieser Absatz: "Zum Vergleich: die Stahlkonstruktion des Eiffelturms wiegt 7.300 Tonnen. Der Körper passt sich der vermehrten Belastung an, erklärt Dr. Krampla. Nicht nur das Muskelgewebe wächst unter Belastungen, auch die Knochendichte nimmt unter Anstrengung zu."
Eigentlich ganz positiv, aber im Unterbewusstsein impliziert beim Leser der Gedanke, dass man den menschlichen Organismus mit einer Maschine vergleichen kann. Denn aus 100-ten Gesprächen weiß ich, dass der größte Teil der unsportlichen Durchschnittsbürger von einem mechanischen Verschleiß in unserem Körper ausgeht.
Je mehr man läuft, desto eher gehen die Gelenke kaputt, so wie das bei einer Maschine der Fall ist. Und dieses Vorurteil wird durch den Eifelturmvergleich sofort wieder geweckt. Warum nimmt man nicht einmal die Störche, die jedes Jahr zweimal mehrere 1000 km zwischen hier und Afrika fliegen. Bekommen die auch Arthrose? Und die, die im Sudan überwintern, weniger als die in Kenia.
Werde mal meine Mutter fragen, was die davon hält.