"Ich habe dir doch so oft gesagt, du sollst nicht....!" Erinnert dich das an deine Kindheit? Mich auch, aber ebenso an meine Tätigkeit als Trainer. Ich weise häufig die von mir trainierten Läufer(innen) auf bestimmte Fehler hin. Wiederhole diesen Hinweis ein bis zweimal, schweige dann und beobachte was passiert. Läufer(innen) hassen nämlich nichts mehr, als immer mit den gleichen Sprüchen "vollgesülzt" zu werden.
Ich hatte einmal einen Übungsleiter, der während Wettkämpfen immer wieder schrie: "Nimm die Arme mit!" Ich hätte ihm dafür in meinem Stress am liebsten eine geknallt. Aber eigentlich hatte er doch Recht, ich nahm die Arme wirklich nicht richtig mit. Das heißt, dass meine Armhaltung nicht perfekt war.
Aber auch der umgekehrte Fall bringt keinen vollen Erfolg. Wir hatten in 2004 die "Neue Atemtechnik" (NAT) getestet und für überragend gut befunden. So schulte ich dann meine Läufer(innen) während unserer Trainingsurlaube und auch die hier zu Hause in Seesen mit dieser Art des tiefen Einatmens. Aber wenn ich mir wieder einmal das Ergebnis dieser Schulungen ansehe, dann bin ich frustrert, denn fast jeder hechelt bei Tempoläufen weiter mit hoher Frequenz vor sich hin.
Und dieses "Hecheln" ist absolut kontraproduktiv für die Leistung, wird uns aber leider von unserem Gehirn reflektorisch vorgegeben. Viel besser ist es für dich und für uns alle, ganz tief einzuatmen und zwar so tief wie es möglich ist. Natürlich beschleunigt sich bei hoher Belastung auch die Atmung, das macht aber nichts, Hautsache man atmet immer weiter tief ein.
Warum ich nun gerade heute wieder einmal über die NAT schreibe, liegt an einem aktuellen Fall. Am Mittwoch, dem 23.05.2007 liefen zwei Athleten von uns in einem Nachbarort 5000 m auf der Bahn. Beide erkämpften sich zwar eine Bestzeit, aber blieben doch jeweils 15 - 20 sec unter ihrer angestrebten Zeit. Der Grund war, dass sie auf den letzten 2000 m immer langsamer wurden.
Einen meiner Läufer versuchte ich am Rande der Bahn stehend zu motivieren, in dem ich ihn auf einen 50 m vor ihm liegenden Konkurrenten "scharf" machte. "Den kriegst du noch da vorn!" Aber es war nix mit einkriegen. Mein Athlet verdrehte die Augen immer mehr, hielt zwar den Abstand und kam seinem "Vorläufer" aber keinen Zentimeter näher, obwohl dieser auch schon im roten Bereich drehte.
Die Gegengerade hochgehend, wo das Geschrei der Trainer und Betreuer etwas gedämpfter klang, nahm ich beim Vorbeilaufen meines Schützlings die viel zu hohe Atemfrequenz wahr. "Tief einatmen, immer nur tief einatmen," schrie ich ihm hinterher. Und er begriff sofort, dass das seine Rettung sein könnte. Und schon holte er in einer Runde 10 m auf. Es reichte zwar nicht mehr ganz dazu den Konkurrenten noch zu überholen, denn das Rennen war dann schnell zu Ende. Aber auf die Hälfte der vormaligen Distanz konnte er den Abstand doch verringern.
Im Ziel sprudelte der Erschöpfte dann heraus: "Mann, bin ich fertig, aber das tiefe Einatmen hat mir geholfen. Ich habe viel zu flach geatmet." Also muss hier festgehalten werden: Der Fehler lag einwandfrei beim Trainer. Hätte ich schon vor dem Start und auch mehrfach im Rennen auf die NAT hingewiesen, wäre mein Athlet sicher deutlich besser gelaufen.
Daraus werde ich lernen, auch wenn mich die Kumpels, die immer am Rand der Bahn stehen, ganz schnell "verar...." werden: "Vergiss nicht "tief atmen" zu rufen oder nach einem Hinweis an den Aktiven von "2 sec zu langsam", kommt dann mit 90%-iger Sicherheit: "Der hat wohl schon wieder nicht tief genug geatmet."
Ein Athlet hat im Rennen kaum eine Chance selbst auf die Idee zu kommen, anders zu atmen. Sein Kopf lenkt ihn immer wieder auf die Hechelatmung und der Wettkampfstress lässt kaum noch eine rationale Denkweise zu. Jeder, der die Tiefatmung einsetzen will, muss sie vorher bei Tempoläufen trainieren. Sie ist ganz einfach zu lernen, aber nicht genau so einfach durchzuhalten. Ganz leicht gleitet sie aus deinen Gedanken und die hohe Frequenz übernimmt wieder die Herrschaft.
Falls du auch die NAT einsetzen willst, dann rate ich dir, dir einen Anker zu setzen. Und zwar an einem Punkt, den du auf jeder Bahn oder Straße findest. Auf der Bahn könntest du zum Beispiel den Scheitelpunkt der Kurven als Anker für "Tiefatmung" nehmen. Jedes Mal wenn du dort bist, denkst du: "Tief einatmen." Wenn du das übst, dann wirst du in jeder Kurve daran erinnert, tief und damit leistungsfördernd zu atmen.
Du kannst dir auch einen immer wiederkehrenden "Piepton" als Erinnerungsauslöser in deine Uhr programmieren, womit du dir allerdings schnell den Zorn deiner Mitläufer(innen) zuziehen wirst, denn die können das Gepiepe in der Regel nicht ertragen. Bei einem Straßenrennen kannst du deinen Anker an den km-Punkten festmachen. Du nennst die km-Punkte nicht mehr km-Punkte, sondern "Tiefatmer 1", "Tiefatmer 2" usw. So wirst du automatisch alle 1000 m auf die richtige Atemtechnik hingewiesen.
Allerdings solltest du niemand von dieser Erinnerungstechnik erzählen, sie birgt nämlich auch schwere "Verar.....s-Gefahr in sich: "Noch 50 m, dann kommt dein Tiefatmer, he, he, he!" Du kannst natürlich auch ganz andere ubiquitäre Anker nutzen, nur festlegen musst du sie und damit trainieren.