Du weißt sicher, dass ich mich schon Jahrzehnte in unserer Laufszene bewege. Natürlich hat sich in diesen Jahren viel geändert, aber gravierend fällt auf:
Zu viel Bekleidung im Wettkampf
1. Besonders Läufer(innen) hängen sich im Wettkampf unverhältnismäßig viel Bekleidung auf den Leib. Vor dem Start: "Mir ist kalt" und im Ziel dann mit hochrotem Kopf: "Oh, es ist aber richtig warm geworden." Früher zog man sich die damals deutlich schlechtere Laufbekleidung sehr sparsam an und rannte schneller. Heute sieht es am Ende eines winterlichen Volkslaufs manchmal wie bei einer Pinguinwanderung aus. Und dies im Anblick und Tempo.
So möchte ich allen Wettkämpfern(innen) eines mitgegeben: Du musst vor dem Rennen in deiner Wettkampfbekleidung leicht frieren, dann bist du richtig angezogen und wirst nicht durch Überhitzung gebremst.
Weniger Läufer nutzen Wettkampfschuhe
2. Ist die Anzahl derer, die im Rennen Wettkampfschuhe nutzen erheblich gesunken. In meiner aktiven Zeit hätten wir uns lieber 10 blaue Zehen gelaufen, ehe wir auf die leichten Schuhe verzichtet hätten. Heute finden es eine ganze Mengen Leute überhaupt nicht tragisch, mit den schwersten Stützschuhen an den Start zu gehen - am besten noch mit Einlage. Macht ja nix!
Wahrscheinlich ist diesen Läufer(innen) gar nicht klar, welche fatalen Auswirkungen schwere Laufschuhe auf die Leistung haben. Ein bekannter Läufer hat einmal gesagt, dass es nicht viel ausmache, ob die Schuhe nun ein paar Gramm schwerer oder leichter sind. Er begleitete die Aussage mit dem Satz: "Für diese 90 g Differenz gehe ich kurz vor dem Rennen noch einmal pinkeln, dann habe ich das Gewicht wieder ausgeglichen."
Auweiah, dieser Mann wusste nicht wie er irrte. Das Gewicht am Schuh hat mindestens die 10-fache negative Wirkung wie die gleiche Masse am Körper. Warum das so ist, ist nicht einfach zu erklären. Aber ich werde es versuchen:
Dein Körpergewicht beschleunigst du einmal am Start und bringst es mehr oder weniger gleichmäßig in das Ziel. Während du läuft musst du um vorwärts zu kommen, dieses Gewicht bei jedem Schritt anheben. Damit wird klar: Je mehr Gewicht ich habe, desto mehr Energie muss ich aufwenden um vorwärts zu kommen. Also je höher dein Körpergewicht ist, desto langsamer wirst du sein. Das ist banal, weiß jeder Läufer.
Negative Auswirkungen von hohem Schuhgewicht
Aber warum soll sich denn nun das Schuhgewicht negativer auswirken als das Körpergewicht? Schließlich zählt das doch auch zum körperlichen Gesamtgewicht. Das liegt daran, dass sich besonders die Füße mit einer ganz anderen Geschwindigkeit bewegen als der Körper. Und sie müssen während des Laufens ständig von der Geschwindigkeit null auf über Lauftempo beschleunigt werden.
Während des Laufens nennt man das Bein auf dem du stehst das Stützbein und jenes welches sich in der Luft befindet und nach vorn geführt wird das Schwungbein. Wenn sich das Stützbein nun am Boden befindet, ruht der Fuß mit der Geschwindigkeit null, der Körper bewget sich in Laufgeschwindigkeit über ihn hinweg.
Wenn das Schwungbein dann aufsetzt, wird das Stützbein zum Schwungbein. Und nun muss der Fuß ganz schnell beschleunigt werden, um wieder nach vorn zu kommen. Und das ist der Knackpunkt: Die Beschleunigung des Fußes aus der Ruhe heraus auf über Laufgeschwindigkeit.
Hast du einmal eine Treibstoffverbrauchsanzeige beim Beschleunigen eines Autos beobachtet? Da schießt der Spritverbrauch bis an das dreifache in die Höhe und wenn das Auto dazu noch dick und schwer ist, dann rauscht es nur so raus aus dem Tank.
Und genauso ist es auch beim Fuß mit dem schweren Schuh. Jedes Gramm muss mit hohem Energieaufwand beschleunigt werden und dies bei einem Marathon mehr als 35.000-mal. Errechnet für 1,20 m Schrittlänge bei einem Durchschnittsläufer(in). Wenn nun aber ein Eliteläufer eine Schrittlänge von 2 m hat, dann benötigt er nur 21000 Schritte und damit die gleiche Anzahl von Fußbeschleunigungssequenzen. Somit ist ein leichter Schuh für einen Durchschnittsläufer noch wichtiger als für einen Eliteläufer.
Nun kann man natürlich einwenden, dass ja nicht alle Läufer einen Wettkampfschuh tragen können, weil deren Dämpfungs- und Stützeigenschaften nicht denen der gestützten Trainingsschuhe entsprechen. Das ist eingeschränkt richtig, denn es gibt inzwischen so geniale Rennschuhe, die trotz minimalstem Gewicht überragend dämpfen und stützen. Der Nike Lunaracer ist darin ein besonders lobenswertes Exemplar. Der dämpft teilweise besser als Trainingsschuhe anderer Marken.
In fast jeden Rennschuh kann man heute eine Sporteinlage packen und so wird aus dem leichten "Puschen" ein vollwertiger Stützschuh. So kann man auch bei Fußfehlstellungen in Wettkampfschuhen einen Marathon laufen.
Insgesamt sieht es im Verlauf der Schuhentwicklung über die Jahrzehnte so aus, dass die heutigen Wettkampfschuhe teils besser dämpfen und stützen als früher die reinen Trainingsschuhe. Ich kann dir nur raten, versuche es einmal mit einem Rennschuh, du wirst begeistert sein. In einem leichten Schuh läufst du in der höchsten Gefühlsklasse.
Nur vor einem muss ich dich warnen: Trainiere nicht in Wettkampfschuhen! Laufe sie 20 km ein und wenn sie über diese Distanz gut sitzen, dann kannst du sie auch im Marathon laufen. Danach stellt du sie in das Regal bis zum nächsten Rennen. Wettkampfschuhe haben eine geringe Lebensdauer. Darum schone sie, denn ein leichter gut sitzender Rennschuh ist eine persönliche Ikone.