Hast du auch schon einmal in einem Wettkampf von außen auf die Schuhe der Läufer(innen) geschaut. Dann wirst du sehen, dass im vorderen Feld meist leichte Laufschuhe getragen werden und je langsamer die Aktiven laufen, desto schwerer werden die Schuhe.
Man könnte die einfache Aussage treffen, dass die guten Platzierungen über das Gewicht der getragenen Schuhe erreicht werden. Dem ist natürlich nicht so, denn häufig tragen die etwas beleibteren Läufer auch die schwersten Schuhe.
Auf die Frage hin, warum denn solche schweren Trainingsschuhe im Rennen getragen werden, bekommt man die Antwort: "Ich brauche die Stütze und die Dämpfung, sonst halte ich den Wettkampf nicht durch."
Dämpfung schützt nicht vor Verletzungen
Es hält sich allgemein in unseren Kreisen der Glaube an den Wert der Dämpfung der Schuhe und deren Schutz vor Verletzungen. Aber dieser Glaube ist falsch! Je stärker die Dämpfung eines Schuhs ist, desto mehr Kraft geht verloren.
Die Schuhindustrie hat Jahrzehnte Dämpfungssysteme aufgrund von Annahmen entwickelt. Es wurden Mittelsohlen geschäumt, mit Kissen versehen, voll Luft geblasen, mit Waben gefüllt und mit Gel gespritzt. Geholfen hat es nichts, die Verletzungshäufigkeit nahm nicht ab und schneller wurden die Massen mit den Superschuhen auch nicht.
Zu deren Freude konnte man sich ohne große Muskelanstrengung beim Auftritt in den Schuh platschen lassen, um sich dann mit aller Kraft wieder aus den Schäumen und Kissen zu befreien.
Vergessen hatte man aber, dass die Muskulatur über eine Speicherfähigkeit der Auftrittskraft verfügt und diese beim Abdruck wieder frei gibt. Alles was bei den Dämpfungsschuhen in Gel und Schaum hängen blieb, bekamen die Träger der "harten" Wettkampfschuhe wieder als Vortrieb heraus.
Schwere Schuhe schaden eher
Erst gegen Anfang des neuen Jahrtausend besann man sich wieder auf Forschung und nicht auf Annahmen. Und so langsam war sicher, dass Laufschuhe, die im Jargon "Sänften" oder "Lastwagen" genannt wurden, den Läufern eher schaden als nutzen.
In der Zwischenzeit war aber die Anzahl derer, die im Rennen Wettkampfschuhe nutzten erheblich gesunken. In meiner aktiven Zeit hätten wir uns lieber 10 blaue Zehen gelaufen, ehe wir auf die leichten Schuhe verzichtet hätten. Heute finden es eine ganze Menge Leute überhaupt nicht tragisch, mit den schwersten Stützschuhen an den Start zu gehen - am besten noch mit Schuh-Einlage. Macht ja nix!
Wahrscheinlich ist diesen Läufer(innen) gar nicht klar, welche fatalen Auswirkungen schwere Schuhe auf die Leistung haben. Ein bekannter Läufer hat einmal gesagt, dass es nicht viel ausmache, ob die Schuhe nun ein paar Gramm schwerer oder leichter sind. Er begleitete die Aussage mit dem Satz: "Für diese 90 g Differenz gehe ich kurz vor dem Rennen noch einmal pinkeln, dann habe ich das Gewicht wieder ausgeglichen."
Das Gewicht am Schuh hat mindestens die 10-fache negative Wirkung wie die gleiche Masse am Körper
Dieser Mann wusste nicht wie sehr er irrte. Das Gewicht am Schuh hat mindestens die 10-fache negative Wirkung wie die gleiche Masse am Körper. Warum das so ist, ist nicht einfach zu erklären. Aber ich werde es versuchen:
Dein Körpergewicht beschleunigst du einmal am Start und bringst es mehr oder weniger gleichmäßig in das Ziel. Während du läufst musst du um vorwärts zu kommen, dieses Gewicht bei jedem Schritt anheben. Damit wird klar: Je mehr Gewicht ich habe, desto mehr Energie muss ich aufwenden, um vorwärts zu kommen. Also je höher dein Körpergewicht ist, desto langsamer wirst du sein. Das ist banal, weiß jeder Läufer.
Warum soll sich denn nun das Schuhgewicht negativer auswirken als das Körpergewicht?
Schließlich zählt das doch auch zum körperlichen Gesamtgewicht. Das liegt daran, dass sich besonders die Füße mit einer ganz anderen Geschwindigkeit bewegen als der Körper. Und sie müssen während des Laufens ständig von der Geschwindigkeit null auf über Lauftempo beschleunigt werden.
Während des Laufens nennt man das Bein, auf dem du stehst, das Stützbein und jenes welches sich in der Luft befindet und nach vorn geführt wird das Schwungbein. Wenn sich das Stützbein nun am Boden befindet, ruht der Fuß mit der Geschwindigkeit null, der Körper bewegt sich in Laufgeschwindigkeit über ihn hinweg.
Wenn das Schwungbein dann aufsetzt, wird das Stützbein zum Schwungbein. Und nun muss der Fuß ganz schnell beschleunigt werden, um wieder nach vorn zu kommen. Und das ist der Knackpunkt: Die Beschleunigung des Fußes aus der Ruhe heraus auf über Laufgeschwindigkeit.
Hast du einmal eine Treibstoffverbrauchsanzeige beim Beschleunigen eines Autos beobachtet? Da schießt der Spritverbrauch bis an das dreifache in die Höhe und wenn das Auto dazu noch dick und schwer ist, dann rauscht es nur so raus aus dem Tank.
Und genauso ist es auch beim Fuß mit dem schweren Schuh. Jedes Gramm muss mit hohem Energieaufwand beschleunigt werden und dies bei einem Marathon mehr als 35.000-mal. Errechnet aus 1,20 m Schrittlänge bei einem Durchschnittsläufer(in). Wenn nun aber ein Eliteläufer eine Schrittlänge von 2 m hat, dann benötigt er nur 21.000 Schritte und damit die gleiche Anzahl von Fußbeschleunigungssequenzen.
Das bedeutet, dass diesem Beispiel nach ein Durchschnittsläufer 14.000 Schritte mehr laufen muss als der Eliteläufer. So muss er auch seinen schweren Schuh wesentlich öfter beschleunigen.
Ein leichter Schuh ist für einen Durchschnittsläufer noch wichtiger als für einen Eliteläufer
Nun kann man natürlich einwenden, dass ja nicht alle Läufer einen Wettkampfschuh tragen können, weil deren Dämpfungs- und Stützeigenschaften nicht denen der Trainingsschuhe entsprechen.
Das ist oberflächlich gesehen richtig, aber nur wenn man nachlässig ist. Wer seine Stützschuhe vor dem Tempotraining auszieht und in Lightracer schlüpft, der bereitet seinen Fuß schon auf den noch leichteren Wettkampfschuh vor.
Insgesamt sieht es im Verlauf der Schuhentwicklung über die Jahrzehnte so aus, dass die heutigen Wettkampfschuhe teils besser dämpfen und stützen als früher die reinen Trainingsschuhe. Ich kann dir nur raten, versuche es einmal mit einem Rennschuh, du wirst begeistert sein. In einem leichten Schuh läufst du in der höchsten Gefühlsklasse.
Trainiere nicht in Wettkampfschuhen!
Nur vor einem muss ich dich warnen: Trainiere nicht in Wettkampfschuhen! Laufe sie 20 km ein und wenn sie über diese Distanz gut sitzen, dann kannst du sie auch im Marathon laufen. Danach stellt du sie in das Regal bis zum nächsten Rennen. Wettkampfschuhe haben eine geringe Lebensdauer.
Wenn du einen Trainingstest hast, dann nutze immer deinen zweitleichtesten Schuh. Der gibt dir im Wettkampf einen psychologischen Vorteil, wenn du 100 g weniger an den Füßen hast.