Nachdem die Newsletter-Reihe zur Leistungsmessung in den letzten Wochen auf große Resonanz gestoßen ist, erfreut sich auch der Stryd-Leistungsmesser inzwischen immer größerer Beliebtheit. Es gibt durchweg begeisterte Rückmeldungen von den neuen Nutzern. Natürlich gibt es, wie bei vielen neuen Dingen, auch Fragen zum Handling und zur Interpretation der Werte. Auch ich probiere viel aus und stoße immer wieder auf neue Informationen. Da die Newsletter auch in unserem Läufer-Blog/Newsletter-Archiv landen und so weiterhin als Informationsquelle dienen, möchte ich hier ein paar Erkenntnisse mit dir teilen.
1. Gewichtseinstellung am Stryd
Ein absolut entscheidender Punkt bei der Nutzung des Stryd ist die Gewichtseinstellung. Vielleicht aber nicht so wie du denkst. Bisher war die Option für die Einstellung des Körpergewichts (wohl bedacht) gut in den App-Einstellungen versteckt. Nach einem Update ist sie nun leichter zu finden. Aber eins nach dem anderen.
Der Stryd berechnet die Leistung und andere Laufmetriken aus den Daten eines Beschleunigungsmessers. Es werden also die Beschleunigungen in den 3 Raumrichtungen gemessen. Wie die vertikale Komponente der Beschleunigung beim Joggen aussieht, zeigt Bild 1.
Bild 1: Vertikale Beschleunigung-Komponente beim Joggen mit ca. 2,5 m/s (4 Doppelschritte) Quelle: http://www.thomas-wilhelm.net/veroeffentlichung/Gehen.pdf
Aus diesen Beschleunigungsdaten berechnet Stryd einen nativen Leistungswert in W/kg. Wie die Einheit schon zeigt, ist es nicht unser Anzeigewert, dessen Einheit ja Watt ist. Was passiert also? Stryd multipliziert die berechneten W/kg-Wert mit deinem eingestellten Gewicht in kg. Änderst du jetzt ständig dein Gewicht in den App-Einstellungen, bekommst du immer einen anderen Watt-Wert angezeigt, obwohl die beim Lauf erbrachte native Leistung in W/kg gleich bleibt. Beispiel: Du erreichst beim Laufen an 2 Tagen hintereinander 3,6 W/kg, änderst aber deine Gewichtseinstellung nach dem ersten Tag von 75 kg auf 70 kg. Dann bekommst du am ersten Tag 270 Watt angezeigt und am zweiten nur 252 Watt!
Daher die Empfehlung: stelle einmal das Gewicht in den Einstellungen ein und ändere es anschließend nie mehr, egal ob du jetzt 2 kg zu oder abnimmst. Nur so wirst du vergleichbare Wattwerte über lange Zeiträume bekommen. Eine andere Möglichkeit wäre, ausschließlich die W/kg-Werte deiner Läufe zu betrachten.
Die Einstellung der exakten Körpergröße ist im übrigen entscheidend für die Ermittlung der Windkomponente des Wattwertes, da sie maßgeblich den Windwiderstand beeinflusst!
Einen ausführlichen Artikel von Steve Palladino zu diesem Thema kannst du hier lesen.
2. Kalibrierung
Der Stryd liefert nicht nur Leistungsdaten, sondern auch unabhängig vom GPS Distanz- und Pace-Werte. Dies ist besonders hilfreich, wenn man z.B. durch dichten Wald läuft oder es, wie am Jahresanfang, zu mehrfachen GPS-Aussetzern kam.
Zur Nutzung von Distanz und Pace sollte der Stryd exakt kalibriert werden. GPS vermessene Strecken oder die „Nachvermessung“ anhand der GPS-Daten in Strava, wie ich es bei einigen schon beobachtet habe, ist denkbar ungeeignet. Dafür sind die GPS-Daten zu ungenau. Am geeignetsten ist die Bahn im Stadion.
Dazu läuft man dort mit dem Stryd am linken Fuß (oder am rechten wenn du im Uhrzeigersinn läufst) 8 Runden mit dem linken Fuß exakt auf der inneren Linie von Bahn zwei. Die Länge dieser Linie beträgt standardmäßig 406 m (wenn die Bahnbreite dem Standard entspricht), was man noch mit einem Messrad verifizieren könnte. 8 Runden entsprechen dann 3248 m.
Da der Stryd völlig unabhängig von der Uhr seine Daten aufzeichnet (er benötigt keinen Trigger von der Uhr!), solltest du ihn vor dem Start kurz "aufwecken". Dazu genügt ein kurzer Lauf von 60 Sekunden. Innerhalb der folgenden 2 Minuten startest du dann deinen Kalibrierungslauf über 8 Runden. Zum Start setzt du den linken Fuß auf die Startlinie, im Ziel bleibst du auf der Ziellinie stehen und stoppst anschließend deinen Lauf.
Diesen Lauf lädst du hoch und bekommst in der Stryd-APP die Distanz metergenau angezeigt. Den Kalibrierungsfaktor berechnest du mit der Formel:
(Gelaufene Distanz / Gemessene Distanz) x 100%
Die gelaufene Distanz sind die 3248 m von der Bahn, die gemessene Distanz der angezeigte Wert in der Stryd-APP. Den Kalibrierungsfaktor gibst du in deiner Uhr ein.
Beachte: ohne eine exakte Kalibrierung des Stryd solltest du an deiner Uhr immer die Einstellung Distanz und Pace vom GPS verwenden.
Den Kalibrierungsfaktor solltest du ggf. regelmäßig prüfen. Es ist nicht ganz eindeutig, ob er nicht geschwindigkeitsabhängig und/oder vom gelaufenen Schuh beeinflusst wird. Nach dem ersten Kalibrieren konnte ich über 3 Monate eine sehr reproduktive Distanzmessung feststellen. Ich bekam immer exakt am gleichen Punkt (Baum, Brückengeländer, …) meine nächste km-Zeit angezeigt. Bei einer Nachkalibrierung (leider nicht auf der Bahn, sondern auf einer mit dem Messrad vermessenen Strecke von 2 km) ermittelte ich geschwindigkeitsabhängig (bei 4:45 min/km und 4:00 min/km) Kalibrierungsfaktoren mit 1% Unterschied (102.9 und 101.95), also ca. 10 m auf einen km. Völlig akzeptabel und mindestens im GPS-Fehlerbereich. Vielleicht lag es beim höheren Tempo aber auch einfach an einer Unkonzentriertheit exakt die "Linie" zu treffen.
Auf der Seite fellrnr.com, beschreibt Jonathan Savage, der so ziemlich alles testet, keinen signifikanten Unterschied zwischen 10:00 min/mi und 6:30 min/mi. Er beschreibt hier auch, dass die Genauigkeit der Stryd-Distanzmessung auf einem Trail genauer war als die Polar V800 auf Asphalt. Allerdings wird auch auf Probleme auf dem Laufband hingewiesen
Hier ist das Kalibrierungsverfahren nochmal von Stryd beschrieben.
Die Problematik der Distanz-Ermittlung kann man sich schnell vor Augen führen. Auch hier wird natürlich nicht "gemessen" sondern gerechnet. Wiederum besierend auf den Beschleunigungsdaten, der Schrittlänge (aus Körpergröße) und dem Feintuning aus der kalibrierung.
3. Ermittlung des CP/FTP
Wichtig zur Nutzung des Stryd ist die Ermittlung der Critical Power (CP) bzw. der Funktionsleistungsschwelle (FTP). Wozu entscheidend? Um nach den in diesem Newsletter beschriebenen Leistungszonen trainieren zu können, da diese Zonen prozentual des CP-Wertes festgelegt werden.
Den CP-Wert kannst du vom Stryd automatisch bestimmen lassen. Dazu ist es allerdings notwendig, dass du das Gerät 2-3 Monate bei allen deinen Einheiten (DL, lange Läufe, TDL, Intervalle, Wettkämpfe, …) mitlaufen lässt. Erst dann wird sich ein verlässlicher Wert eingependelt haben. Das funktioniert nicht durch 3 lockere DL.
Du kannst das Verfahren auch abkürzen und einen entsprechenden Test durchführen. Es eignet sich der 3min/10min-Test, mit folgendem Ablauf:
- 15 min locker einlaufen, 4 Steigerungsläufe von je ca. 50 m
- anhalten und vollständig erholen (Atmung + Puls)
- 3 Minuten laufen mit maximaler Anstrengung (so gleichmäßig wie möglich laufen).
- vollständige Erholung 5 Minuten Gehen, 10 Minuten Traben, 5 Minuten Gehen, 5 Minuten Traben und wieder 5 Minuten Gehen (30 Minuten insgesamt).
- 10 Minuten laufen mit maximaler Anstrengung (so gleichmäßig wie möglich laufen)
- anhalten und vollständig erholen.
Interessant sind jetzt die durchschnittlichen Wattleistungen aus dem 3 min und 10 min Intervall.
Deinen CP-Wert berechnest du nun wie folgt:
AP ist dabei die durchschnittliche Wattleistung (Average Power) des kurzen (3 min) und langen (10 min) Intervalls.
4. Trainieren mit dem Stryd
Ich habe ja empfohlen, den Stryd in den ersten 2-3 Monaten vor allem zur Datensammlung und -analyse zu verwenden und noch nicht direkt nach Wattwerten zu trainieren. Zuerst sollte man nach dem Laufen das Training analysieren und ein Gefühl für die Wattwerte entwickeln.
Trotz allem stellt sich natürlich die Frage, wie trainiere ich denn nun nach Wattwerten und wie lasse ich sie mir auf der Uhr anzeigen? Wenn ich im ersten Schritt die Daten gesammelt habe, dann habe ich auch Wattwerte für die unterschiedlichen Geschwindigkeiten auf flacher Strecke ermittelt. Ich weiss also, wieviel Watt ich für 4:00 min/km, 4:10 min/km oder 4:40 min/km aufbringen muss. In kleinen Bereichen, wie z.B. zwischen 4:20 min/km und 4:10 min/km verhält sich der Anstieg des Watt-Wertes nahezu linear, so dass ich dazwischen linear interpolieren kann. Benötige ich für 4:10 min/km 285 Watt und für 4:00 min 295 Watt, dann kann ich mir für ein geplantes Trainingstempo von 4:05 min/km einen Durchschnittswert von 290 Watt vornehmen. Dies nun unabhängig von Streckenprofil und Wind.
Wie lasse ich mir aber diesen Wert auf der Uhr anzeigen? Dazu habe ich neben dem Stryd Standard-Datenfald auf meiner Garmin ein weiteres Datenfeld und eine separate APP (auf der Uhr) getestet.
4.1 Datenfeld mit individuellen Leistungszonen
Wenn es mir nun genügt, zu wissen, dass ich bei meinem Lauf mit o.g. 290 Watt in Watt-Leistungszone 4 trainieren will, dann gibt es dafür ein sehr schönes und übersichtliches Datenfeld für Garmin im Connect-IQ-Shop, welcher unter „Mehr“ im Menü der Garmin-Connect APP zu erreichen ist. Sucht man dort nach "Stryd", findet man das Datenfeld:
"Drews’s Power Zones - Configurable"
Achte auf "Configurable", da es dieses Datenfeld auch ohne selbst zu konfigurierende Watt-Leistungszonen gibt. Nach dem Download und dem Synchronisieren der APP mit der Uhr, kann das Datenfeld zu deiner Anzeige auf der Uhr zugefügt werden. Es können in den Einstellungen auf dem Handy vordefinierte Zonen, auch die im Newsletter beschriebenen 7 Zonen nach Vance, ausgewählt oder komplett eigene Zonen (wie die Verfeinerung der 7 Zonen) definiert werden.
Anschließend präsentiert sich das Datenfeld auf deiner Garmin so:
Bild 2: Datenfeld "Drews’s Power Zones - Configurable" (Quelle: Garmin Connect IQ-Shop)
Du siehst sowohl den aktuellen Wattwert, als auch über die dargestellte Linie, in welcher Zone du dich in den letzten Sekunden bewegt hast. Die Zonen sind farblich voneinander getrennt, so dass dies sehr gut zu erkennen ist. Du kannst dir 3 oder 5 Zonen anzeigen lassen. Bei 3 Zonen erkennst du auch, ob du eher im oberen oder unteren Bereich der jeweiligen Zone unterwegs bist.
4.2 Komplettes Training/Workout mit vorgegebenen Watt-Werten
Geht es auch noch komfortabler? Lässt sich vielleicht ein komplettes Intervall-Trainingsprogramm in Watt-Werten vorgeben? Greif-Club-Mitglieder die mit einer Garmin unterwegs sind, kennen dies. Sie können Ihre Trainingseinheit mit einem Klick auf Garmin-Connect und von dort auf die Uhr übertragen. Dort ist für Intervalle, wie bei unseren Plänen üblich, die Pace vorgegeben. Geht das Ganze auch mit Watt-Werten als Vorgabe? Antwort ja!
Schau dir dazu einmal die folgenden Bilder des Kalenders in der Stryd-APP an. Ich bin mir fast sicher, dass du diese Darstellung noch nie gesehen hast. Für den 12. Januar steht da plötzlich kein absolviertes Training drin, sondern ein geplantes Training. In der 2. Darstellung siehst du dabei die geplanten Abschnitte Warmup (226-247 W), Lauf (241-271 W) und Cooldown (226-247 W) mit jeweils 2 km Länge.
Bilder 3 und 4: Geplantes Training in der Stryd APP (Quelle: Stryd)
Genau in dieser Form bekommst du dein Training auch auf deine Garmin. Die Erklärung folgt weiter unten. Nach absolviertem Training siehst du in der Stryd-APP folgende Darstellung:
Bild 5: Absolviertes geplantes Training in der Stryd-APP (Quelle: Stryd)
Was benötigst du nun dafür?
Zum einen für deine Garmin-Uhr die "Stryd Workout APP". Im Gegensatz zu Punkt 4.1 ist dies kein Datenfeld, sondern eine eigene APP für deine Uhr. Auch diese gibt es im Connect IQ-Shop von Garmin, der über die Connect-APP zu erreichen ist. Diese App wird nach Installation auf der Uhr als eigener Aktivitätstyp angezeigt. Du wählst dann also nicht mehr "Laufen" als Aktivität vor deinem Training, sondern "Stryd Workout APP" (siehe Bild 7). Dir wird nun für jeden Abschnitt (Intervall, ...) deines Trainings der Ziel-Wattwert sowie beim Training der reale Wert dargestellt. Wie bei den Pace-Vorgaben, wird dir auch hier farblich und akustisch angezeigt, ob du dich im geplanten Bereich bewegst (Bild 6). Die App bietet dir auch 2 weitere Screens mit Datenfeldern auf der Uhr. Jeweils Distanz, Zeit, Pace und Power als Durchschnittswerte für die gesamte Einheit und für den jeweiligen Abschnitt.
Bild 6: Anzeige Stryd Workout APP (Quelle: Garmin)
Bild 7: Aktitvitätstyp (Quelle: Garmin)
Wie bekommst du aber nun dein Training (Workout) in den Stryd-Kalender? Dafür benötigst du derzeit noch einen Account bei TrainingPeaks.com. Diesen gibt es in einer kostenlosen Variante. Da die Erstellung eines Trainings und die Synchronisation mit Stryd den Rahmen dieses Newsletters sprengen würde, habe ich die Beschreibung dazu hier als PDF hinterlegt. Keine Angst, es dauert nicht länger als 3 Minuten.
Für die geplante Umsetzung des Trainings nach Watt in unseren Trainingsplänen, ist auch eine Verbindung zu TrainingPeaks geplant. Derzeit läuft die Antragstellung zur Genehmigung der Nutzung der API (Programmierschnittstelle) von TrainingPeaks. Leider scheinen dort aufgrund von Urlaubszeit die Mühlen langsam zu mahlen. Ich plane auch hier die Möglichkeit, die Greif-Trainingseinheit per Mausklick nach TrainingPeaks zu schieben zu können.
Wer sich noch etwas gedulden kann, für den gibt es auch eine Nachricht aus der Stryd-Entwicklungsabteilung. Nach Info eines Stryd-Mitarbeiters wird dort intensiv an einem Feature zur manuellen Erstellung von Trainings direkt in der Stryd-APP (ähnlich wie bei Garmin-Connect) gearbeitet. Bleibt zu hoffen, dass es auch dort in Zukunft entsprechende Programmier-Schnittstelle für Partner-Anwendungen gibt, um eigene Trainings direkt zu Stryd hochzuladen.
Du siehst, es tut sich eine Menge. Der Stryd ist in keiner Weise ein technische Spielzeug, sondern ein absolut sinnvolles Gerät zur Trainingssteuerung und Trainingsanalyse. Ich bleibe weiter dabei verschiedene Dinge zu testen und dir anschließend an dieser Stelle davon zu berichten.
Hier findest du alle Newsletter zum Thema Leistungsmessung und Stryd-Leistungsmesser: