In der letzten Woche sprachen wir über die Aufwertung deines Trainings durch eine zusätzliche Einheit mehr in der Woche. Bei dieser Maßnahme kommt es zu einer allgemeinen Umfangserhöhung, dies aber in der Regel nur durch einen Tag mehr Dauerlauftraining. Sehr wirksam, aber es gibt noch andere überaus erfolgsversprechende Verbesserungsmaßnahmen.
Ich gehe einmal davon aus, dass du zu denen gehörst, die sich regelmäßig zweimal wöchentlich mit Tempoläufen abplagen. Ist das nicht so, dann hast du Glück, denn du kannst das Wundermittel der Leistungsverbesserung sofort einsetzen und wirst auch bald seine positiven Auswirkungen verspüren.
Tempoläufe sind alle die Laufübungen, die am Rande der aeroben Schwelle beginnen und im Nirwana der vollständigen anaeroben Belastung enden. In Pulswerten ausgedrückt beginnen Tempoläufe in der Gegend von 83 - 85 % der maximalen Herzfrequenz und enden - wie kann es anders sein - bei 100%. In maximaler Sauerstoffaufnahme beschrieben, wäre die untere Grenze für Tempoläufe etwa 78 - 80%.
Von diesen Läufen kannst du zwei pro Woche machen, aber nicht mehr. Selbst Profis laufen sich formmäßig aus den Socken, wenn sie mehr als 2 harte Tempoeinheiten in 7 Tagen laufen. Man behilft sich dann mit schnellen Einheiten, die etwas unter der aeroben Schwelle liegen.
Aber nun noch einmal zurück. Wie oben beschrieben, gehe ich davon aus, dass du zu denen gehörst, die regelmäßig zweimal wöchentlich Tempo machen und auch noch an mindestens zwei weiteren Tagen Dauerläufe im Bereich von 65 - 75% der maximalen Herzfrequenz.
Wenn du so trainierst, dann hast du schon ein ordentliches Programm zur Verfügung, mit dem du, eine genau so ordentliche Periodisierung vorausgesetzt, auch erfolgreich bei Wettkämpfen abschneiden solltest.
Wenn du aber nun das Gefühl hast, du entwickelst dich nicht mehr so richtig weiter, dann wählst du als erste Maßnahme einen Trainingstag mehr. Bringt das auch nicht den gewünschten Erfolg, schreitest du zur Gesamtumfangserweiterung. Ich mache diesen Unterschied von Umfangs- und Gesamtumfangserweiterung bewusst, weil mit ersterer in der Regel immer eine Erhöhung der Dauerlaufumfänge gemeint ist.
"Ich mache jetzt mehr km!" heißt das im Jargon. Bringt auch was, aber wesentlich mehr kommt dabei für dich heraus, wenn du auch die Länge deiner Tempoläufe erweiterst. Du wirst dich natürlich fragen, um wie viel kann ich denn nun meine Gesamtumfänge erweitern, ohne das ich mich überfordere?
Du wirst in den Publikationen lesen, die meist für den häufigst vorkommenden Unfall auf den deutschen 42,2 km-Kursen, den über 4 h-Marathonläufer geschrieben werden, dass man um Himmelswillen seinen Umfang mit einem Male nicht um mehr als 10% anheben soll. Sonst droht die schleichende Aushöhlung des Körpers bis zum Dasein eines Luftballons.
Wenn du selbst zu den > 4 h-Läufern gehörst, dann will ich dich mit diesen Zeilen nicht herabwürdigen, sondern dich nur motivieren, diese Zeitzone zu verlassen. Du kannst es, jeder kann es, wenn er oder sie nur gesund und jung genug ist und den Willen dazu hat. Wenn der Durchschnitt aller deutschen Marathonläufer deutlich über 4 h liegt und der der Frauen über 4:15, dann werde ich diese Schande mit schriftlicher Aggression bekämpfen. Und das mache ich solange, bis sich entweder die Zeiten zum Guten gewendet haben, ich senil oder tot bin.
Aber da diese Zeilen hier für Fortgeschrittene geschrieben sind, kann ich dir ein Geheimnis verraten: Bei den relativen Anfängern klappt das mit den 10% noch ganz gut, bist du aber schon ein alter Hase mit tausenden Trainings-km auf dem Buckel, dann reagiert dein Organismus zäh wie ein Powerbarriegel auf so eine geringe Gesamtumfangserhöhung. Der Reiz ist viel zu klein, als das sich deine Muskelzellen nun gemüßigt fühlen in vermehrte Aktivität zu verfallen.
Hier hilft nur der sprichwörtliche Tritt in das Hinterteil deiner Arbeitsabteilung. Für "trainingsalte Säcke" (das weibliche Pendant dazu fällt mir leider nicht ein) sind Umfangssteigerungen von 15 - 20% ideal. Es gehen auch 25%, aber dann musst du orthopädisch ziemlich stabil und jung sein (< 40 Jahre).
Wenn solch ein Tritt in deinen Körper fährt, dann wacht alles auf. Muskelmucken, Herzrasen, Leberzucken, Lungenbläh, Knorpelpanik, Nierenkräh, Magengesinge, Milzgeschrei und Darmgeschlinge. Die Hölle ist los in deinem Organismus und um alles kreist die wilde Blutjagd in deinen Adern. Jetzt hören alle Leistungsträger das Angstgeschrei deiner alten Bestzeiten und sind bereit zum Angriff. Aber keine Sorge, alles beruhigt sich später wieder und kehrt zur Normalität zurück.
Aber nur durch diesen Weckruf, weiß dein an dem alten Trainingstrott ruhender Körper, dass jetzt neue Zeiten anbrechen. Er fängt augenblicklich an sich darauf einzustellen mehr zu leisten. Als erstes schüttet er dir 1 - 1,5 l Wasser in das Blut, macht es dünner, um das Blut schneller in seinen Gefäßen kreisen lassen zu können.
Das hat die für manche Läufer(innen) die "tragische Folge", dass sich ihr Gewicht innerhalb von wenigen Tagen um 1 - 2 kg erhöht. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich den Satz schon gehört habe: "Je mehr ich trainiere, desto schwerer werde ich." Kurzfristig stimmt das, langfristig nimmt man bei verschärftem Training und gleicher Kalorienzufuhr immer ab.
Wie gehst du aber nun praktisch mit der Gesamtumfangserhöhung um? Bei den Dauerlaufkilometern ist das kein Problem. Wenn du bisher wöchentlich zweimal 15 km liefst, dann bleibt einmal 15 und die zweite Einheit erhöhst du auf 20 km. Das ist deutlich wirksamer, als wenn du jetzt beide 15-er auf jeweils 18 km erhöhst.
Bei deinen beiden Tempoläufen verfährst du ähnlich, statt einmal wöchentlich 10 km Tempodauerlauf, läufst du jetzt in der einen Woche immer noch 10 km und in der anderen Woche aber 15 km. Diese Maßnahme ist ziemlich hart, hat aber den Vorteil, dass du in einem Standardtrainingsrahmen bleibst. Denn die Trainingsresultate von 10 und 15 km Tempodauerlauf sind Werte, aus denen viele kommende Wettkampfleistungen abzuschätzen sind und auch mit Ergebnissen aus anderen Zeitabschnitten verglichen werden können.
Traust du dir die 15 km noch nicht zu, dann gehst du zu dem "schrägen Doppel" über. Du beginnst mit zweimal 12 km. In der nächsten Woche machst du 13 und 11, gefolgt von 10 und 14 km. In der vierten Woche bist du dann bei 10 und 15 km.
Bei den Wiederholungsläufen musst du etwas anders verfahren. Je nach Länge der Strecke kannst du einmal die Anzahl der Wiederholungen ändern oder auch deren Länge variieren. Hier einige Beispiele:
Aus 5 x 1000 m werden 6 x 1000 m
Aus 8 x 1000 m werden 10 x 1000 m
Aus 4 x 2000 m werden 4 x 2500 m
Aus 3 x 3000 m werden 3 x 4000 m
(Wenn du deutlich langsamer läufst geht das!)
Aus 2 x 5000 m werden 2 x 6000 m
Aus 12 x 400 m werden 15 x 400 m
Aus 20 x 200 m werden 25 x 200 m
Ich glaube, du hast das Prinzip verstanden und kannst dir dein Programm jetzt selber zurecht schneidern. Du solltest dabei aber auf keinem Fall vergessen, dass du das Tempo der Wiederholungsläufe im Zuge der Erhöhung erst einmal reduzieren musst.
Es wird dir sicher noch gelingen 6 statt 5 x 1000 m im gleichen Tempo zu laufen, aber bei 3 x 4000 statt 3 x 3000 wirst du sicher scheitern. Aber mit dem verschärften Training steigen auch deine Fähigkeiten und schon nach kurzer Zeit kannst du Dinge leisten, von denen du früher noch nicht einmal zu träumen wagtest.
Ich bitte dich nur um eines: Gib diese Zeilen an keinen Anfänger weiter, denn beim ersten Anblick wird dem oder ihr schon schlecht und wenn er dann seine Übelkeit verdaut hat, setzt er sich an seinen Rechner und schreibt in einem Hochbeleidigungsforum, was der Greif für ein Mörder, Menschenschinder, Knorpelzerstörer und Idiot ist.
Was ja im Grunde jeder schon weiß und zudem auch stimmt. Das wissen alle die, die dir ständig hinterherlaufen ganz genau! ;-)