In den letzten beiden Newslettern hatte ich über die Möglichkeiten berichtet, sein Training effektiver zu gestalten. Heute fahre ich fort mit dem Trainingstuning Nr. 3, der Intensität.
Wenn wir bisher über relativ harmlose Verbesserungen gesprochen haben, muss ich jetzt eine Warnung voraussetzen: Die Trainingsintensität ist nicht beliebig anhebbar. Zuviel davon ist ungesund und führt in die Überforderung. Aber keine Angst, ich schätze, dass ca. 90% aller Wettkampfläufer ihre Möglichkeiten der Leistungssteigerung durch Intensitätserhöhung nicht ausschöpfen. Es ist anzunehmen, dass auch von den Lesern dieses Newsletters, der sich an fortgeschrittene Läufer(innen) wendet, noch über 50% ihr Leistungspotential durch mehr Tempoläufe anheben können.
Vielleicht lieber Leser(in) gehörst auch du dazu. Um dich voran zu bringen, gehen wir die Sache einmal durch, um etwas Licht in diesen Tempodschungel zu bringen. Um es dir einfach zu machen, werde ich hier nur von zwei Arten des Intensitätstrainings berichten. Einmal das bis zur anaeroben Schwelle und zum anderen jenes über dieser Schwelle. Praktisch ausgedrückt: Tempolauf 1 bis zu 85% der maximalen Herzfrequenz (Hfmax) und Tempolauf 2 mit 86 - 100 % dieser Frequenz.
Als ich selbst noch ein Lauflehrling war, hatte man von diesen Dingen kaum eine Ahnung. Es wurde einfach nur gerannt. Es gab zwar Erfahrungen von anderen Läufern, aber mit wem man auch sprach, jeder hatte seine eigene Idee zum Training. Nur eines zog sich durch alle Aussagen: "Du musst schnell rennen, sonst wirst du nichts!" Mein erster Laufberater empfahl mir: "Alles was langsamer ist als 4 min/km bringt nichts." Also rannte ich ständig mindestens im Vierminutentempo. Davon schaffte ich erst 3 km, aber es wurden immer mehr. Bald waren auch 20 km kein Problem mehr.
Nach einem halben Jahr lief ich die 5000 m etwas über 16 min und schämte mich erbärmlich, weil ich so langsam war. Mein Gefühl war, dass so "richtige" Läufer erst bei Zeiten unter 16 min/5 km beginnen. Bald vermittelte meine Umgebung aber das Gefühl, doch schon ein "Richtiger" zu sein. Ohne eine gezielte Vorbereitung und null Ahnung von der Sache, reichte es nach einem knappen Jahr schon zu einer 2:41 im Marathon. Das war dann doch schon ziemlich ungewöhnlich.
Kurz und gut, das intensive Training half. Aber dann kamen die Schattenseiten. Meine Wettkampfleistungen waren eine reine Achterbahnfahrt. Mal erzielte ich Traumergebnisse, ein anderes Mal wurde ich von meinem Holger Meier regelrecht "zersägt".
Irgendetwas konnte mit dem Training nicht stimmen, dies war mir schnell klar. So wie ich trainierte, war der Erfolg nicht planbar, was mich sehr beunruhigte. Also begann ich zu experimentieren. Und mit Versuch und Irrtum fand ich einen Trainingsrhythmus heraus, der klappte und mit dem ich meine Form steuern konnte. Es dauerte aber Jahre bis diese Trainingsform stand. Ich lernte, dass ein erfolgreiches Training nur durch einen ständigen Wechsel von schnellen und langsamen Läufen zusammen kommt.
Probiert habe ich damals natürlich auch das Gegenteil von einem intensiven Training, wie es in den 70-ern bald Mode wurde. Und zwar jeden Tag schön langsam und lang durch den Wald laufen. Bei mir bewirkte das einen schleichenden Leistungsrückgang, andere Läufer (Läuferinnen gab es damals kaum) kamen damit gut zurecht und entwickelten sich. Aber sie kamen schnell an das Ende ihrer persönlichen Leistungsgrenze. Wenn sie dann wieder vermehrt auf Tempoläufe setzten, ging es wieder vorwärts.
Es gab kaum jemand, der bei so einem reinen langsamen Dauerlaufprogramm blieb. Allen war bald klar: Ohne Tempoläufe geht nix! Und da sind wir nun beim Punkt. Wie viel davon kann ich dir nun empfehlen? Schwer zu sagen. Denn unsere Szene trägt selbst zu der großen Verunsicherung bei, denn es wird fast ausschließlich mit Prozentangaben vom Gesamttrainingsumfang gearbeitet. Am gängigsten ist die Aussage: "Nicht mehr als 10% der Gesamt-km dürfen Tempoläufe sein!" Diese Zahl ist wegen ihrer Undifferenziertheit mit Verlaub schon als ziemlich dämlich zu bezeichnen.
Aber sie wird immer wieder abgeschrieben und veröffentlicht. Was so viele Leute schreiben, muss ja richtig sein.
Warum die 10% für die meisten Läufer Unsinn sind, wirst du gleich verstehen: In meiner besten Zeit lief ich in der Woche während der Haupttrainingszeit an die 200 km. Dabei kamen als Tempoläufe gut 20 km zusammen. Die 10% stimmten also. Aber was ist denn mit denen, die nur 30 - 50 km wöchentlich laufen? Sollen die nur 3 - 5 km Tempo machen? Und damit dann zum Beispiel erfolgreich einen Halbmarathon bestreiten? Das geht sicher, aber es ist einmal eine Sünde gegen die eigene Orthopädie und ebenso eine gegen das persönliche Leistungsvermögen.
Der Organismus des Betroffenen ist für diese Belastung nicht genug vorbereitet. Keiner von den Möchtegernratgebern, die 3 - 5 km als die maximale Tempolaufmenge empfehlen, schreibt davon, dass dann ein Halbmarathon schon in die Überforderung führen kann. Es gibt 100-te von Trainingsplänen, die nach dem Motto "In 3 Monaten zum Halbmarathon" handeln und viel zu wenig Tempoläufe anbieten.
Was ist denn nun wirklich möglich an Tempoläufen? Jetzt spring nicht gleich im Quadrat, wenn du die nachfolgenden Zeilen liest: Es sind bis zu 50% des gesamten Trainingsumfangs machbar. Dabei kommt es ausschließlich auf die Zahl der Trainingstage an. Es gibt genügend Leute, denen es nicht möglich ist, mehr als dreimal in der Woche zu trainieren. Wenn die aber dennoch leistungsorientiert laufen wollen, dann können sie das hocheffektiv mit dem folgendem Wocherhythmus machen:
Tag 1: Tempodauerlauf. Zum Beispiel 10 km mit 85% Hfmax
Tag 2: Pause
Tag 3: Wiederholungsläufe. Zum Beispiel 3 x 3000 m über 85% Hfmax
Tag 4: Pause
Tag 5: Pause
Tag 6: Langer Lauf. Zum Beispiel 25 km in 70 - 75% Hfmax
Tag 7: Pause
Das sind mit Ein- uns Auslaufen rund 50 km. Davon sind 19 km als Tempoläufe absolviert. Also rund 40%! Und ich gebe dir zwei Garantien: 1. Du wirst dich mit diesem Programm nicht überfordern, wenn du dich langsam daran herantastest. 2. Du hast mit solch einem Trainingsprogramm deutlich mehr Erfolg, als wenn du die immer wieder empfohlenen nur 10% vom Wochenumfang im hohem Tempo läufst.
Dieser Rhythmus entspricht in etwa dem Greif-Club-Trainingsplan T3B für Wettkampfstrecken bis Halbmarathon. Natürlich wäre es besser öfter zu trainieren, aber die Läufer(innen), die nicht mehr Zeit haben, behaupten sich mit diesem Programm erfolgreich in der Szene.
Ich kann dir nur raten: Wenn du dich bisher vor solchen Programmen gefürchtet hast und dennoch ehrgeizig bist, versuche es. Du kannst viel damit erreichen. Ich muss dich aber auch warnen! Der oben beschriebene Trainingsrhythmus setzt eine ganz persönliche Härte gegen dich selbst voraus, denn jeder Trainingstag ist eine Schinderei: Schöne entspannte und ruhige Läufe gibt es nicht. Du erntest dafür aber die höchstmögliche Trainingseffektivität.
Diese Zeilen sind am 17.01.2008 in einem Transferbus von Luxor (EG) an das Rote Meer entstanden, wo wir, meine Frau und ich, uns zur Zeit im Urlaub befinden. Und wenn ich mich jetzt hier im Sitz zurücklehne und einige meiner früheren Tempoläufe in Gedanken noch einmal Revue passieren lasse, dann kann ich dir versichern, dass mir allein davon schon schlecht wird. Ich bin heilfroh, dass ich so etwas nicht mehr machen muss. 10 km Tempodauerlauf, brrrh, ich muss mich schütteln!