"Ich möchte bei dem T5M-Plan bleiben, aber bitte ohne 35 km-Läufe. Ich werde nämlich im nächsten Jahr keinen Marathon laufen. Ich möchte mich mehr auf die Halben konzentrieren. Wir sind in unserer Laufgruppe einhellig der Meinung, dass es völlig ausreichend ist maximal 25 km zu laufen".
Ist einleuchtend oder? Wenn man 100 m laufen möchte, dann reichen 150 als maximale Länge und bei 800 m könnte man schon mit 1000 auskommen und bei 12,5 Stadionrunden sollte dann eine maximale Trainingslänge - sein wir großzügig - 10 km völlig ausreichend sein.
Übertrieben? Nein, solch eine Schlichtdenke gibt es nicht nur in Anfängerkreisen. Obwohl die Etablierten schon wissen was Sache ist: Ohne Fleiß kein Preis, auch auf den kürzeren Langstrecken. Aber auch bei den gut Informierten hält sich hartnäckig die Idee, dass ein 35 km-Training für einen Halbmarathon schädlich ist. Behauptung: Es macht langsam.
Das ist ein übler Schmarren, denn das genaue Gegenteil ist richtig. Schauen wir uns doch einmal die Fakten. Um über die 42,2 km auf genau 3 Stunden zu kommen, muss ein Schnitt von 4:16 min/km gelaufen werden. Die adäquate Zeit auf der Halbmarathonstrecke für die 3 h ist eine 1:25 h = 4:02 min/km. Das sind 14 sec pro km Differenz.
Mit anderen Worten,beide Strecken liegen in einem ähnlichen Tempobereich. Innerhalb der Greif-Club-Trainingspläne liegt das Dauerlauftempo für diesen Leistungsbereich über 15 - 18 km in einem Bereich im Januar von 4:30 und im April bei 4:00 min/km.
Das Tempo des Marathons und auch des Halbmarathons liegt genau in diesem Areal. Die kürzeren Intervalle von 1000, 2000 und 3000 m sind entsprechend meist deutlich schneller als das Halbmarathon-Renntempo. Ich kann nicht verstehen, auch weil ich es aus der Erfahrung weiß, dass eine 35 km-Einheit/Woche verhindern soll, dass man nun sein HM-Tempo nicht schafft.
Was sagt denn aber die oben angesprochene Erfahrung aus. Die ist eindeutig. Fast ohne Ausnahme haben alle die Läufer(innen), die in der LG oder im MTV Seesen gestartet sind, ihre Halbmarathon- oder 25 km-Bestleistungen auch in dem Jahr erzielt, in dem sie ihre schnellste Zeit auf der Marathonstrecke gelaufen sind. Diese wurde natürlich mit zahlreichen 35 km-Läufen vorbereitet.
Das ist ein Beweis, dass die Lange Runde die 21,1 km-Resultate verbessert und nicht das Gegenteil. Ich erinnere mich auch an zwei Läufer die uns verließen, weil sie "unten herum" schneller werden wollten. Sie mochten keine 35 km mehr laufen. Folge: Beide erzielten keinerlei Verbesserungen auf den kürzeren Strecken unterhalb der Marathondistanz. Sie gaben danach das Laufen aus Frust auf.
Dem fünfmaligen deutschen Marathonmeister Ralf Salzmann mit einer 42,2 km-Bestzeit von 2:10:10 aus 1988 erging es ähnlich. Er lief in dem Jahr seinen persönlichen 10000 m-Rekord mit 28:02:37 und wurde gleichfalls Deutscher 10000 m-Meister. Für 1989 oder -90 hatte er die Idee einmal keinen Marathon zu laufen. Er wollte ein anderes Training ausprobieren, welches intensiver und kürzer war, um auf den Unterdistanzen schneller zu werden. Daraus sollte dann im Jahr danach eine höhere Leistungsfähigkeit auf der langen Strecke resultieren.
Das Resultat war, dass er sich aus "kurz" nicht verbesserte und damit Hoffnung auf bessere Zeiten wohl aufgab und seine Karriere beendete. So weit ich mich erinnere, spielte auch eine Verletzung dabei eine Rolle.
Ein sehr gutes Beispiel ist auch die englische Läuferin Paula Radcliffe, die schon in den frühen 90-iger Jahren auf hohem Niveau lief, aber in entscheidenden Rennen immer nur Zweite oder Dritte wurde.
Erst als sie 2001 begann sich auf ihren ersten Marathon vorzubereiten, wurde sie richtig erfolgreich. Alle wichtigen persönlichen Rekorde auf den Langstrecken erzielte sie in den Jahren 2001 bis 2004:
3000 m | 8:22,20 | Monaco | 2002 | Commonwealth-Rekord |
5000 m | 14:29,11 | Bydgoszcz | 2004 | Commonwealth-Rekord |
10.000 m | 30:01,09 | München | 2002 | Europarekord |
10-km-Straße | 30:21 | San Juan | 2003 | Weltrekord |
Halbmarathon | 1:06:47 | Bristol | 2001 | Europarekord |
Marathon | 2:15:25 | London | 2003 | Weltrekord |
Solche Beispiele kann man zu Hauf anführen. In einem A-Trainer-Fortbildungs-Lehrgang - ich glaube es war 1991 - zeigte der Vortragende Manfred Scholich eine Statistik, die nachwies, dass fast 90% der Olympischen Medaillengewinner ihre Bestzeiten über 10 km und Halbmarathon in dem Jahr erzielten, in dem sie auch ihre Marathonbestzeit erreichten.
Na ja, die Zeiten sind im doppelten Sinne des Wortes vorbei. Diese ganze Idee, dass man für einen Halbmarathon längstens 25 km laufen muss, zeigt unser heutiges Dilemma deutlich. Es wird versucht, alles möglichst bequem zu machen. 35 km im Training zu laufen ist am Anfang ja alles andere als angenehm.
Die Nachkriegsgeneration, zu der ich mich auch zähle, war anders, härter und fleißiger. Wenn wir gekonnt hätten, dann wären wir auch 300 km in der Woche gelaufen und die Idee, dass wir für einen HM oder 25 km weniger trainieren müssten, kam uns gar nicht.
Schon deswegen nicht, weil es so unglaublich viele gute Läufer gab. Man musste immer Angst haben, dass der persönliche Holger ein paar km mehr machte und man im nächsten Rennen "umgemacht" wurde.
Mein Rat für alle,die im kommenden Jahr sich auf einen Halbmarathon konzentrieren wollen: Beginne schon im Dezember dich auf die 35 km vorzubereiten.
50. Woche 2009: 26 km
51. Woche 2009: 29 km
52. Woche 2009: Wettkampf
01. Woche 2009: 32 km
02. Woche 2009: 35 km
03. Woche 2009: Wettkampf
04. Woche 2009: 35 km
05. Woche 2009: 35 km
06. Woche 2009: Wettkampf
07. Woche 2009: 35 km
08. Woche 2009: 35 km
09. Woche 2009: 35 km mit 2 km Endbeschleunigung (EB)
(bis möglichst HM-Renntempo) oder Wettkampf
10. Woche 2009: 35 km mit 4 km EB
11. Woche 2009: 35 km mit 6 km EB
12. Woche 2009: 35 km mit 8 km EB oder Wettkampf
13. Woche 2009: 35 km mit 10 km EB
14. Woche 2009: 25 km langsam
15. Woche 2009: 21,1 km Hauptrennen
Lasse die anderen schwatzen und faulenzen, wenn wieder versuchen dich auf ihr Niveau herunter ziehen. Ich verspreche dir, du wirst mit diesem System mehr Erfolg haben, als mit einem, welches nur 25 km als längste Strecke vorsieht. Noch besser ist es natürlich, die ganze Vorbereitung im Rahmen eine Greif-Club-Jahresplans zu absolvieren. Dort bekommst du auch die anderen entscheidendn Einheiten mitgeliefert.
Denn allein mit der Langen Runde ist es nicht getan, denn der wichtigste Bestzeitendünger ist immer noch der Tempolauf. Aber genau wie in der Landwirtschaft oder bei deinem Rasen, muss man ganz genau wissen, wann und wie viel zu streuen ist.