Jetzt ist genau die richtige Zeit in ein Krafttraining, besser ausgedrückt in ein Athletiktraining einzusteigen. Bei dem Wort Krafttraining bekommen besonders unsere laufenden Frauen ein Gesicht, als hätten Sie eben Frankensteins Monster persönlich erblickt.
Das Wort Krafttraining assoziiert die Weiblichkeit mit dicken Muskeln und Virilität. Dabei vergessen Sie leider, dass auch Frauen Kraft, Beweglichkeit und Schnelligkeit, also Athletik benötigen, um schnell und ausdauernd zu laufen.
Diese Gedanken sind aber so falsch, wie schädlich. Wer das Athletiktraining vernachlässigt, wird verletzungsanfällig und bekommt eine verkürzte und nicht ausbalancierte Muskulatur. Es gibt genügend "Krumme" in unserer Szene. Aber kaum jemand, der wirklich schnell ist, ist auch ein Schwächling.
Das man von dieser Art Training keine dicken Muskeln bekommt, zeigen immer wieder sehnige und schlanke Athleten und Athletinnen der Spitzenklasse. Ästhetisches und schönes Laufen geht auch einher mit einer kräftigen Muskulatur.
Zu diesem Thema passt folgende Studie erschienen im International Journal of Sports Medicine, 2008. (Quelle: Sport und Training):
"Elitelangstreckenläufer benötigen ein großes Maß an Laufökonomie. Darunter versteht man die Energie, die notwendig ist, um ein gegebenes Tempo aufrechtzuerhalten. Bei ansonsten gleichen Voraussetzungen hat ein Läufer mit einer guten Laufökonomie einen echten Leistungsvorteil gegenüber der Konkurrenz.
Studien zeigen, dass die Laufökonomie ein ausgezeichneter und verlässlicher Hinweisfaktor für die Laufleistung eines Sportlers über größere Distanzen ist. Dass die Laufleistung durch das Lauftraining verbessert werden kann, liegt auf der Hand. Aber gibt es noch andere bewährte Methoden?
Um diese Frage zu beantworten, haben brasilianische Wissenschaftler die Wirkung verschiedener Krafttrainingsprotokolle (in Kombination mit Ausdauertraining) auf die Laufökonomie untersucht. Die Probanden waren 16 gut trainierte Läufer mit einem Durchschnittsalter von 27,4 Jahren und einem durchschnittlichen Gewicht von 62,7 kg. Die Läufer wurden nach dem Zufallsprinzip in 2 Gruppen aufgeteilt: eine Gruppe mit "explosivem" Krafttraining und eine, die das Krafttraining mit "schweren Gewichten" absolvierte.
Beide Gruppen trainierten mit den gleichen Geräten. Die Gewichtsgruppe arbeitete mit größeren Widerständen und langsameren Bewegungen, während die Explosivtrainingsgruppe mit schnelleren, explosiveren Bewegungen und geringeren Widerständen trainierte. Vor Beginn und nach 4 Wochen des Trainings wurden folgende Tests durchgeführt:
1. ein Laufbandstufentest bis zur Erschöpfung, mit dem die maximale Sauerstoffaufnahme und die Geschwindigkeit, die einer Blutlaktatkonzentration von 3,5 mM entspricht, ermittelt wurde,
2. ein submaximaler Test bei konstanter Intensität zur Feststellung der Laufökonomie,
3. ein Maximaltest mit Vertikalsprung aus dem Stand und
4. ein 1RM-Maximalkrafttest mit Beinpresse.
Die Studie ergab, dass die Gewichtsgruppe ihre Laufökonomie deutlich verbesserte, während die Explosivkraftgruppe sich nicht steigern konnte. Daraus schlossen die Forscher, dass ein kurzzeitiges herkömmliches Krafttraining die Laufökonomie bei gut trainierten Läufern verbessern kann.
Ein Training mit schweren Gewichten scheint für die Verbesserung der Laufökonomie jedoch effizienter zu sein als ein mit den gleichen Trainingsgeräten durchgeführtes explosives Krafttraining."
Auch wir haben es in den 80-er Jahren, motiviert durch die Arbeiten des jetzigen Prof. Schmidtbleiche, mit explosiven Krafttraining versucht. Schmidtbleiche versprach, dass wir mit dieser Art Training - auch durch die hohe Anzahl von Tiefsprüngen - schneller werden würden.
Was geschah? Wir wurden kräftiger in den Beinen aber nicht grundschneller. Rätselhaft! Schmidtbleiche bewies doch in seinen Arbeiten, dass dieses Training besonders wirksam die Schnelligkeit steigerte. War er ein Wissenschaftsbetrüger oder wir zu blöde, um dieses Training richtig auszuführen?
Nichts von dem! Erst später wurde klar, dass ein explosives Krafttraining nur bei denen wirksam war, die hauptsächlich über die "richtigen" Muskelfasern verfügten. Das heißt, im Klartext: "über viele weiße, schnellkräftige Fasern". Langstreckler haben aber in der Regel überwiegend rote, ausdauernde Muskeln.
Die Wirkung von Explosivtraining kann man sich am besten bei einem Tiefsprung in der Alltagspraxis vorstellen. Du springst von einem Stuhl und im Moment des Aufsprungs springst du schon wieder hoch. Die Kraftspitze vom Aufsprung und die des Absprungs summieren sich damit und geben bei den richtigen Leuten einen extremen Trainingsreiz.
Was aber passiert bei denen, die nun hauptsächlich nur ihre langsam reagierende Ausdauermuskulatur einsetzen können. Die plumpsen vom Stuhl und springen unten auf. Dieser Aufsprung dauert wegen der nur langsam reagierenden roten Muskelfasern aber so lange, dass der nachfolgende Absprung sich nicht mit dem Aufsprung überlagern kann. Trainingseffekt ist praktisch null.
Das mussten wohl die Untersucher der oben erwähnten Krafttrainingstudie auch einsehen, als sie die Gruppe mit dem explosiven Krafttraining einen Vertikalsprung aus dem Stand machen ließen. Ich will mal ganz schlau tun: Wenn die mich vorher gefragt hätten, hätte ich ihnen das oben gefundene Resultat schon im voraus sagen können.
In Wirklichkeit war das aber alles nicht schlau von mir, sondern aus unserer Bereitschaft gewachsen, auch - damals - ungewöhnliche Trainingsmethoden zu versuchen. Das ist eine Qualität des Alters, denn wenn ich jünger und mit weniger Erfahrung belastet wäre, könnte es sein, dass ich heute auch noch meine Athleten und Athletinnen mit Explosiv-Krafttraining quälen würde.
Wir kamen also so nach und nach von dem Knall-Krafttraining weg und machten mehr und mehr Stabilisationsübungen, die allen gut bekamen. Das sind Übungen mit dem eigenen Körper als Gewicht, wie sie auch auf den Trainer-Weiterbildungen des DLV's gelehrt werden.
Im letzten Jahr nahmen wir nach Studium des Buches "MaxxF" einige neue Formen dazu und diese Art von Übungen praktizieren wir auch noch jetzt 2009. Gestern am 03.11.2009, begannen wir wieder mit unserem dreimonatigen Athletiktrainingsturnus. Heute sitze ich hier am Schreibtisch und genieße mit allen Fasern meinen wunderbaren Ganzkörper-Muskelkater.
Natürlich machen wir bei unser zweimaligen Übungseinheit/Woche nicht nur Krafttraining, sondern es folgt jedem Kraftteil eine Dehnungsübung im beanspruchten Muskelbereich und anschließend eine Koordinationsübung. Diese findest du leider nicht in dem oben beschriebenen Buch.
Die anderen Trainingsteile kannst du dir auf einem - ziemlich laienhaften - Videofilm von uns ansehen. Wir plagen uns in dem Video mit den Übungen noch herum, weil wir zum Zeitpunkt der Aufnahmen gerade erst am Anfang der Trainingssession waren. Ende Januar hätten die Bilder anders ausgesehen, denn dann waren wir körperlich total fit. Alle Muskeln gestärkt, um so richtig mit dem intensiven Lauftraining loszulegen.
Mit einiger Phantasie kannst du alle Übungen auch zu Hause durchführen. Leichter wird es für dich, wenn du Sie mit einem Partner oder Partnerin durchführst. Im Buch sind auch die Partnerübungen aufgeführt. In diesem Sinne wünsche ich dir einen richtig schönen Muskelkater. Es gibt nämlich Stimmen (wissenschaftliche), die behaupten, dass der Muskelkater der beste Auslöser für die Anpassung in Richtung mehr Kraft ist.