Neidisch schaute der 61-jährige auf seinen 45-jährigen Mitläufer Alex, der ihm gerade berichtete, dass er sich 2010 um 2:32 min im Halbmarathon verbessert habe. Hhm, dachte er, wir trainieren ständig zusammen und er kommt weiter und ich nicht. Ich laufe zwar die Zeiten vom Vorjahr, aber es gibt nicht einmal eine sec Verbesserung mehr.
Nun, überlegte er weiter, Alex läuft ja auch erst seit 3 Jahren und ich schon seit 8. Da kommt zwar bei ihm noch etwas, aber bei mir scheint es aus zu sein mit den Leistungsfortschritten. Und das ist total frustrierend. Was soll ich nur machen, um noch einmal schneller laufen zu können?
Natürlich kann dieser ältere Herr noch viel ändernn um sich zu verbessern. Mehr Trainingstage, planmäßiger trainieren, Umfang und oder Intensität steigern, mehr Krafttraining, Gymnastik und bessere Ernährung. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, die den Opa auf das Treppchen bringen. Aber was dann, wenn Opa nun schon alles ausgeschöpft hat?
Dann sollte er sehr zufrieden sein mit einer stagnierenden Leistung, diese ist immer als ein großartiger Erfolg zu bewerten. Leistungsstagnation ist nicht normal, sondern der ständige Rückgang der Laufzeiten. Wie hier in der nachfolgenden Grafik zu sehen ist. Aber Vorsicht: Ich halte die Zeiten innerhalb der Grafik nicht für repräsentativ für den gesamten Langstrecken-Laufbereich.
Die Untersuchten, die hier aufgeführt sind, sind offensichtlich Leistungssportler. Die natürlich von ihrem schnelleren Ausgangswert auch ganz andere Leistungs-Abstürze im Alter zu verzeichnen haben. Nach dem Motto: Wer hoch steht, kann auch tief fallen.
Es gibt eine Faustregel, die auch aus dem oberen Leistungsbereich stammt, die aussagt: "Du verlierst über 10000 m oberhalb der 40 Jahre im jeden Jahr 30 sec." Auch diese Regel ist nicht sicher, weil die Erfahrung an Hand von ehrgeizigen Altersklassensportler zeigt, dass dies bei vollem Trainingseinsatz deutlich weniger als 30 sec sein können.
Bei der 30 sec-Faustformel kommt natürlich auch noch der Umstand zu tragen, dass es die meisten Leistungssportler oberhalb der 40 Lebensjahre etwas ruhiger angehen lassen.
Ich habe einmal hin und her gerechnet und auch einige vorhandene Kurven genutzt. Ich glaube, wir können mit guten Gewissen annehmen, dass wir ab einem Alter von 45 Jahren jedes Jahr 1% an Leistung verlieren. Es sein denn, wir steuern durch verbessertes Training und Ernährung entsprechend entgegen. |
Ein typischer 45 min-Läufer würde auf 10 km dann bei gleichbleibendem Verhalten 27 sec im Jahr verlieren. Es entsteht dann aus diesem prozentualen Verlust eine Kurve die, wie auch oben in der Grafik zu sehen ist, zum höheren Alter hin immer steiler wird. Was ja auch die Praxis zeigt.
Natürlich gibt es eine große Anzahl von Ausnahmen von dieser Regel. Wer erst spät, zum Beispiel mit 42 Jahren, anfängt mit einem leistungsorientiertem Training, wird natürlich mit 45 Jahren noch keinerlei Leistungsstagnation oder -rückgang hinnehmen müssen. Da geht es noch Jahre aufwärts. Bis dann auch diese Gruppe von Läufer(innen) die Last des Alters verspürt, die sich schließlich durch mangelnden Leistungsfortschritt ausdrückt.
Bitte bedenke, dass es sich um eine Faustformel handelt, die einen groben Rahmen vorgibt und keinen Anspruch auf wissenschaftliche Genauigkeit hat. Welche in diesem Rahmen wohl auch nicht zu erzielen ist.
Du wirst dich vielleicht erinnern, dass wir hier an dieser Stelle unsere Leser in den vergangenen Jahren aufgefordert haben sich an der "Pace-Studie" zu beteiligen. Diesem Aufruf sind hunderte, wenn nichts sogar tausende unserer Leser gefolgt und haben mit gearbeitet an dieser Untersuchung, die jetzt kürzlich erste Resultate lieferte, die genau zu unserem heutigen Thema passen:
"Lifestyle" hat stärkeren Einfluss auf Gesundheit und Leistung als biologische Alterung – PACE-Studie analysiert 900.000 Laufzeiten.
Nicht das biologische Alter sondern eine inaktive Lebensweise ist der Hauptgrund für Leistungseinbußen im mittleren Lebensalter, zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe um den Sportmediziner Prof. Dr. Dr. Dieter Leyk (Deutsche Sporthochschule Köln), nachzulesen in der neuen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes (Heft 46, 2010).
Basis dieser Daten zum Einfluss körperlicher Aktivität/Training auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind Analysen der Laufleistungen von über 500.000 Langstreckenläufern im Alter von 20 bis 80 Jahren (bei Halb-/Marathonwettbewerben). An den darüber hinausgehenden Befragungen zu Alltagsgewohnheiten, Gesundheit, Arbeit, Motivation zum Sporttreiben und zum Training nahmen mehr als 13.000 Sportler teil.
Die Analysen von über 900.000 Laufzeiten zeigen, dass vor dem 55. Lebensjahr keine signifikanten Leistungsverluste auftreten. Etwa ein Viertel der 60- bis 70-jährigen Seniorensportler/innen ist sogar schneller als die Hälfte der 20- bis 50-Jährigen.
Ein anderes verblüffendes "PACE-Resultat" ist die große Zahl der über 50-jährigen "Sport-Neueinsteiger": Ein Drittel der 50- bis 60-Jährigen und ein Viertel der 60- bis 70-Jährigen haben bspw. erst innerhalb der letzten fünf Jahre mit regelmäßigem Training begonnen! Bei der seit 2005 laufenden PACE-Studie wurden u.a. körperlich aktive und inaktive Erwerbstätige, Rentner wie auch sportlich aktive Vergleichsgruppen (z.B. Läufer, Walker, Radsportler, Schwimmer, Turner, Krafttrainierte, ...) untersucht.
Leistungseinbußen im mittleren Lebensalter entstehen also nicht primär durch biologische Alterung sondern durch eine inaktive Lebensweise. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um die zunehmend inaktivere und alternde Gesellschaft und die Rente mit 67 heißt das: Auch ältere Nicht-Sportler/innen können durch regelmäßiges Training bemerkenswerte Leistungssteigerungen und eine Vielzahl gesundheitlich positiver Effekte erzielen. Für einen Einstieg in den Sport ist es also (fast) nie zu spät ..."
Kommen wir zu den Resultaten dieses Textes: Wenn du schon über 45 Jahre alt bist, dann rechne deine zu erwartende Leistung für das Jahr 2011 aus, in dem du deine Zeiten aus 2010 jeweils um ein % erweiterst. Damit hast du die Vorgabe des zu erwartenden normalen Leistungsrückschritt.
Du wirst diesen Rückschritt natürlich auf keinen Fall hinnehmen wollen, sondern deine Zeiten aus dem Vorjahr halten oder sogar noch verbessern wollen. Du hast somit ein Instrument in der Hand, dich auch bei einer Leistungsstagnation als erfolgreicher und dynamischer Läufer(in) zu sehen.
Damit du mit dem Rechnen nicht so viel Arbeit hast, haben wir dir einen AK-Leistungs-Rückschritt-Rechner bereit gestellt, der kalkuliert, welche Zeiten du in den kommenden Jahren aufgrund deiner aktuellen Leistungsfähigkeit zu erwarten hast.
Aber: Balle die Faust und zeige es diesem blöden Rechner, dass er Unrecht hat.