Manches haben wir doch wirklich lieb gewonnen, wie zum Beispiel den reichlichen Kohlenhydrat-Genuss vor einem Wettkampf. Doch dann findet wieder einer raus, dass es gar nicht die Zückerchen sind, die uns schnell machen, sondern dass Fett (IMTG´s) soll ebenso entscheidend für die Rennpower sein. Na ja, denken wir, Fett essen vor dem Wettkampf ist auch nicht schlecht und schlucken diese Botschaft zusammen mit eine dicken Stück Sahnetorte herunter.
Wenn jetzt aber jemand kommt, der uns die Endorphine auch noch nehmen will, dann mach ich das nicht mehr mit. Ich liebe meine Endorphine! Dieses wunderbare Gefühl, nach einem hartem Training, diese Befriedigung nach einem gelungenen Wettkampf, die gute Laune beim Laufen, dass machen doch alles die Endorphine. Oder? Lesen Sie einmal was Extremsportler Detlef Vetten im Märzheft 2005 von "Psychologie Heute" dazu schreibt (Auszüge geändert):
Die Sache mit den Endorphinen soll so sein: Sie werden bei intensiver Aktivität freigesetzt und fluten das Gehirn; Schmerzen werden betäubt, ein Gefühl von Euphorie stellt sich ein. "Ab einer bestimmten Schwelle, diese liegt bei ungefähr 4 millimol Lactat, kommt es zu einer Ausschüttung von Endorphinen. Das sind die körpereigenen Opiate, die auch süchtig machen können."
So wird es denn immer wieder kolportiert: Die Endorphine sind schuld am runner's high. Doch ganz so simpel ist die Geschichte nicht. In Halle forscht Oliver Stoll zum Thema Sportsucht - und er rät dringend, sich "kritisch mit der Endorphintheorie" auseinander zu setzen. Der Wissenschaftler wurde während des Studiums auf das Thema aufmerksam. Nach seinem ersten Marathon fand er Gefallen am Ausdauersport und spürte, dass "das noch nicht das Ende der Fahnenstange" sein konnte. Er bereitete sich auf einen "Ironman" und auf Wettbewerbe über Ultradistanzen vor. Sein Körper jedoch machte nicht mit - die Gelenke streikten. Geblieben ist die Nähe zur Szene der Ausdauersportler.
Schon in seiner ersten wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte sich Stoll mit Endorphinen und ihrer Relevanz im Sport. Und schon damals hatte er seine Zweifel an jener Theorie, die in den kommenden Jahren immer populärer wurde: Betaendorphine - vom Körper produzierte Morphine, die schmerzlindernd oder -unterdrückend wirken - würden bei trainierten Sportlern während intensiver Aktivität ausgeschüttet und lösten so Euphorieschübe aus.
Stolls Zweifel verdichteten sich im Lauf der Forschung. So können Probanden nach dem Zieleinlauf beim Marathon zum Beispiel nur an der Körperperipherie untersucht werden - was keinen Sinn ergibt, denn nur Werte aus dem Gehirn hätten wirklich Aufschluss über die Hypothese gegeben. "Aber selbst wenn wir diese Möglichkeiten hätten, könnten wir noch nicht die Wirkung im limbischen System überprüfen."
Nicht einmal bei der Forschung an der "Peripherie" konnte der Hallenser Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen den bei exzessivem Sport freigesetzten Endorphinen und einem runner's high feststellen. Er ließ elf Ausdauerathleten 80 Kilometer rennen - danach wurde bei dreien ein erhöhter Endorphinpegel gemessen. Aber dieses Trio fühlte sich beileibe nicht - wie gemäß der Theorie zu erwarten - besser oder glücklicher als die restlichen acht Läufer. Stoll: "Eher das Gegenteil war der Fall."
Vor fünf Jahren wollte er es noch einmal wissen. Für Oliver Stoll und sein Team stellten sich 40 Frauen und Männer einer Langzeituntersuchung. Eine Zehnergruppe schuftete sich durch ein hartes Ausdauertraining; eine zweite quälte sich im Fitnessstudio; eine dritte genoss einen Entspannungskurs; und die letzte nahm an einer Rückenschule teil. "Nun hätte man - wenn denn die runner's high-Theorie zutrifft - annehmen müssen, dass bei den Teilnehmern der ersten zwei Gruppen im Lauf des Experiments die Endorphinkonzentration im Vergleich zu den anderen Probanden deutlich hätte ansteigen müssen. Das war aber überhaupt nicht der Fall. Wir konnten keine Abweichungen feststellen." Die Sache mit der Rauscherzeugung durch Sporttreiben und dem daraus resultierenden Auslösen einer Sucht sei "mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht haltbar", resümiert Stoll.
Was ist es dann, was den Marathonmann oder die Marathonfrau so glücklich macht?
"Der Sportler gerät im besten Fall in einen Flowkanal. Er hat sich auf ein Ereignis - zum Beispiel eben einen Marathonwettbewerb - akkurat vorbereitet, hat seine Möglichkeiten realistisch eingeschätzt und sich dann ehrgeizige Ziele gesetzt. Und wenn er während des Rennens merkt, dass alles so klappt, wie er sich das vorgestellt hat, macht ihn das glücklich. Wir alle kennen dieses Gefühl, wenn wir Hindernisse überwinden und uns einem großen Ziel nähern. Wenn es einfach - und im Wortsinne - läuft."
Wenn das Achim Achilles erfährt, dass er beim Hamburg-Marathon nicht nur mit dem Füßen gelaufen ist, sondern mit dem Gehirn auch noch zusätzlich im Flowkanal rudern musste, dann legt er Protest gegen seine Endzeit ein.