Im letzten Newsletter wurde besprochen, warum wir einigen Läufern und Läuferinnen empfehlen, auf der großen Runde Kohlenhydrate zu sich zu nehmen und anderen eben genau das Gegenteil.
Wir alle müssen uns nichts vormachen: Der größte Teil der Laufgemeinschaft läuft und isst nur so dahin. Wir müssen nicht glauben, dass sich alle Gedanken machen über ihre Ernährung und Training.
Letzteres wird meist von Laufkameraden erlernt und als das Nonplusultra angesehen. Aber: Es gibt Gruppierungen von Wissenden, bis hin zur tiefen Trainingsbeschränktheit. Das gilt ebenso für die Ernährungsformen.
Vor zwei Tagen habe ich mich mit einem Läufer gestritten, der mir nicht glauben wollte, dass uns Kohlenhydrate eher fett machen, als Fett. Hört sich auch ein bisschen widersprüchlich an.
Der oben angesprochene, deutlich übergewichtige Läufer, eigentlich Jogger, riss seinen Pullover hoch, zeigte auf seinen Wanst und schrie mich fast an: „Sind das etwa hier Kohlenhydrate? Das ist Fett!“
Ich versuchte dann ihm zu erklären, warum uns Kohlenhydrate fett machen. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn wir diese Zuckerstoffe zu uns nehmen, steigt anschließend das Insulin. Dieses beseitigt Zucker aus dem Blutkreislauf und wenn der weg ist, kommt sofort wieder der Hunger.
Wenn du aber hauptsächlich Protein und Fett zu dir nimmst, passiert das nicht. Du bleibst deutlich länger satt und hast nicht schon wieder nach einer Stunde einen Jieper auf Süßes.
Andererseits ist es so, dass dir im Training und Wettkampf deine vorher verzerrten Kohlenhydrate als Energie leicht zur Verfügung stehen. Das Problem dabei ist aber, dass du unterwegs spürst, dass du Nachschub haben müsstest.
Und wenn du davon nichts mehr hast, dann hast du ein Problem. Deine Beine werden schwer, du verspürst ein elendes Schwächegefühl. Du möchtest das Training oder den Wettkampf gerne abbrechen oder mal ein paar Meter gehen.
Dazu gibt es noch ein anderes Dilemma, wenn du mit höherer Intensität läufst. Da kannst du gerne einen Riegel essen oder auch etwas Süßes trinken, es wird dir kaum helfen.
Denn bei hochintensiven Belastungen wird dein Darm kaum noch durchblutet, und ohne Blut kommt auch der Zucker aus dem Darm nicht mehr in deinen Kreislauf. Anders ist es aber im niedrig intensiven Training. Dort kannst du immer Kohlenhydrate nachschütten und du kommst dann deutlich leichter über deine lange Runde als ohne Zucker.
Aus diesen Gründen empfehle ich schon seit Jahren unseren frischen Clubmitgliedern die 35 Kilometer erst einmal mit Kohlenhydrat-Versorgung zu laufen. Und dies so lange, bis sie diese lange Strecke im „Griff“ haben. Dann ist es Zeit die Kohlenhydrate langsam auszuschleichen und den eigenen Fettstoffwechsel so zu trainieren, dass man auf der Strecke nur noch Wasser zu sich nehmen muss.
Das ist nicht sehr angenehm, denn der Organismus hat sich an eine zusätzliche Versorgung unterwegs gewöhnt und schreit dann so ab km 25 nach Futter.
Bleibe hart, dieses Futter bekommt er nicht mehr und wenn er noch so laut randaliert. Der Grund ist, dass der Organismus durchaus noch jede Menge Nahrung hat und zwar in Form von gefüllten Fettzellen. Die mag er aber nicht, möchte lieber Zucker, weil er nicht gewohnt ist das Fett zu verdauen.
Zur Erinnerung solltest du noch einmal den nachfolgenden Artikel durchlesen, den ich vor einigen Jahren geschrieben habe:
Unser Körper muss sich erst einen optimalen Fettstoffwechsel verschaffen, um in Notzeiten darauf locker zurückgreifen zu können. Er wird dies aber nur lernen, wenn du nicht darauf reagierst, wenn er laut nach Zucker = Kohlenhydraten ruft. Einfach weghören. Aber das ist nicht einfach, denn diese Schweinebacke von Organismus rächt sich, indem er dir so langsam die Energielieferung runterschraubt.
Er will dich einfach zwingen nun einen Riegel zu essen oder einen tiefen Schluck aus der Saftpulle zu nehmen. Und wenn du das nicht tust, dann geht es dir schlecht, du wirst jeden km schlapper und langsamer. Manchmal musst du sogar dein Training abbrechen.
Das macht aber nichts. Du bist zwar dann tief enttäuscht und frustriert, aber dein Körper hat seine Lektion schon gelernt und fängt an, seinen Stoffwechsel vermehrt auf Fett umzustellen. Wenn du nicht nachlässt, geht es dann damit so weit, dass es dir nach einigen Wochen danach überhaupt kein Problem mehr macht, die Lange Runde ohne Verpflegung durchzulaufen.
Du kannst dir aber auch helfen, indem du dir ein Getränk aus reinem Eiweißpulver anrührst ohne Zucker. Das ist die Empfehlung von Dr. Uli Strunz. Ähnlich rät Dr. Wolfgang Feil. Wenn du schon in der Lage bist, die 35 km sicher und ohne Qualen durchzulaufen, dann empfiehlt er eine Trinkflasche mit einer Messerspitze Salz zu versetzen und dann ein Beutelchen Addon Amino hineinzugeben.
Wie richtig wir mit diese Empfehlung lagen, zeigen zwei Studien, die das Magazin "Triathlon" auf seiner Webseite veröffentlichte. Die erste Studie der dänischen Forscherin Anne K. Hansen aus dem Jahr 2006 sorgte für Aufregung. Ihr Team hatte herausgefunden, dass die Beinmuskeln bei Radfahrern stärker werden, wenn sie mit aufgebrauchten Kohlenhydratreserven in der Beinmuskulatur trainiert wurden.
Die dänische Forschergruppe hatte einen Ernährungsplan aufgestellt, der dafür sorgte, dass die Muskelzellen der Probanden zu unterschiedlichen Zeitpunkten einmal voll mit Glykogen und einmal völlig entleert waren. Dann belastete man ein Bein als die Speicher voll waren und das andere bei einem späteren Versuch im entleerten Zustand.
Das Resultat verblüffte die Fachwelt. Nach zehn Wochen Training war nicht nur die maximale Leistung des "glykogenarm" trainierten Beins geringfügig höher als das der Gegenseite, sondern auch die Kraftausdauer war deutlich höher als beim gut versorgten Bein. Und das gleich um 70%. Kraftausdauer wird besonders bei schnellen Läufen wie 5- und 10000 m Läufen benötigt.
Wie konnte aber so ein Resultat entstehen? Alles deutet darauf hin, dass das an Kohlenhydraten unterversorgte Bein seine Energie vermehrt aus dem Fettstoffwechsel gezogen hatte. Aber warum sollte nun gerade der "langsamere" Fettstoffwechsel eine Leistung wie die Kraftausdauer fördern, die man zu den "schnellen" Leistungen zählt und von der man erwarten sollte, dass sie dazu die "schnelle" Energie aus Kohlenhydraten nutzen würde. Eine Erklärung konnten die Dänen dafür nicht liefern.
Etwas Licht in das Dunkel brachte eine Studie der Universität von Birmingham an Leistungssportlern. Hier wurde nicht die Kraft der Beine verglichen, sondern zwei Gruppen von gut trainierten Radfahrern absolvierten ein identisches Ergometerprogramm.
An drei Tagen pro Woche wurde ein gleichmäßiges Ausdauertraining über 100 min bei 70 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme bis zum Entleeren der Glykogenspeicher durchgeführt. Am nachfolgenden Tag mussten die Probanden wieder auf den Ergometer, um ein sehr intensives Intervalltraining von acht mal fünf Minuten Dauer an der absoluten Belastungsgrenze abzuleisten.
Das heißt, die Probanden mussten am Anschlag fahren, bis sie nicht mehr konnten. Dann bekamen sie eine Pause von 5 min, um danach in die nächste Wiederholung zu gehen.
Der eigentliche Trick bei dieser Untersuchung war, dass die eine Gruppe vor der Intervallbelastung eine sehr kohlenhydratreiche Diät (High Carb) bekam und die andere musste sich einer Kohlenhydratmangeldiät (Low Carb) unterziehen, die dafür sorgte, dass die Glykogenspeicher dieser Gruppe entleert waren.
Bei der Auswertung dieser Untersuchung stellten die Forscher fest, dass beide Gruppen ihre durchschnittliche Leistung bei den intensiven Leistungen über den Zeitraum der Studie von 3 Wochen verbessert hatten.
Die bei der "Low-Carb"-Gruppe ermittelte Wattzahl lag fast zehn Prozent unter der der Probanden aus der "High-Carb"-Gruppe. Das war auch so erwartet worden, denn diese Gruppe konnte ihre gespeicherten Kohlenhydrate einsetzen, die bei maximaler Belastung verstärkt herangezogen wird.
Die "Low Carb-Gruppe" befand sich im gleichen Zustand, in dem sich ein 35 km Läufer im Training befindet, wenn er sich vorher unterwegs nicht mit Kohlenhydraten versorgt hat. Die "Schlaffheit" des Läufers hat die "Low Carb"-Gruppe sicher auch gespürt.
Die große Überraschung aber kam, als sich beide Gruppen zu einem abschließenden Training mit vollen Glykogenspeichern trafen. In einem Zeitfahren über 40 km konnte die "Low-Carb-Gruppe" nicht nur mithalten, sondern ihre Durchschnittsleistung war mit 29 Watt sogar etwas stärker angestiegen, als die der Kohlenhydrat-Gruppe (27 Watt).
Aber das ist das entscheidende Resultat dieser Studie. Die veränderte Nutzung der körperlichen Ernergiequellen spricht eine besondere Sprache. Sie belegt erstmals, dass unsere Empfehlungen bei langen Ausdauerbelastungen im Training keine Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, auch wissenschaftlich belegt richtig ist.
Während sich die Fettverbrennung während der langen Ausdauerbelastung bei der "High-Carb"-Gruppe mit 7,6 Prozent nur wenig steigerte, war sie bei den "Low-Carb"-Radlern um 27,5 Prozent angestiegen. Die Fettsäuren werden durch den stärker involvierten Fettstoffwechsel schneller an die Mitochondrien gebracht und verarbeitet.
Verschiedene, die Fettverbrennung steuernde Enzyme zeigten eine deutlich gesteigerte Aktivität. Die Schlussfolgerung der Forscher: Intensives Training mit entleerten Kohlenhydratspeichern führt zu den gleichen Leistungssteigerungen wie jenes mit vollen Glykogenspeichern.
Die Fähigkeit bei langen Ausdauerbelastungen die ökonomischere und praktisch unbegrenzte Energiequelle Fett zu nutzen, verbessert sich durch ein Kohlenhydratmangel-Training aber erheblich. Das lässt den Schluss zu, dass es bei einem Marathon zum Ende hin kaum zu einem Energiemangel kommen wird, wenn man dieses Training anwendet.
Das deckt sich 1:1 mit unseren Erfahrungen seit Jahrzehnten. Diese sind wie oben nachzulesen auch in die allgemeinen Trainingsempfehlungen des Greif Clubs eingegangen.
Aber es zeigt sich, wenn man diesen Diätweg über einen deutlich längeren Zeitraum geht, dass sich ein erheblicher Leistungsvorteil einstellen kann. Erst heute wird mir klar, dass dies, was wir schon seit Jahren in der Marathonvorbereitung machten, nichts anderes war als eine lang gezogene Diät.
Auf eines sollte ich noch hinweisen: Die Aktivierung des Fettstoffwechsels durch "Low Carb" oder Nüchternläufe hat nach 14 Tagen Anwendung den wunderbaren Effekt, dass man mit einer verblüffenden Geschwindigkeit abnimmt. Und das setzt sich auch fort, nach der Wiederaufnahme des Trainings mit moderatem Kohlenhydratanteil. Das habe ich in bestimmt über mehr als 20 Jahren an mir selbst ausprobiert.
In diesem Sinne: Es gibt bereits alle guten Vorsätze, wir brauchen sie nur noch anzuwenden.