Ist Dir auch schon einmal so ein geheimnisvoller Laufbrilliant begegnet? Einer, der ganz wenig trainiert und doch schon geduscht ist, wenn Du als schleichende Brennlunge in das Ziel kommst? Oder jemand, dessen Stil dem eines Gabelbocks auf der Flucht gleicht? So einen Typen, der die pure Leichtigkeit ausstrahlt und der im Dauerlauf schneller ist als Du im Sprint? Wenn nein, dann glaube mir, solche gibt es!
;-) Es gibt sogar Läufer(innen), die können schweben. In 1998 bin ich mit unseren damaligen Spitzenläuferinnen Ines Cronjäger und Kerstin Brünig in Davos einem Pärchen hinterher gehetzt, nur um sicher zu sein, ob der weibliche Teil dieses Duetts beim Laufen auch den Boden berührt. Diese Dame vor uns rannte mit einer nie gesehenen Schwerelosigkeit dahin, schwebend mit schwirrenden Beinen. Die Mädchen meinten zwar: "Sieh doch mal richtig hin, sie tupft auf!" Ich aber sah nichts, keine Grundberührung, nichts staubte, kein Schaben, kein Schlurfen, nur traumschöner Vorwärtsflug.
Wie wir später erfuhren, war diese göttergleiche ozilierende Figur die mehrfache Weltmeisterin und Olympiasiegerin Gabriela Szabo. Damals wog sie mit 42 kg wohl gerade mal soviel wie meine zwei Oberschenkel. Ist doch klar, dass sie mit den paar Gramm niemals die Davoser Waldwege berührte, auf denen ich mit meinen 90 kg tiefe Löcher hinterließ, in denen später regenwassergefüllt unvernünftigerweise einige Frösche laichten.
Ach, könnten wir doch alle so schweben. Niemals wieder würde Holger Meier an uns vorbeiziehen, aus wäre es mit seinem hämischen "Komm mit!". Kein Heulen und Zähneklappern im Marathon bei km 30, wenn uns wieder einmal der Muskelsprit ausgeht. Vorbei wäre es auch mit den "Schlecht gegessen"-Ausreden, wenn die Trainingszeiten mal wieder mies waren. Keine dicken Beine nach Tempo-Läufen und null Angst vor dem Berg, an dem uns Olga sonst immer im Nacken sitzt. Und unser größter Traum würde Wirklichkeit: Einmal im großen Stadion ganz oben auf dem Treppchen stehen, um glückstränenfeucht eine Medaille zu empfangen.
Gibt es denn nicht ein Training, welches uns zu diesen Ufern führt? Nein und ja! Leider, leider werden 95% aller Menschen niemals eine internationale Medaille erringen können. Mögen sie auch so viel und so gut wie möglich trainieren. Aber - und das macht doch Hoffnung - die erstaunliche Menge von 5% aller Erdenbewohner hat das, um was es sich in diesem Artikel dreht, das Talent es zu schaffen.
Der Journalist Reinhard Wandtner, schrieb in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 21. Januar 2004 über das "Das Sportliche im Erbgut". Diesen Artikel geben wir in Auszügen und auf Läufer(innen) bezogen hier wieder:
"Immer mehr Forschungsergebnisse belegen einen Zusammenhang zwischen Sportlichkeit und Veranlagung. Demnach hängt es tatsächlich auch von den Genen ab, inwieweit man von Jogging und anderen Formen des Ausdauersports gesundheitlich profitiert.
Einfluß der Vererbung
Noch vor rund zwanzig Jahren schien der Nutzen sportlicher Betätigung glasklar zu sein: Körperliche Aktivität fördert bei jedem Menschen die Fitneß. Nach und nach mußte diese fast dogmatische Aussage aber eingeschränkt werden, wie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" (Bd.433, S.188) dokumentiert wird.
Die Forschungen von Claude Bouchard von der Louisiana State University in Baton Rouge führten den Einfluß der Vererbung deutlicher ans Licht. Bouchard, der zu den am meisten zitierten Wissenschaftlern auf seinem Gebiet zählt, hatte bereits in den achtziger Jahren mit der Suche nach Fitneß-Genen begonnen. Zusammen mit Kollegen untersuchte er den Einfluß körperlichen Trainings auf die Menge an Sauerstoff, die bei jedem Atemzug in den Organismus gelangt. Dabei fand er bei den meisten seiner Versuchspersonen - aber eben nicht bei allen - eine Verbesserung.
Die Spur führt zu den Genen
Anfang der neunziger Jahre regte Bouchard zusammen mit anderen Forschern eine große Studie zur Wirkung von sportlicher Betätigung auf die Gesundheit an, insbesondere auf das Risiko an Herz-Kreislaufleiden und Diabetes zu erkranken. Bei dieser immer noch laufenden Untersuchung namens "Heritage" kann man sich mittlerweile auf umfassende Messungen an rund 740 Teilnehmern stützen. Die anfangs gänzlich unsportlichen Versuchspersonen unterwarfen sich dabei einem anspruchsvollen Trainingsprogramm.
Insgesamt zeigte sich ein günstiger Einfluß des Trainings. Die Sauerstoffaufnahme in den Körper stieg durchschnittlich um 19 Prozent. Bei fünf Prozent der Teilnehmer war indessen praktisch keine Veränderung festzustellen, während bei weiteren fünf Prozent der Anstieg doppelt so groß war wie im Durchschnitt. Auch Blutdruck und Puls gingen bei den meisten Versuchspersonen zurück, allerdings ebenfalls in stark unterschiedlichem Maße. Bei einigen erhöhten sich die entsprechenden Werte sogar. Zwischen verwandten Teilnehmern waren die Unterschiede kleiner als zwischen nicht verwandten. Die Spur hin zu den Genen ist demnach unübersehbar.
Wir halten also fest, dass 5% aller Menschen sportlich völlig untalentiert sind und es weitere 5% gibt, die von Natur aus mit deutlich größerem Leistungszuwachs als die 90% Mehrheit auf Ausdauertraining reagieren.
Auch Gaston Beunen von der Katholischen Universität Löwen (Belgien) ist in den Muskeln auf eine heiße Spur gestoßen. Er hat drei Gene aufgespürt, die maßgeblich zur Ausdauer beizusteuern scheinen.
Die Forscher haben 1996 damit begonnen, aus einer Gruppe von 168 Ratten jene Genotypen herauszuzüchten, die sich durch besondere körperliche Fitneß auszeichnen. Bisher sind daraus rund 2900 Nachkommen hervorgegangen. Man überblickt die Entwicklung über elf Generationen hinweg. Wie die Forscher in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift "Science" (Bd.307, S.418 u.334) berichten, hat sich die Schere zwischen den sportlichen und den eher lahmen Ratten immer mehr geöffnet.
Die Tiere der Ausgangspopulation schafften auf dem Laufband durchschnittlich 23 Minuten. Die Nachkommen jener Ratten, die damals die größte Ausdauer gezeigt hatten, bringen es inzwischen auf 42 Minuten, ehe sie erschöpft aufgeben. Hingegen haben die Tiere des schon ursprünglich weniger leistungsfähigen Genotyps infolge der Inzucht noch weiter abgebaut. Schon nach durchschnittlich 14 Minuten auf dem Laufband verläßt sie die Kraft.
"Schlechte" Gene keine Ausrede
Welche Lehre soll man daraus ziehen, wenn man sich gerade auf dem Sofa räkelt und zaudert, sich zur eigentlich geplanten großen Runde aufzuschwingen? Die Antwort der Forscher ist unmißverständlich: Nichts wie los. Denn auch wenn die Gene ungünstig sein sollten, ist eine sportliche Betätigung gut für die Gesundheit. Das hat letztlich auch die Heritage-Studie gezeigt. Denn trotz aller Unterschiede im Detail - irgendwie profitierte doch jeder Teilnehmer von dem körperlichen Training."
Also wenn wir uns die Konsequenzen dieser Forschungsergebnisse überlegen, dann gilt doch:
1. Mit den 5% völlig Untalentierten brauchen wir uns gar nicht auseinanderzusetzen, die kommen so oder so nicht hoch von der Couch. Zu dem würden Sie niemals hier an dieser Stelle etwas lesen, denn jedes Wort würde in ihnen einen Ekel hervorrufen. Also 5% der Bevölkerung haben wir schon im Sack.
2. Die 5% Hochtalentierten lassen wir einfach links liegen. Was sollen wir uns mit Menschen abgeben, die schon bei der Geburt ausdauernder strampeln konnten als wir. Außerdem werden von denen auch nur 0,001% Olympiasieger. Lohnt ja den Aufwand nicht! ;-)
3. Wir nehmen uns jetzt die restlichen 90% vor und die schaffen wir alle mit einem guten Training. In dieser Gruppe verstecken sich auch irgendwo Holger und Olga, die haben alles, aber kein überdurchschnittliches Talent. Diese übertrainierten Laufguerillas werden in dieser Saison von uns nur den (Vulgärausdruck für norditalienischen Fluss) sehen. :-)
Was ist denn nun aber, wenn Du zu den 5% Hochtalentierten gehörst? Vielleicht weißt Du es gar nicht, dass Du einer von denen bist. Wie Du erkennst, ob Du zu den 5% Auserwählten gehörst, liest Du in der nächsten Woche hier an gleicher Stelle.