In den letzten Wochen war es nicht gerade kühl. Das heißt, wir alle mussten etwas langsamer laufen, damit wir nicht überhitzten. Das ist eigentlich eine Binsenweisheit. Aber immer und immer wieder bekomme ich Klagemails in Bezug auf Puls und Hitze.
Ich weiß nicht, wie oft ich über dieses Thema geschrieben habe, das Newsletter Archiv ist voll von diesen Themen. Aber immer und immer wieder erreichen mich die gleichen Fragen. Die nachfolgende aktuelle Mail ist symptomatisch:
„Ich schaffe es bei den 35km-Läufen nicht - im Gegensatz zu den kurzen bzw. mittleren schnellen Läufen - die Tempo- (langsamste Zeit) UND Pulsvorgaben einzuhalten. Meist muss ich ab ca. KM 26 das Tempo massiv reduzieren (am Ende bis zu 30 sec/km), um einigermaßen im vorgegebenen Pulsbereich zu bleiben.
Ich könnte grundsätzlich das Tempo ca. 5:30 min/km halten, dann würde mein Puls allerdings auf ca. 150-155 ansteigen. Mir ist schon bewusst, dass der Puls mit der Erschöpfung ansteigt, aber bezogen auf das gelaufene Tempo finde ich den Anstieg massiv.
Liegt das eventuell daran, dass ich vor und während dem LongJog keine Kohlenhydrate zu mir nehme? Allerdings ist doch das Ziel gerade dieser Läufe, die Fettverbrennung zu verbessern.
Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, wie ich am Ende noch auf das geplante Marathonrenntempo beschleunigen soll, ohne dass mein Puls durch die Decke geht. Wenn ich es überhaupt schaffen sollte.“
Dieses Clubmitglied hat einfach Angst vor einem zu hohen Pulsschlag. Dieser Anstieg ist aber im beschriebenen Kilometerbereich normal. Etwa bei Kilometer 25 geht die Herzfrequenz erheblich nach oben und dies ohne jeden Anlass.
Dabei geht die Atemfrequenz etwas nach oben, aber es gibt kein sofortiges Schwächegefühl. Diese sprunghafte Herzfrequenzsteigerung ist nicht genau wissenschaftlich erforscht, aber es wird angenommen, dass angesammelte schädliche Substrate im Organismus abgebaut werden.
In der Zeit der hohen Temperaturen mehren sich Mails an mich, in denen beklagt wird, dass die Puls-Vorgaben in unseren Trainingsplänen nicht mit den Zeitvorgaben übereinpassen. Ich weiß nicht, wie oft ich schon darüber geschrieben habe, dass dies aufgrund der Hitzebeeinflussung auch gar nicht möglich ist.
Und ich gestehe, dass ich nichts mehr hasse, als immer und immer wieder die gleichen Fragen beantworten und hier an dieser Stelle ständig das Gleiche schreiben zu müssen. Da frage ich mich, wieso ist das so. Diese Leute, die mich fragen, sind doch nicht auf den Kopf gefallen.
Ein Grund ist sicher, dass von den Herstellern und auch von den Verkäufern nicht klar und deutlich auf die Schwächen der Herzfrequenzmessung zur Trainingssteuerung hingewiesen wird. Das könnte ja den Verkaufserfolg schmälern.
So schleicht sich eine Pulsgläubigkeit ein, die in Bezug auf die eigene Leistungsfähigkeit von oben nach unten immer mehr zunimmt. Meist sind die leistungsstärkeren Läufer(innen) schon länger im "Geschäft" und damit auch besser informiert. In den unteren Leistungsetagen unserer Gemeinschaft wird mehr der Werbung geglaubt als den Kritikern. Oder die Kritik ist gar nicht bekannt.
Aber was antworte ich den Clubmitgliedern denn nun, die sich beklagen, das Herzfrequenz und Zeitangabe im Trainingsplan nicht zusammen passen? Meist mache ich den Mitgliedern dann klar, dass im Augenblick bei den hohen Temperaturen die Thermoregulation einen großen Teil der Herz-Kreislauf-Leistung schluckt.
Der Kreislauf muss nämlich dafür sorgen, dass der Körper auf seiner Standardtemperatur von 37 Grad gehalten wird. Dazu muss er schwitzen, in dem er Wasser an der Hautoberfläche ausscheidet. Und das gibt es nicht umsonst. Das ist Arbeit und die verlangt Leistung.
Leider kann man sich diese Leistung nicht als Training aufschreiben, denn Training in unserem Sinne ist nur das, wo auch Muskelarbeit beteiligt ist. Darum solltest du dir gut merken: Ich trainiere meinen Muskel und nicht meinen Kreislauf. Dieser folgt dem Muskel und nicht umgekehrt.
Das heißt mit anderen Worten: Wenn du deine Beine anstrengst, dann wird dir dein Herz auch die nötige Leistung liefern. Es nützt dir nichts, wenn du ein besonders leistungsfähiges Herz-Kreislaufsystem hast, aber deine Muskeln schlapp sind. Gerade diese "Denke" geht in ungezählte Köpfe nicht rein. "Aber ich trainiere doch mein Herz, davon werde ich stärker!" Leider Nein!
Kennst du die Geschichte vom schlauen Otto? Das ist ein satirischer Text, den ich hier schon oft gebracht habe. Aber er ist immer noch aktuell:
Otto ist ein älterer Läufer und hat den Stein der Weisen gefunden. Ihm taten schon die Knie weh, wenn er länger und schnell lief.
Nach genauem Literaturstudium in Hausfrauen-Zeitschriften kam ihm die geniale Idee: In der Sauna steigt die Herzfrequenz doch durch die Wärmebelastung erheblich an.
Eine dieser Zeitschriften fand, dass eine Trainings-Herzfrequenz zwischen 110 - 120 Schlägen in der Minute ideal sei. Und da stand auch noch an anderer Stelle, dass ältere Läufer auch noch mit niedrigerem Puls ihre Leistung verbessern können.
Otto rechnete und sein Entschluss stand fest: "Zwei von drei Trainingseinheiten mache ich jetzt in der Sauna!" Otto drehte den hauseigenen Schwitzkasten so richtig auf, nahm sein bestes Handtuch, den Pulser und setzte sich erwartungsfroh auf die Saunabank. Und das Wunder geschah vor seinen Augen. Die Herzfrequenz stieg bis auf 117. Otto jubelte.
Da unser Otto bekanntermaßen nicht auf den Kopf gefallen ist, überlegte er, dass man, um so richtig nach vorn zu kommen, auch Tempoläufe machen sollte. Doch die waren wegen seiner Knie schon lange nicht mehr in seinem Programm.
Und dann hatte er die göttliche Eingebung: Der Aufguss, der muss es bringen, denn der müsste den Puls noch weiter nach oben treiben.
Otto lief trotz der Hitze eine Gänsehaut den Rücken runter. Heureka! Schon flossen gleich mehrere Liter Wasser über die Glut des Saunaofens. Er keuchte, es brannte auf seiner Haut, aber Otto gab alles. Der Puls ging noch einmal um 12 Schläge nach oben. Jubel in seiner Seele und Vorfreude auf kommende Altersklassensiege blitzten durch sein Gehirn.
Bald aber fiel die Herzfrequenz wieder, der Aufguss war verraucht. Otto grübelte, ja eine Wiederholung muss es sein. Intervalltraining!! Mit Begeisterung goss er noch einmal auf und jubelte als sein Pulser abermals reagierte. Und Otto konnte immer noch! Ihm war zwar heiß wie einem Krebs im Kochtopf, aber er wollte es jetzt richtig wissen.
Der nächste Aufguss zur letzten Wiederholung wurde mit einem Glas Slibowitz und 50 Tropfen Minzöl gedopt. Diese Mischung ballerte er dann mit Glückserwartung über die Glut und floh dann von beißenden Dämpfen getrieben augenblicklich aus seiner Sauna. Vor der Tür stand er da und keuchte: "Das Tempo der letzten Wiederholung war eindeutig zu hoch."
Stolz trat Otto am nächsten Mittwoch bei seinem Lauftreff an. Ganz beiläufig berichtete er, dass er nun nicht in der langsamsten Gruppe bleiben könne, weil er ein Geheimtraining erfunden habe, welches ihn bald zu Großem befähigen würde.
Am diesen Tag lief Otto in seinem gewohnten Rahmen, musste aber dennoch abreißen lassen, denn seine Kumpel erhöhten das Tempo merklich, weil er mit der bezeichnenden Handbewegung und kräftigen Worten andeutete, dass er schon in 2 - 3 Wochen die ganze Gruppe "zersägen" werde.
Aber auch in der vierten Woche hagelte der Hohn des Lauftreffs weiter auf ihn ein. "Na Otto, dein Geheimtraining ist wohl doch nicht das, was du dir davon versprochen hast?" Oder: "Otto, was ist denn los, wann fängst du denn nun mit dem Zersägen an?"
Otto schmerzte dieser Hohn und er überlegte. Habe ich einen Fehler gemacht? Und er schaute noch einmal in der Pulser-Gebrauchsanweisung nach und auch daraus konnte er wiederum herauslesen, dass er alles richtig gemacht hatte.
Nach weiteren Überlegungen wurde ihm dann endlich klar, woran es gelegen hatte. Na klar, das war es, der Tempolauf war zu schlaff! Nun versucht es Otto weiter in der Sauna, verlegt diese aber gedanklich in den Wald, in dem er den Aufguss mit Fichtennadelöl aromatisiert.
"Mir ist das Training im Wald schon immer besser bekommen als auf der Bahn." Und wenn Otto nicht gestorben ist, dann trainiert er voller Hoffnung weiter in der Sauna. Entschuldige bitte, dass ich etwas in diese Satire abgeglitten bin.
Aber dir wird dabei sicher klar geworden sein, dass du dein Herz so lange belasten kannst wie du willst, wenn du dabei keine Muskeln bewegst, wirst du keine Sekunde schneller werden.
Und so wirst du auch sicher verstanden haben, warum die Herzfrequenz steigernde Wirkung bei hochsommerlichen Temperaturen keine positiven Auswirkungen auf deine Leistung hat. Und auch keine negativen, wenn du die Angaben im Plan unterschreitest.