Angeblich spielen im Frühjahr unsere Sexualhormone verrückt. Aber es ist immer wieder festzustellen, dass es nicht nur diese sind, sondern auch die Leistungshormone drehen durch. Wünsche und Ängste lassen uns oft nicht schlafen.
Besonders die kommenden Hauptwettkämpfe rühren in unserem Gehirn umher. Letzthin wollte doch tatsächlich ein Greifclub Mitglied wissen, wie hoch sich die negativen Auswirkungen einer Darmentleerungspause während einer Tempoeinheit auswirken. Solche Anfragen schocken mich derart, dass ich mich erst einmal auf den Boden werfen muss, um ein Viertelstündchen zu weinen.
Aber wenn man das Ganze überdacht hat, schreibt da jemand, der alles ganz genau machen will. Den Trainingsplan 100 Prozent zu erfüllen ist ganz wichtig und die vorgegebenen Zeiten exakt einzuhalten ist noch wichtiger.
Dieser Typ Mensch kommt relativ schnell mit seiner Leistung nach vorn. Das Hinderliche daran ist aber, dass versucht wird den Trainingsplan ohne Wenn und Aber zu folgen. Er oder sie setzen nur auf die Vorgaben, vergessen aber völlig, dass es ein Körpergefühl gibt.
Dieses Körpergefühl ist wesentlich genauer als die Vorgabe im Trainingsplan. Wie soll zum Beispiel denn ein solcher Plan auch wissen, dass du auf den ersten fünf Kilometern einen starken Gegenwind hast und auf Rückweg ein Wald den erhofften Rückenwind aufhält.
Zu dieser Schwäche eines Trainingsplans ist es nicht nötig, weiter auf solche missliche Situationen einzugehen, denn du weißt ganz genau selbst, welche fiesen Bedingungen dein Training stören können. Wenn du dich diesen Bedingungen nicht ergibst und weiter nach Plan agierst, dann wirst du deine Möglichkeiten nicht vollständig ausschöpfen können.
Zu diesem Formenkreis gehört auch die Pulsmessung. Du kannst immer mit dem Pulser laufen, du darfst aber niemals vergessen, dass das Ding dort an deinem Arm, wenn es ihm passt, lügt wie ein Lebenspartner, der in einer flagrantihaften Situation erwischt wurde.
Doch immer wieder erreichen mich Mails, die nachfragen wegen ihres "komischen" Pulsverhaltens. Obwohl ich denke, dass dieses Wissen um die notorische Schummelbereitschaft des Pulsers in der Läuferschaft fest etabliert ist, muss ich erfahren, dass es leider nicht so ist.
In diesem Monat (März 2014) erreichten mich drei Mails mit der fast identischen Frage: "Wenn ich die lange 35 Kilometer Runde laufe, dann muss ich am Ende immer langsamer laufen, weil mein Puls so ab 20 Kilometer immer weiter nach oben geht."
Schon vor einigen Jahren beantwortete ich diese Art der Anfragen folgenden Sätzen: "Grundsätzlich steigt die Herzfrequenz bei jedem langen Lauf an. Sie ist der Ausdruck deiner gesteigerten Stoffwechselaktivität, in dem dein Organismus mit all den Schlacken fertig werden muss, die du produzierst. Das hat aber nur wenige Auswirkungen auf deine arbeitende Muskulatur. Die könnte problemlos weiter im alten Tempo laufen. Was du ja auch spürst. Darum renne weiter, vergiss den Puls.
Wenn du dieser Tempobremse nachgibst und den Puls herunterschraubst, wird dein Training deutlich weniger effektiv. Schon gar nicht darfst du auf ihn am Ende eines Wettkampfs reagieren. "Huch, mein Puls ist zu hoch. Ich bin zwar noch fit, aber jetzt muss ich langsamer machen, auch wenn die Bestzeit dabei flöten geht." So ein Verhalten ist schlicht weg ein Blödsinn.
Eigentlich muss ich diese Zeilen gar nicht mehr an dieser Stelle schreiben, denn das kann man alles nachlesen im Newsletterarchiv. Aber man kann nur finden, was man sucht. Die Läufer und Läuferinnen, die uns schreiben, denken und fühlen in der Regel, dass sie die Ausgeburt der Einmaligkeit sind. Sie glauben fest daran, dass dieser Herzfrequenzanstieg auf den sehr langen Laufstrecken nur bei ihnen vorkommt.
Nachfolgend kannst du noch eine Geschichte über die Herzfrequenz und den schlauen Thomas lesen, die schon einige Jahre alt ist, aber immer noch besonders trefflich:
Die Geschichte vom schlauen Thomas, der den Tempolauf in der Sauna erfand.
Aber was antworte ich den Clubmitgliedern denn nun, die sich beklagen, dass Herzfrequenz und Zeitangabe im Trainingsplan besonders bei Hitze nicht zusammen passen? Meist mache ich diesen dann klar, dass bei den hohen Temperaturen die Thermoregulation einen großen Teil der Herz-Kreislauf-Leistung schluckt.
Der Kreislauf muss nämlich dafür sorgen, dass der Körper auf seiner Standardtemperatur von 37 Grad gehalten werden muss. Dazu muss er schwitzen, in dem er Wasser an der Hautoberfläche ausscheidet. Und das gibt es nicht umsonst. Das ist Arbeit und die verlangt Leistung.
Leider kann man sich diese Leistung nicht als Training aufschreiben, denn Training in unserem Sinne ist nur das, an dem auch Muskelarbeit beteiligt ist. Darum solltest du dir gut merken: Ich trainiere meinen Muskel und nicht meinen Kreislauf. Dieser folgt dem Muskel und nicht umgekehrt.
Das heißt mit anderen Worten: Wenn du deine Beine anstrengst, dann wird dir dein Herz auch die nötige Leistung liefern. Es nützt dir nichts, wenn du ein besonders leistungsfähiges Herz-Kreislaufsystem hast, aber deine Muskeln schlapp sind. Gerade diese "Denke" geht in ungezählte Köpfe nicht rein. "Aber ich trainiere doch mein Herz, davon werde ich stärker!" Leider nein!
An dieser Stelle muss ich immer das Beispiel vom schlauen Thomas bringen:
Vorsicht Satire: Er als älterer Läufer hatte den Stein der Weisen gefunden. Ihm taten schon seit einiger Zeit die Knie weh, wenn er länger und schnell lief.Nach genauem Literaturstudium in der "Apotheken-Schundschau" und in "Fit for Fat" kam ihm die geniale Idee: In der Sauna steigt die Herzfrequenz doch durch die Wärmebelastung erheblich an. Und bei "Fit for Fat" fand er, dass eine Trainings-Herzfrequenz zwischen 110 - 120 Schlägen in der Minute ideal ist. Und da stand auch noch, dass ältere Läufer auch noch mit niedrigerem Puls ihre Leistung verbessern können.
Thomas rechnete und sein Entschluss stand fest: "Zwei von drei Trainingseinheiten mache ich jetzt in der Sauna!" Thomas drehte den hauseigenen Schwitzkasten so richtig auf, nahm sein bestes Handtuch, den Pulser und setzte sich erwartungsfroh auf die Saunabank. Und das Wunder geschah vor seinen Augen. Die Herzfrequenz stieg bis auf 117. Thomas jubelte.
Da unser Thomas bekanntermaßen nicht auf den Kopf gefallen ist, überlegte er, dass man, um so richtig nach vorn zu kommen, auch Tempoläufe machen sollte. Doch die waren wegen seiner Knie schon lange nicht mehr in seinem Programm. Und dann hatte er die göttliche Eingebung: Der Aufguss, der muss es bringen, denn der müsste den Puls noch weiter nach oben treiben.
Thomas lief trotz der Hitze eine Gänsehaut den Rücken runter. Heureka! Schon flossen gleich mehrere Liter Wasser über die Glut des Saunaofens. Er keuchte, es brannte auf seiner Haut, aber Thomas gab alles. Sein Puls ging noch einmal um 12 Schläge nach oben. Jubel in seiner Seele und Vorfreude auf kommende Altersklassensiege blitzten durch sein Gehirn.
Bald fiel aber die Herzfrequenz wieder, der Aufguss war verraucht. Thomas grübelte und kam zu göttlichen Eingebung: „Ja, ja, mehrere Wiederholungen, Intervalltraining, das isses!!“ Mit Begeisterung goss er noch einmal auf und jubelte als sein Pulser abermals reagierte. Und Thomas konnte immer noch! Ihm war zwar heiß wie einem Krebs im Kochtopf, aber er wollte es jetzt richtig wissen.
Der nächste Aufguss zur letzten Wiederholung wurde mit einem Glas Slibowitz und 50 Tropfen Minzöl gedopt. Diese Mischung ballerte er dann mit Glückserwartung über die Glut und floh dann von beißenden Dämpfen getrieben augenblicklich aus seiner Sauna. Vor der Tür stand er da und keuchte: "Das Tempo der letzten Wiederholung war eindeutig zu hoch."
Stolz trat Thomas am nächsten Mittwoch bei seinem Lauftreff an und reihte sich wie gewohnt in Gruppe 6 ein, im Jargon "Hoffnung, Übergewicht und Kannstenicht" genannt. Ganz beiläufig berichtete er, dass er nun nicht mehr lange in dieser Gruppe bleiben könne, weil er ein Geheimtraining erfunden habe, welches ihn bald dazu befähigen würde, mindestens in Gruppe vier mitlaufen zu können.
Am diesem Tag lief Thomas in seinem Rahmen, musste aber dennoch abreißen lassen, denn seine Kumpel erhöhten das Tempo merklich, weil er mit der bezeichnenden Handbewegung und kräftigen Worten andeutete, dass er schon in 2 - 3 Wochen die ganze Gruppe "zersägen" werde.
Aber auch in der vierten Woche hagelte der Hohn des Lauftreffs weiter auf ihn ein. "Na Thomas, dein Geheimtraining ist wohl doch nicht das, was du dir davon versprochen hast?" Oder: "Thomas, was ist denn los, wann fängst du denn nun mit dem Zersägen an?" Thomas schmerzte dieser Hohn und er überlegte. Habe ich einen Fehler gemacht? Und er schaute noch einmal in der Pulser-Gebrauchsanweisung nach und auch daraus konnte er wiederum herauslesen, dass er alles richtig gemacht hat.
Nach weiteren Überlegungen wurde ihm dann endlich klar, woran es gelegen hatte. Der Slibowitz im letzten Aufguss war schon drei Jahre alt aus dem Kroatienurlaub 2011. Na klar, das war es, der Tempolauf war zu schlaff!
Nun versucht es Thomas abermals in der Sauna, verlegte diese aber gedanklich in den Wald, in dem er den Aufguss mit Fichtennadelöl aromatisiert. "Mir ist das Training im Wald schon immer besser bekommen als auf der Bahn."
Und wenn Thomas nicht gestorben ist, dann trainiert er voller Hoffnung weiter in der Sauna. Entschuldige bitte, dass ich etwas in die Satire abgeglitten bin. Aber dir wird dabei sicher klar geworden sein, dass du dein Herz so lange belasten kannst wie du willst, wenn du dabei keine Muskeln bewegst, wirst du keine Sekunde schneller werden.