Manchmal denke ich, dass ich mir hier die Finger wund schreibe, um einigen Leuten die scheinbar banalen Dinge des Laufens beizubringen. Und denke dann aber auch: "Dies sollte doch eigentlich ein Newsletter für fortgeschrittene Langstreckenläufer sein."
Aber nicht jeder hat das entsprechende Umfeld, um von anderen zu lernen. Wir alle wissen, dass es in unserer Szene eine Menge Schwätzer gibt. Es herrscht auch oft das überzeugend vorgetragene Viertelwissen vor. Es ist ziemlich gefährlich für den unbefangenen Zuhörer, dass es viele lautstarke Läufer gibt, die nicht wissen, dass sie nichts wissen. Im Unterschied dazu weiß der Schreiber dieser Zeilen, dass er nichts weiß. Und das ist ziemlich ungefährlich.
Um sich selbst von den ganzen Halbwahrheiten und "Habe-ich-gelesen-Weisheiten" einmal zu befreien, lohnt sich einmal in einen Trainingsurlaub mit uns zu kommen. Bei uns sitzen keine Nicker und Jasager, sondern da wird den Dozenten schon einmal auf den Grund gefühlt. Und wer so einen Trainingsurlaub verlässt, der ist schlauer - deutlich.
Aber dennoch: Vor unseren Trainingsurlauben, die ja eine Mischung von Training, Seminar und allgemeinen Lebensvergnügen sind, scheinen einige Leute eine Scheu wegen der körperlichen Belastung zu haben. So schrieb mir kürzlich ein Läufer mit einer 10 km Bestleistung um die 40 min in Bezug auf unseren Trainingsurlaub in Wolfshagen in diesem Jahr: "Kann ich auch daran teilnehmen oder bin ich zu lahm?"
Nachfolgend ist in einer Original Ergebnisliste aus Wolfshagen 2008 aufgeführt, wie schnell die dortigen Teilnehmer der 1. Woche einen 10 km-Tempolauf rannten. Wie man sieht, sind Resultate im Schnitt in etwa so, wie bei einem gut besetzten Volkslauf.
10 km-Lauf "Ohne Uhr", Wolfshagen, 28.08.2008:
T. S. | 31:26 |
R. J. | 34:22 |
J. D. | 36:48 |
M. F. | 37:30 |
D. F. | 37:33 |
W. R. | 38:33 |
A. M. | 40:22 |
W. H. | 40:28 |
R. B. | 40:51 |
W. H. | 41:16 |
L. S. | 41:42 |
A. L. | 42:31 |
P. H. | 42:54 |
H. W. | 43:18 |
D. C. | 43:24 |
S. J. | 44:31 |
D. S. | 46:05 |
M. D. | 47:01 |
M. B. | 47:41 |
F. H. | 47:56 |
W. S. | 48:01 |
D. K. | 48:07 |
C. L. | 48:32 |
H. M. | 52:34 |
N. F. | 53:16 |
A. R. | 55:22 |
H. B. | 55:46 |
D. S. | 55:55 |
D. P. | 57:09 |
C. W. | 59:12 |
Da dieser Lauf am Anfang des Urlaubs statt fand, kann man ihn als Quasi-Wettkampf werten. Denn die Teilnehmer sind zu mehr als 50% Wiederholer, sie bilden aber mit den Neulingen sofort eine Gruppe. Und eine Gruppe braucht eine Rangordnung und die wird selbstverständlich ausgelaufen.
In der Anfangszeit unserer Trainingsurlaube hatte ich mit sehr viel Nachdruck versucht, die Teilnehmer zu bremsen. in dem ich auf weitere kommende Belastungen hinwies. Dieser Bremsversuch hatte jedes Jahr wieder den Wirkungsgrad null. Genau so hätte ich ihnen das Essen verbieten können.
Mit der Zeit haben wir gelernt, dass ein solcher Beschwichtigungsversuch völlig sinnlos ist. Es gibt ab zu mal einen Phlegmatiker, der seinen Stiefel runter läuft und sich nicht stören lässt vom Imponiergehabe der Testesterongefüllten. Die Masse aber lässt am Start die Biomotoren brüllen und beißt um sich, als ob es um einen Startplatz bei Olympia geht. Ist diese Phase vorbei, dann hat jeder seinen "Holger" oder auch zwei und in jedem Tempolauf wird die Kleingruppenmeisterschaft wieder neu ausgekämpft.
Der Bezug geht nun ganz klar auf diese Kleingruppe. Wir trainieren meist in fünf Leistungsgruppen, manchmal sogar sechs. Und in diesem Team hat dann jeder seinen Holger oder Olga. Ab jetzt gilt nur noch die persönliche Umgebung. Was den sozialen Zusammenhalt festigt und die Konkurrenz stärkt.
Das geht so weit, dass in solch einer Situation niemals vorher erzielte Trainingszeiten gelaufen werden. Was dem Außenstehenden als fast unmöglich erscheint, ist der eigentliche Erfolgsfaktor. Die Konkurrenz reizt die Teilnehmer zu Höchstleistungen. So etwas funktioniert nicht nur in Elitegruppen, sondern auch unter "Normalos". Nicht umsonst gehen die Eliteläufer vor großen Wettkämpfen in ein Trainingslager oder trainieren an Leistungsstützpunkten gemeinsam.
Aber so nach einer Woche werden sie alle ruhiger. Die Hackereien nehmen ab, es werden Auszeiten genommen und es wird etwas gelassener. Trotzdem sind alle nach solch einem "Camp" am Ende ziemlich fertig. Aber das ist auch so gewollt. Man muss dem Körper nur die Gelegenheit geben, sich danach von den Belastungen zu erholen.
Und damit wird meist nicht gerechnet, obwohl ich immer darauf hinweise, was passiert, wenn man wieder zu Hause ist. Aber nun weiß ja jeder, das alle diese negativen Dinge den anderen passieren, niemals einem selbst. Man ist ja anders. Aber niemand ist so anders, dass er die Belastungen eines Trainingslagers locker übersteht.
Das hieße ja im Umkehrschluss, dass diese Belastungen zu niedrig gewesen sind. Denn nur ein Training, welches der Körper noch nicht gewohnt ist, löst entsprechend positive Belastungsreize aus. Aber dazu müssen aber auch entsprechend hohe Intensitäten und Umfänge absolviert werden. Das natürlich nicht jeden Tag. Es wird im Trainingslager auch immer nach den Prinzipien von Belastung und Entspannung trainiert.
Aber wie auch immer, die "Nachtrainingslager-Depression" klingt schnell an und es kommt nachfolgend zu einer euphorischen Leistungssteigerung. Dann geht die Post ab richtig ab. Es kommt zu einer derartigen Superkompensation aller Kräfte, dass es die Betroffenen manchmal kaum fassen können. Die persönlichen Rekorde purzeln nur so. Aber wie gesagt, man muss seinem Organismus auch die Zeit zur Erholung lassen.
Das bedeutet nicht, dass man nun immer im regenerativen Dauerlauf dahin traben sollte, sondern man muss nur wieder zurück gehen in sein altes Programm und sich nicht an das anlehnen, was man im Trainingsurlaub alles geschafft hat.
Ich habe diesen Artikel geschrieben, um allen Interessenten an unserem Trainingsurlauben "reinen Wein" einzuschenken. Und eines sollte man nicht vergessen. Es wird so um die 2,5 h täglich trainiert und innerhalb der restlichen 21,5 h leben wir genauso wie normale - wirklich - Menschen im Urlaub.