Es scheint so, dass es bedauerlicherweise gerade jetzt in der Marathon-Hochsaison in den Wettkämpfen sehr warm sein wird. Ich empfinde es als Pflicht, dich noch einmal auf die Gefahr hinzuweisen, welches zu viel und zu wenig trinken in sich birgt.
In Spiegel-Online wurde dieser Tage über eine Arbeit aus der Fachzeitschrift "Medicine and Science in Sports and Exercise" von dem Sportmediziner Byrne berichtet:
"Zwischen Trinkmenge, Erhitzung und sportlichem Abschneiden gibt es keinen Zusammenhang. Der Forscher rät deshalb Läufern, vor Wettkämpfen viel zu trinken, während des Rennens aber nicht mehr, als der Durst verlange. Mehrere Liter Wasser zu trinken, lässt sie ganz sicher nicht schneller laufen", sagte er.
Ich bin dankbar, dass jetzt wissenschaftlich belegt ist, was wir schon seit Jahren schreibe. Mehrfach und zuletzt im September 2006 hatten wir über das Trinkverhalten im Marathon geschrieben. (Siehe Tabellen unten). Das hat uns sehr viel Zustimmung, aber auch Kritik eingebracht. Besonders ein Arzt tat sich hervor, in dem er mich geradezu als "Blödmann" hinstellte. Na ja, ganz so schlimm ist es nicht, aber etwas blöde bin ich schon, aber dem Himmel sei Dank, weiß ich das. :-)
Trinken großer Mengen beim Marathon schädlich
Wir haben oft schon darauf hingewiesen, dass das Trinken großer Mengen von Flüssigkeit schädlich, bei reinem Wasser sogar tödlich sein kann. Ich kann es schon nicht mehr hören, wenn der Sprecher am Marathonstart beim kleinsten Sonnenstrahl dröhnt: Trinken, trinken, trinken. Die allgemeine Meinung ist, je mehr ich schlucke, desto besser geht es mir im Rennen. Ich werde schneller sein, ich kann besser schwitzen und werde mit mehr Flüssigkeit eine bessere Leistung erzielen.
Doch wir alle müssen ganz vorsichtig sein mit unseren Weisheiten, wie Chris Byrne von der University of Exeter jetzt herausgefunden hat. Bisherige Untersuchungen krankten daran, dass die Körpertemperatur meist nur vor und nach dem Wettkampf gemessen worden ist, nie aber kontinuierlich während des gesamten Laufs.
Das haben Byrne und sein Team nun mit einer Gruppe von Läufern gemacht, die am Halbmarathon der Armee von Singapur teilnahmen. Temperatursensoren im Magen der Sportler meldeten über die gesamten 21,1 Kilometer des Rennens, wie sehr die Körpertemperatur von den gewöhnlichen 37 Grad Celsius abwich.
Die größten Schlucker erhitzten sich auch am meisten!
Der Wettkampf in Singapur war schon eine Zumutung für die Läufer: 75 bis 90 Prozent Luftfeuchtigkeit, 26 bis 29 Grad Lufttemperatur im Schatten. Anderthalb Liter Schweiß verloren die Probanden im Schnitt pro Stunde. Die Teilnehmer ersetzten zwischen 6 und 73 Prozent ihres Flüssigkeitsverlustes durch neues Wasser. Die höchste gemessene Körpertemperatur lag bei 41,7 Grad Celsius - und das ausgerechnet bei jenem Versuchsteilnehmer, der am meisten getrunken hatte.
Festzuhalten ist: Im Hitzerennen sollte unbedingt getrunken werden. (Siehe Tabelle mit Näherungswerten unten). Wer mehr trinkt, wird auch keine großen Probleme bekommen, aber vor einem kontrolllosen Hineinschütten können wir nur warnen.
Die richtigen Flüssigkeiten trinken
Viel wichtiger ist, dass die richtigen Flüssigkeiten getrunken werden, die auch Natrium enthalten wie etwa Ultra-Buffer. Reines Wasser ist in größeren Mengen schädlich. Es sollte dazu immer eine Mineralienkapsel genommen werden, etwa SaltStick.
Besonders sind dabei die individuellen Geschmäcker und auch die persönliche Leistungsfähigkeit im Rennen zu beachten. Übergewichtige verlieren im Rennen mehr Wasser als Schlanke!
Damit müssen wir uns als erstes überlegen, wie viel Flüssigkeit wir im Rennen überhaupt aufnehmen können, denn unser Magen kann nur ca. 600 ml pro Stunde resorbieren. Dem steht entgegen, dass bei extremen Bedingungen Schweißverluste bis zu 2000 ml/h auftreten können. So müssen wir festhalten, dass wir unter schweren Hitzebedingungen gar nicht so viel Wasser verarbeiten können, wie wir benötigen. Dann heißt es einfach langsamer laufen!
Zurück zu der nötigen Trinkmenge in einem 42,2 km-Wettkampf. Dazu müssen wir etwas rechnen. Wir gehen von einem Rennen mit einer durchschnittlichen Temperatur von 15 Grad und einer geringen Sonneneinstrahlung aus. Wir betrachten dabei einmal 3 Läufer. Einer läuft auf eine Zeit von 2:30, der andere auf 3:15 und der letzte schließlich auf 4:00 hin. Alle wiegen 75 kg.
Ferner wird angenommen, dass alle drei direkt vor dem Start je 600 ml Flüssigkeit in idealer Form zu sich genommen haben. Wenn wir den Flüssigkeitsbedarf errechnen, müssen wir dazu auch das körpereigene Stoffwechsel-Wasser hinzuziehen. Wenn wir im Rennen unser Glykogen verbrennen, wird mit jedem Gramm dieses Speicherstoffs auch 2,5 g Wasser frei. Auch das sogenannte Oxidationswasser bei der Verbrennung der Kohlenhydrate zu CO2 und H2O müssen wir mit bewerten.
Ungefähr benötigte Trinkmenge für verschiedene Marathonzeiten unter Idealbedingungen
Greif 2006 Durchschnittlich +13 Grad, kein Sonnenschein! Organismus-Wasser, ml |
2:30 h-Läufer mit 600g Glykogen, verbraucht davon 80%. Angenommene Schweißrate 800 ml/h | 3:15 h-Läufer mit 500g Glykogen, verbraucht davon 70%. Angenommene Schweißrate 600 ml/h | 4:00 h-Läufer mit 400g Glykogen, verbraucht davon 60%. Angenommene Schweißrate 500 ml/h |
Vorher getrunken | 600 | 600 | 600 |
Glykogen-Bindungs-H2O | 1200 | 875 | 600 |
Oxidationswasser | 200 | 250 | 300 |
Gesamtes zur Verfügung stehendes H2O | 2000 | 1725 | 1500 |
Angenommener Gesamt-Schweißverlust | 2000 | 1950 | 2000 |
Auszugleichende Flüssigkeitsmenge | 0 | 225 | 500 |
Benötigte Flüssigkeit ml/h | 0 | 69 | 125 |
Ungefähr benötigte Trinkmenge bei unterschiedlichen Marathonzeiten unter warmen Bedingungen zwischen 20 und 30 Grad
Greif 2006 Durchschnittlich +25 Grad, +35 Grad in der Sonne Organismus-Wasser, ml |
2:30 h-Läufer mit 600g Glykogen, verbraucht davon 80%. | 3:15 h-Läufer mit 500g Glykogen, verbraucht davon 70%. | 4:00 h-Läufer mit 400g Glykogen, verbraucht davon 60%. |
Angenomme Schweißrate ml/h | 1000 | 1200 | 1400 |
Vorher getrunken | 600 | 600 | 600 |
Glykogen-Bindungs-H2O | 1200 | 875 | 600 |
Oxidationswasser | 200 | 250 | 300 |
Gesamtes zur Verfügung stehendes H2O | 2000 | 1725 | 1500 |
Angenommener Gesamt-Schweißverlust | 2500 | 3900 | 5600 |
Auszugleichende Flüssigkeitsmenge | -500 | -2175 | -4100 |
Benötigte Flüssigkeit ml/h | -200 | -669 | -1025 |
Wie man sieht ist schon der 3:15 h-Läufer nicht mehr in der Lage das fehlende Wasser zu ersetzen, denn der Magen verarbeitet nur 600 ml/h. Noch mehr Probleme bekommen die 4 h-Läufer(innen), die können auf keinen Fall für einen Ausgleich sorgen. Sie müssen dann einfach langsamer laufen. So schlimm dass auch ist.
Aber die ganze Sache wird noch ungenauer, wenn die Temperaturen steigen und Sonneneinstrahlung dazu kommt. Dann wird der Wasserbedarf für größere Teilmengen der Läufer(innen) praktisch unkalkulierbar, weil die Schweißverluste individuell sehr weit schwanken.
Da hilft nur die Ruhe, denn es kann wirklich gefährlich werden. In Rotterdam am 15.04.2007 musste das Rennen für die 4 h-Läufer(innen) abgebrochen werden, weil mehr als 30 Personen zusammenbrachen.
Es gilt bei Hitze während des Marathons
- Runter mit dem Anfangs-Tempo, wenn du eine Leistungsfähigkeit von langsamer als 3:15 h hast.
- Raus aus der Sonne, nach Möglichkeit immer im Schatten laufen.
- Jede Dusche mitnehmen, auch wenn das Wasser in die Schuhe läuft, das ist das kleinere Übel.
- An der Wasserstelle immer erst einen Becher Wasser über den Kopf, dann einen trinken und anschließend noch einen über den Kopf.
- Die Haare nach Möglichkeit immer nass halten. Gürtelflasche besser zum Haarebefeuchten nutzen als zum Trinken.
- Mineralkapseln nicht vergessen.
Ich kann nur hoffen, dass du den obigen Ratschlägen nicht folgen musst und wünsche dir einen richtig schönen Bestzeiten-Marathon mit 10 - 15 Grad und leichtem Nieselregen.