In dieser Zeit des frühen Frühjahrs kommen immer wieder ganz überraschende Fragen auf mich zu. „Ich weiß gar nicht, was los ist. Ich wollte im April 46 Minuten über zehn Kilometer laufen, und gestern bin ich im Training über die gleiche Strecke schon 45:16 gelaufen. Jetzt habe ich mich doch übertrainiert, und was soll ich machen?“
Dieser Mann war völlig verzweifelt, wo er sich doch himmelhochjauchzend freuen sollte. Wie er weiterhin schrieb, meinte er, dass in Kürze ein Leistungsabsturz bei ihm folgen würde. Mit einem Telefongespräch konnte ich ihn dann beruhigen und aufmuntern.
Solche Dinge kommen im Training in den Monaten Februar und März oft vor. Unsere Clubpläne beginnen im Dezember mit dem entwickelnden Training. D.h. entsprechend viele ruhige Kilometer und zwar auch Tempoläufe, aber diese in einem moderaten Bereich.
Tempoläufe im Winterjahr, aber nicht am Anschlag laufen!
Nun ist es aber eine erhebliche Anzahl von Läufern und Läuferinnen nicht gewohnt, schon im Dezember Tempoläufe zu absolvieren. Das geht so weit, dass mich einige beschimpfen, weil sie doch bis in den Oktober hinein hart trainiert haben und auch noch Wettkämpfe gelaufen sind und jetzt sollen sie sich schon wieder quälen.
Nach alter Jogger-Idee muss man sich dann erst einmal ein paar Monate ausruhen, um sich dann ganz langsam wieder in Bewegung zu setzen. Damit es ein schönes Schleichtempo gibt, wird sich über die Weihnachtstage und das Jahresende eine negative Beule angefressen.
Und dann kommt der Sklaventreiber Greif und verlangt schon wieder Tempoläufe. „Der ist doch bescheuert, dieser Spinner!“ Du magst jetzt schmunzeln, aber die vorhergehenden Zeilen sind Fakt. Natürlich nicht bei allen, aber bei viel zu vielen.
Wer sich im Winterhalbjahr mästet, hat selber Schuld!
Wer nun aus dieser Bewegungsfalle heraus will und planmäßig trainiert, erlebt sein himmelblaues Wunder. Er kann es kaum glauben, dass systematisches Training, eine Anhebung von Geschwindigkeit und Umfang solche Resultate erbringt.
So plagen ihn Ängste, weil er erwartet, ein Kartenhaus gebaut zu haben, welches in Kürze wieder zusammen brechen könnte.
Kommen wir zum Punkt: So etwas passiert praktisch niemals. Wenn du schon im Winter bessere Leistungen erzielst als jemals zuvor, dann werden diese Möglichkeiten nicht wieder verschwinden. Sondern du hast dein Leistungsniveau nach oben verschoben.
Wenn du in solch einer Lage bist, dann solltest du natürlich auch deine Ziele auf andere Rennstrecken anpassen. Das erhöhte Leistungsniveau durchdringt dich auf allen Distanzen.
Du wirst auf allen Strecken schneller!
Du wirst es kaum glauben, aber du wirst Fortschritte erzielen von 800 Meter bis 100 Kilometer. Auch wenn du nicht die Idee hast, diese Distanzen zu laufen. ALLES wird besser!
Damit sollte dir dann auch klar werden, dass du den Spurt gegen deinen Holger nicht mehr verlierst. Werde aber bitte nicht hämisch, sondern gratuliere ihm zu seiner großartigen Leistung. Grinsen kannst du hinter seinem Rücken.
Und was ist nun der Unterschied zwischen Anhebung des Leistungsniveaus und der Form? Das ist nicht so ganz einfach zu erklären, denn beide sind dicht miteinander verwoben.
Das Leistungsniveau bleibt auf längere Zeit bei gleich bleibendem Training erhalten. Es kann aber durchaus noch im Jahresverlauf ansteigen. Aber es kann auch schwanken und zwar nach oben und unten.
Und diese Schwankungen können sich über Wochen bis hin zu Monaten bewegen. Das nennt man dann Form. Als Beispiel mag die Formentwicklung nach einem Marathonlauf dienen.
Kurz nach einem Marathon Unterdistanzen laufen!
Du kannst 14 Tage nach einem Marathonwettkampf einen super Halbmarathon oder auch Zehn-Kilometer-Lauf bestreiten. Du bist innerhalb von weiteren vier Wochen in einer sehr guten Form.
Form zeigt sich auch durch eine lang anhaltende Leistungsbereitschaft und –höhe. Wenn du später bemerkst, dass deine Wettkampfresultate schwanken, dann weißt du, dass du deinen Hochformbereich verlassen hast.
Das heißt aber nicht, dass dein Leistungsniveau abgesunken ist. Wenn du einen guten Tag hast, dann kannst du, trotz mangelnder Hochform, ein erfolgreiches Rennen bestreiten.
Wenn du nun aber bemerkst, dass deine Leistungen durchgängig schlechter werden, dann bleibt dir nichts anderes übrig, als mehrere Wochen in die Regeneration zu gehen.
In der Szene hält sich dauerhaft die Idee, dass ein Leistungsverlust durch ein Übertraining zustande kommt. Diese Idee ist einfach falsch.
Wer im Jahresverlauf versucht, dauerhaft seine Leistung zu steigern, dessen Leistung bricht irgendwann zusammen. So solltest du immer daran denken, dass dein halbjährliches Anpassungspotential an höhere Leistung begrenzt ist.
Diese Grenze kannst du erst dann wieder überschreiten, wenn du deinem Organismus eine Pause gegeben hast. Wir nennen es Regeneration, in der wir Intensität und Umfang deutlich nach unten schrauben.
Danach können wir dann abermals richtig auf die Pauke hauen, indem wir den Asphalt von der Straße schälen. Du kannst dich jetzt schon darauf freuen, wenn du dein Leistungsniveau und deine Hochform auf dem Höhepunkt hast.