Ist dir eigentlich schon einmal aufgefallen, dass die Mengenangaben von Eiweiß, das wir zu uns nehmen sollen, von wissenschaftlicher Seite höchst unterschiedlich sind.
Das geht so weit, dass man hier verzweifeln könnte. Schon vor einigen Jahren schrieb ich einmal einen Text für diesen Newsletter bezüglich der Eiweißaufnahme.
Dabei habe ich dann aber nicht nur allein wissenschaftliche Resultate genutzt, sondern auch eigene Versuche gestartet. Du kannst nachfolgend diesen Artikel noch einmal lesen und am Ende dann dir die Texte von Dr. Ulrich Strunz und anderen Wissenschaftlern ansehen.
Von Peter Greif, 17.02. 2009: Hast du dir eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie viel Eiweiß du pro Tag brauchst? Sicher schon, aber wahrscheinlich geht es dir wie mir, so ganz genaues weiß man nicht. Aber jemand scheint es genau zu wissen und hat dazu auch detaillierte Vorschläge gemacht.
Amanda Carlson, MS RD, ist die Direktorin der Performance Nutrition and Research Athletes`Performance. Ihr Team entwickelt Ernährungssysteme für eine ganze Breite von Athleten. Aber bevor wir zu den Ausführungen von Amanda C. kommen, möchte ich erst einmal klar machen, warum wir Ausdauerathleten Eiweiß benötigen und zwar deutlich mehr, als wir es uns haben träumen lassen.
Früher war für uns nur eines wichtig: Kohlenhydrate, Kohlenhydrate..... Über Proteine machte sich kaum jemand Gedanken. Eiweiß war etwas für Muckibudenfuzzys, so dachten wir.
Aber wir alle wunderten uns, dass wir trotz härtestem Training selten auf das angestrebte perfekte Gewicht kamen, und die Bodybuilder führten uns Körper ohne jedes Gramm Unterhautfett vor. Was auch störte, waren die langen Erholungszeiten nach Tempotraining oder Wettkämpfen.
Erst so langsam erkannte auch die Wissenschaft, dass Ausdauersportler deutlich mehr Eiweiß benötigten als vermutet. Ich kann mich noch an Empfehlungen erinnern von täglich 0,6 - 0,8 g pro kg Körpergewicht. Der Witz bei der Sache ist, dass wir Läufer(innen) mehr Protein brauchen als Kraftsportler.
Warum ist das so? Es ist eine Binsenweisheit, dass wir Läufer unsere Muskeln wesentlich öfter bewegen als Kraftsportler, und gerade beim Laufen wird ein große Anzahl von Muskeln bewegt. Einfach ausgedrückt ist es so, dass durch lange und besonders intensive Belastungen Muskelzellen verschleißen. Deren Trümmer bleiben im Blut zurück und werden vom Immunsystem beseitigt.
Das ist auch der Grund, warum moderat trainierende Läufer ein besseres (trainierteres) Immunsystem haben als die ruhende Bevölkerung. Aber die verschlissene Muskulatur und auch Proteine aus dem Blut, die während der Belastung verdaut werden, müssen wieder ersetzt werden. Und dazu braucht der Körper frisches Eiweiß jeden Tag und immer wieder.
Und auch die Adaption an das Training benötigt Eiweiß. Besonders wenn du früher ein Freizeitläufer warst und dich nun an einen Greif-Trainingsplan wagst, dann wird sich dein ganzer Körper verändern. Und das geht nicht ohne Eiweiß. Wenn du darauf nicht achtest, dann wird dein Körper mit Verletzungen antworten.
Du solltest dir bei hartem Training 2 Dinge immer besonders gut merken:
1. Nur Eiweiß schützt dein Immunsystem, nur Eiweiß repariert deine belasteten Muskeln und nur Eiweiß ist dein Jungbrunnen.
2. Dein Körper kann aus Eiweiß locker Kohlenhydrate machen, aber aus Kohlenhydraten kein Eiweiß.
Die Reparaturmaßnahmen an den Muskelzellen finden hauptsächlich in der Nacht statt. Darum sollten wir uns besonders Abends nach dem Training proteinreich ernähren. Wenn du zuwenig davon hast, bleibt dein Immunsystem schlapp und die Muskeln regenerieren sich nur langsam. Wie viel Protein muss es denn nun aber sein? Amanda C. schlägt folgendes vor:
Die Vorbereitungsperiode 2 mit höherem Anspruch im Februar/März erfordert schon 1,4 - 1,7 g Eiweiß pro kg und Tag.
Für die unmittelbare Wettkampfvorbereitung von 6 - 8 Wochen auf die Hauptereignisse der Saison brauchst du dann schon die gewaltige Menge von 1,7 - 2,2 g Eiweiß pro kg und Tag.
Amanda C. empfiehlt dieses Eiweiß über den ganzen Tag zu sich zu nehmen und zwar zu jeder Mahlzeit und zu jedem Snack. Hier taucht gleich die Frage auf: Ist denn das mit normaler Ernährung noch zu schaffen? Im Grundlagentraining mit 1,2 - 1,4 g sollte das kein Problem sein.
Aber in der Wettkampfvorbereitung wird es problematisch. Du hast als vielleicht 75 kg schwerer Mensch in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung einen durchschnittlichen Bedarf pro Tag von 150 g reinem Eiweiß. Hähnchenfleisch hat etwa 20% Proteingehalt, du müsstest also pro Tag 750 g von diesem Flügeltier essen und dies Tag für Tag.
Ist möglich, aber freue dich nicht zu früh. Ein ganzes Hähnchen mit Knochen trägt aber nur etwas 10% Protein in sich. Da müsstest du schon 1,5 kg Hühnchen pro 24h verzehren. Und das wird schwer.
Ich glaube, dass wir ohne zugesetztes reines Eiweiß nicht auskommen mit unserer gewohnten Ernährung. Ich selbst habe in diesem Winter einmal Ernst gemacht mit der proteinreichen Ernährung. Begonnen habe ich mit Squeezy Athletic-Pulver. Das wirkte gut, hat mir aber nicht geschmeckt. Schon nach kurzer Zeit bekam ich es nicht runter.
Ich stellte dann um auf Eiweißpulver. Morgens gab ich 30 g in mein Müsli, schmeckt super und wenn ich Hunger hatte, dann trank ich zwischendurch einen Eiweißshake.
Ich verminderte meine Kohlenhydrataufnahme um ein Drittel bis zu einer Hälfte und aß dafür viel mehr Eiweißhaltiges, speziell Fisch, Fleisch, etwas Wurst und Schinken oder Käse. Dazu jede Menge Gemüse und zwei Portionen Obst pro Tag.
Und ich aß mich vollständig satt. Es war die große Überraschung: Ich hatte Abends kein Hunger mehr auf Süßes. Natürlich habe ich auch meinen Wein weiter getrunken, den Uli Strunz mir immer abschwatzen will.
Und was passierte dann? Eine Überraschung! Ich nahm zwar nur um 2 kg ab, aber mein Bauch schwand. Dieses Ding, welches ich trotz eines Gesamtkörperfettgehalts von 10%, schon mehr als 10 Jahre vor mich hertrug. Es schwand, verdrückte sich einfach so.
Ich sehe zwar immer noch nicht ganz so aus wie der Seniorenschönheitskönig Dr. Ulrich Strunz. Aber wenn ich an mir runter schaue, dann ist da nur noch eine schwache Wölbung.
Und das schöne ist, dass ich mich insgesamt wesentlich besser fühle. Und - du darfst es aber keinen verraten - ich kann auch schon wieder schneller laufen. Wobei die Betonung auf Laufen nicht auf Joggen liegt.
Das Schlimme ist, dass der oben erwähnte Fitnessguru Strunz uns allen das schon seit Jahren in seinen Büchern und Artikeln predigt: Mehr Eiweiß, weniger Kohlenhydrate und du fühlst dich wohl, schlank und gesund. Mir selbst schien die Umsetzung sehr schwer.
Angst hatte ich besonders vor meiner Frau, der ich ja dann den Verzicht auf einen großen Anteil von Kohlenhydraten antragen musste. Das habe ich dann so unterschwellig gemacht und immer die Hälfte der Nudeln oder Kartoffeln auf dem Teller liegen gelassen.
Ebenso habe ich die Schublade mit den Süßigkeiten auffällig wie einen Giftschrank gemieden. Und so bekam ich eigentlich nur ganz wenig Prügel.
Einen weiteren Vorteil hatte die umgestellte Ernährung dann auch noch, ich hatte in diesem Winter auch noch nicht den leisesten Anflug von einer Erkältung. Aber das kann ja noch kommen.
Über die immer noch nötige Kohlenhydrataufnahme vor dem Wettkampf, werde ich in einem anderen Newsletter berichten.
Auszüge aus Alex Hutchinsons Lauflabor (Runners World), Grundlagen des Muskelaufbaus durch Proteine:
"Muskelaufbau: Richtiges Timing und eine nützliche Menge an Protein
Richtiges Timing: Der synergistische Schub in der Muskelproteinsynthese ist am größten, wenn Sie unmittelbar nach dem Training essen, und sinkt dann allmählich in den nächsten 24 bis 48 Stunden.
Es gibt eine Obergrenze für eine nützliche Menge an Protein. Bei gesunden, jungen Leuten lösen ungefähr 20-25 Gramm (oder abhängig von der Körpergröße, ungefähr 0,25 Gramm des Proteins pro Kilogramm des Körpergewichts) den maximalen Anstieg der MPS aus – egal ob im Ruhezustand oder nach dem Training. Bei älteren Erwachsenen ist, gerade nach dem Training, eine größere Proteineinnahme von bis zu 40 Gramm von Nutzen.
Es gibt ausreichende Beweise dafür, dass eine Aminosäure namens Leucin der Schlüssel ist, um die Muskelproteinsynthese zu stimulieren. Der Anteil an Molkeprotein (eines der beiden Proteine, die in Milchprodukten, neben Casein zu finden sind), ist in Leucin besonders hoch. Die aktuellen Beweise unterstützen hingegen nicht die Behauptung, dass auch andere Aminosäuren, wie Glutamin und Arginin, das Muskelwachstum fördern.
Zusammenfassend ist zu sagen: Nehmen Sie eine gute (aber nicht übertrieben große) Portion an Protein bei jeder Mahlzeit und nach jedem Training zu sich – da reicht z.B. ein Thunfischbrot schon aus. Scheint ziemlich einfach zu sein, wenn man alles befolgt!"
Der nachfolgende Text stammt von Dr. Ulrich Strunz, der den Ernährungsexperten Dr. Colombani zitiert:
"Titelt die Zeitschrift FITforLIFE 6-15, Seite 44. Der Ernährungsexperte Dr. Colombani, der uns aufklärt:
- Jeden Tag wird Muskeleiweiß abgebaut, und muss im gleichen Maße wieder aufgebaut werden. Sonst würden die Muskeln schwinden. Dafür brauchen wir Eiweiß.
- Der Wiederaufbau lässt sich durch höhere Proteinzufuhr verbessern. Es kommt auf den richtigen Zeitpunkt an: „Nämlich möglichst nahe an der Aktivität“. Tja.
- Mehr Protein ist auch im Ausdauersport notwendig. Trägt zur Verbesserung der Ausdauerleistung bei.
- Für den Muskelaufbau ist tierisches Protein besser als pflanzliches Protein (muss ich immer lächeln. Was denn sonst? Bestehen unsere Muskeln aus Soja?)
- Ideal ist eine Proteinportion „unmittelbar nach dem Training“. Tja. Professor Wolfe hat soeben nach radioaktiver Markierung bewiesen, dass das Gegenteil stimmt.
- Der Mehrbedarf an Protein ist im Ausdauersport gleichgroß wie im Kampfsport. Zunächst erstaunliche Behauptung. Wird gleich präzisiert:
- Mehr als 2g pro kg Körpergewicht machen keinen Sinn. Tja. Professor Wolfe hat soeben zunehmenden Einbau bis zur doppelten Menge (4g/kg/Kg) bewiesen.
- Begründung: Bei rund 3g kg Körpergewicht bleibt „der Abbau auf halber Strecke liegen und dass sich dabei im Blut anhäufende Ammonium führt zu Stoffwechselstörungen, insbesondere des Gehirns“. Schaurig.
Grauslich. Erschreckend. Pure Drohmedizin. Und das von einem Sportler? Gab´s da nicht die extrem aufwendige, extrem genaue Studie 1936 in Alaska? An den Inuit? Wo sogar Aminosäuren im Blut gemessen wurden? Wohl verstanden: Bereits 1936. Wo wir so Sätze lesen, dass die Eskimos, wenn´s denn dann da war, auch „Five to ten pounds meat per day“ gegessen hätten? Also bis 4,5 kg Fleisch täglich. Heißt übersetzt 900g Eiweiß. Heißt übersetzt 15g pro kg Körpergewicht.
Selbstverständlich ohne jegliche Schädigung. Genau das war ja der Punkt dieser ausgedehnten wissenschaftlichen Untersuchung.
Fazit: Es gibt noch viel zu lernen. Das Wissen ist nämlich längst da. Es muss sich nur herumsprechen. Hängen bleiben sollte: Es gibt für Eiweiß keine Obergrenze. Denn 4,5 kg Fleisch kann niemand von uns verzehren. Wirklich niemand."
Ganz ehrlich, ich blicke nicht mehr so richtig durch. Darum halte ich mich immer noch an die Anweisung aus dem Jahr 2009. Die ist ausprobiert und passt.