Alex Hutchinson, Forscher und Autor des Outside Magazine, schrieb vor einiger Zeit einen aufschlussreichen Beitrag über die Vorteile von 400-m Wiederholungen.
Vor einigen Jahren untersuchte ein Forscherteam Trainingsstudien aus vier Jahrzehnten, um die effektivste Art des Intervalltrainings zu ermitteln. Die wichtigsten Einheiten für die Steigerung der aeroben Ausdauer waren Wiederholungen, die jeweils drei bis fünf Minuten dauerten. Es war also eine Überraschung, als durch den Leiter dieses Teams, den Physiologen der Mayo-Klinik und Trainingsguru Michael Joyner, in einem kürzlich veröffentlichten Blog-Beitrag ein ganz anderes Training empfohlen wurde.
Joyner schlug vor, Einheiten bis auf 20x 400 Meter mit einer 200 m Trabpause nach jeder Wiederholung auszuweiten. Abhängig vom gelaufenen Tempo, kann so jede Wiederholung zwischen einer und zwei Minuten dauern, also kürzer als die aus den Trainingsstudien ermittelte „optimale“ Länge. Die Vorteile seinen aber, so argumentierte er, ebenso „psychologisch wie physiologisch". So viele Starts und Stops erfordern eine hohe Fokussierung des Geistes und bringen einen in eine Art meditativen Rhythmus. Die geistige und körperliche Herausforderung, das Training zu beenden, hinterlässt ein Gefühl der Stärke, welches du direkt in deinen nächsten Wettkampf mitnehmen kannst.
Diese Art von Training hat eine lange Tradition. Der legendäre Emil Zatopek aus der Tschechischen Republik (Olympiasieger 1952 über 5.000 m, 10.000 m und Marathon), lief Berichten zufolge jeden Tag vor den Olympischen Spielen 1948 20x 400 mit einer Erholung von 200 Metern, mit einigen harten 200-Meter-Wiederholungen davor und danach. Vor den Spielen von 1952 erhöhte er es auf 40x 400 täglich.
Auch Jim Ryun, der letzte Amerikaner der den Meilen-Weltrekord hielt, absolvierte in den 1960er Jahren das gleiche Training an der High School. Ebenfalls bis zu 40x 400 m. Die 400-Meter-Distanz war ideal, sagte Ryun, denn "es ist kurz genug, dass man ziemlich schnell laufen kann, aber man kann sich erholen und es immer wieder tun."
Das Training von Eliud Kipchoge haben wir uns letzten Woche angeschaut. Der Marathon-Weltrekordhalter plant mindestens einmal im Monat 400 m Wiederholungen für sein Training und absolviert dabei 25-30x 400 m Wiederholungen in 62 bis 64 Sekunden mit einer Pause von 30 bis 60 Sekunden, je nachdem, wo er sich in seinem Trainingszyklus befindet. Das ist nur etwa 1-2 sec schneller als seine 10.000 m Wettkampfzeit! Ein weiteres übliches Training, in das Kipchoge 400 m Intervalle einbezieht, ist 10x 800 m (in ungefähr 2:10), gefolgt von 10x 400 m (in 62-64).
Es gibt wohl kaum Elite-Athleten, die 400-m-Wiederholungen nicht in ihr Training einbeziehen. Wobei die Anzahl der absolvierten Wiederholungen sehr schwankt.
Wie kannst du die 400 m Wiederholungen in dein eigenes Training integrieren? Alex Hutchinson schlägt vor, schrittweise aufzubauen: „Beginne mit mit einem Training wie 10× 400 und laufe dies jede oder jede zweite Woche, wobei du jedes Mal zwei bis vier Wiederholungen hinzufügst. Plane vier bis sechs Wochen vor deinem Wettkampf die 20× 400 m zu erreichen. Wenn du dich auf kürzere Rennen wie 5 km konzentrierst, kannst du alternativ mit kürzeren, schnelleren Intervallen beginnen und dann die Länge steigern. Z.B. von 20× 200 m über 20× 300 m auf 20× 400 m, mit jeweils einer 200 m Trabpause.
Natürlich ist 20× 400 m nichts magisches und vor der Strecke feststehendes. Statt genau eine Runde im Stadion zu laufen, kannst Sie auch für eine vergleichbare Einheit 20x 1:10-1:40 min auf der Straße mit jeweils 1:00 min Trabpause. Die genaue Länge eines jeden Intervalls und das Geländeprofil sind dabei nicht entscheidend.
So hart dieses Training auch klingt, du kannst aber selbst rechnen. 20× 400 m bedeuten lediglich 8 km Tempolauf. Nicht anders wie TL über 8x 1000 m. Incl. der Trabpausen sind dies insgesamt 12 km. Eine Distanz die du als DL oder gar TDL jederzeit absolvieren kannst. Es ist die mentale Herausforderung, das Training in so viele Teile zu zerlegen. Für einige unter uns ist allein die Angabe „20x" im Trainingsplan schlicht entmutigend. Diese vielen Wiederholungen zu absolvieren macht dich mental stark für Wettkämpfe. Dafür gibt es sicher auch noch andere Methoden, wie z.B. den langen Lauf auf einer 1000 m Runde zu absolvieren (z.B. Douglas Wakiihuri, Marathon-Weltmeister 1987), aber das ist nochmal ein anderes Thema.
Das eigentliche Problem liegt wie immer im Tempo. Wenn wir 400 m Läufe hören, denken wir unwillkürlich an "Sprint". Das ist aber nicht gemeint. Läufer wie Zatopek oder Ryun konnten diese 40 Wiederholungen laufen, weil sie ein eher "ruhiges" Tempo gewählt haben. Deine Anstrengung im Verlauf des Trainings zu verteilen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Ein hilfreicher Trick besteht darin, das Training in vier Sätze mit jeweils fünf Wiederholungen zu unterteilen, wobei nach jedem Satz eine zusätzliche 200 m Trabpause (also insgesamt 400 m) eingebaut wird. Laufe den ersten Satz mit deiner Halbmarathon-Geschwindigkeit und versuche dann, jeden nachfolgenden Satz etwas schneller zu laufen. Bis hin zur 10 km Geschwindigkeit. Der Gesamtaufwand sollte dennoch kontrolliert bleiben. Joyner empfiehlt, die "no-bend-over"-Regel zu befolgen: wenn du nach einem 400er anhalten und deine Hände auf die Knie legen musst, um wieder zu Atem zu kommen bevor du die Trabpause beginnst, dann warst du zu schnell.
Schau dir das Beispiel von Eliud Kipchoge an. Die von ihm gelaufenen 62-64 sec sind kaum schneller als seine 10.000 m Bestzeit (26:49 min = 64,3 sec/400 m). Er erreicht dabei nicht seine 5.000 m Geschwindigkeit (12:49 min = 61,3 sec). Auch Arthur Lydiard empfahl schon in den 1960er und 1970er Jahren im Formtraining für 5.000 m bis Marathon die 20x 400 alle 2 Wochen mit 1/4 Krafteinsatz zu absolvieren. Der 1/4 Krafteinsatz bezieht sich dabei auf die Durchschnittszeit der 3 schnellsten 400 m Rennen aus dem Vorjahr und wird von ihm in langen Tabellen dargestellt. Nun werden wir als Langstrecken kaum 400 m im Wettkampf laufen. Ich habe es mal für Eliud Kipchoge und anhand meiner Zeiten festgemacht. Es ergibt wieder eine 400m Zeit, die 1-2 sec (auf 400 m) schneller ist als die 10.000 m Geschwindigkeit.
Diese 20x 400 m kannst du übrigens das ganze Jahr laufen. Auch wir machen dies in unseren Greif-Trainingplänen und laufen sie z.B. schon Anfang Dezember. Dann aber deutlich langsamer, nämlich im Marathon-Renntempo! Das ist eher eine Art Tempowechsellauf! Wenn du sie dann regelmäßig einsetzt, kannst du dich kontinuierlich bis zum 10 km Tempo im Frühjahr vorarbeiten und so deine Form langsam entwickeln.
Natürlich werden die 400er auch in anderen, deutlich schnelleren Varianten eingesetzt. Dann werden sie allerdings mit deutlich weniger Wiederholungen (8-10) gelaufen. Gleichzeitig kann die Länge der Trabpause bis zu 400 m ausgedehnt werden.
Bezüglich der 20x 400 m betont Joyner, dass es wichtig ist, die richtige Mischung aus Selbstkontrolle, Entspannung und Konzentration zu finden. Wenn du dieses Training beenden kannst, fühlst du dich sicherlich müde, es "zerstört" dich aber nicht. Zugleich stärkt es dein Selbstvertrauen. Du wirst wissen, dass du bereit für deine Wettkämpfe bist.