Die Gewohnheiten der Läuferinnen und Läufer sind ja auf Strava, Garmin & Co gut zu studieren. Dabei fallen mir viele auf, die mit dem Einlaufen (Warmup) vor Tempoeinheiten, vor allem aber mit dem Auslaufen (Cooldown) doch sehr sparsam sind, um es vorsichtig zu formulieren. Da wird dann noch 500 m nach dem letzten Intervall gejoggt oder das Training abrupt ohne Auslaufen beendet. Warum dies negative Auswirkungen haben kann, darum geht es heute.
Um unsere Leistungsfähigkeit immer weiter zu steigern, müssen wir regelmäßig mittlere und hohe Intensitäten ins Training einbauen. Daran gibt es gar keinen Zweifel. Allerdings sollte die Anzahl der intensiven Einheiten in der Woche begrenzen, sie zum richtigen Zeitpunkt (mit genügend Abstand für die Regeneration) und mit einer individuell passenden Intensität absolvieren. Das mit dem Zeitpunkt haben wir uns bei der Betrachtung der Superkompensation bereits angeschaut.
Schwieriger wird es mit der Intensität. Da sind einige regelmäßig deutlich zu schnell unterwegs. Das Problem dabei sind oft Online-Trainingspläne, die auf "Zielzeiten" ausgerichtet sind. Das habe ich an dieser Stelle auch schon erklärt, das dies in der Regel nicht funktioniert. Wenn du gerade den Marathon in 3:30 h gelaufen bist, kannst du nicht nach einem Plan für 3 h trainieren. Warum nicht? Weil du dann auch die Geschwindigkeiten für 3 h im Training laufen musst. Das wäre für dich viel zu schnell und überfordert dich, wenn du gerade erst 3:30 h gelaufen bist.
Oder es gibt die Ungeduldigen, die nach längerer Verletzungspause im Frühjahr noch schnell "in Form" kommen wollen. Statt eines sinnvollen Aufbautrainings, werden dann die viel zu schnellen Intervalle ausgepackt. Andere wiederum kommen auf die Idee ausgefallene Tempoeinheiten an zwei aufeinanderfolgenden Tagen nachzuholen.
Damit kommen wir jetzt zum Problem des zu schnellen Loslaufens, der zu hohen, unangepassten Trainingsgeschwindigkeiten, zu viel Tempotraining bzw. ständig zu holen Tempo und ungenügender Regeneration. Das dies auch zu gesundheitlichen Problemen führen kann, dazu habe ich zwei interessante Videos gefunden. Die findest du weiter unten.
Wenn der Muskel beim Laufen arbeitet, dann produziert er immer Laktat, die sogenannte Milchsäure. Läuft man "langsam", im aeroben Bereich, dann wird Zucker und Fett zusammen mit genügen Sauerstoff zur Bewegungsenergie ATP umgewandelt. Bleibt man in diesem Bereich, wird genügend Sauerstoff über das Blut zugeführt, das Laktat bleibt im "Steady State", bei einem konstanten niedrigen Wert. D.h. das entstehende Laktat kann auch wieder abgebaut werden. Soweit so gut.
Was allerdings kaum jemand weiß, es entsteht auch Ammoniak. Dieses Ammoniak steigt auch im "Steady State" weiter. Leistungslimitierend sind hohe Laktatspiegel. D.h. wenn die Geschwindigkeit steigt, kommt nicht mehr genügend Sauerstoff in der Zelle an. Noch entscheidender sind allerdings hohe Ammoniakwerte. Diese hohen Ammoniakwerte entstehen, wenn zu schnell zu viel Energie unökonomisch verbraucht wird. Dies passiert bei zu hohem Tempo oder viel zu schnellem Loslaufen.
Was passiert in der Zelle? Wenn nicht mehr genügend Sauerstoff in der Zelle ankommt, wechselt die Zelle von Sauerstoffverbrennung zur Vergärung des Zuckers! Laktat ist eine ätzende Säure. Der ganze Prozess ähnelt dem Krebszyklus, also dem Stoffwechsel in der Krebszelle. Auch dort kommt des zur Vergärung in der Zelle. Das Ergebnis sind entzündliche Stoffwechselvorgänge, Produktion von Entzündungsbotenstoffen, hohe Harnsäure, viele freie Radikale, oxidativer Stress und viel Ammoniak.
Zu viel davon kann also auch krank machen. Das bedeutet für uns, wir sollten intelligent trainieren. Heißt: die Tempoeinheiten pro Woche z.B. auf 2 begrenzen, eine Intensität wählen die der eigenen Leistungsfähigkeit entspricht, langsamer und kontinuierlicher Aufbau über Wochen und Monate und bei den Einheiten langsam starten (gut Einlaufen und Erwärmen).
Mit einem kontinuierlichen Aufbau über den Winter trainieren wir nämlich die Laktat-Elemenierung. Wir bewegen uns in einem Tempobereich, in dem der Laktatspiegel nicht zu stark ansteigt und das Gleichgewicht zwischen Bildung und Abbau nahezu aufrecht erhalten werden kann. Gut trainiert kann der Körper das Laktat abbauen, unzureichend trainiert nicht. Daher auch immer meine Warnung in unseren Trainingsplänen nicht schneller zu laufen als angegeben. Dabei verzichten wir im Winter auch auf hochintensive Intervalle.
Im letzten Newsletter hatte ich die Frage nach dem Energiemangel bei HM geklärt. Dabei ging es auch darum, dass eben nicht nur gespeicherte Kohlenhydrate im Wettkampf verbrannt werden sollten. Es geht um die metabolische Flexibilität, d.h. die Fähigkeit des Körpers sowohl Kohlenhydrate (Zucker) als auch Fett ökonomisch zu verbrennen. Das haben wir an dieser Stelle vielfach bei der Betrachtung von Low Carb, ketogener Ernährung sowie in den Artikeln von Robert Krug beschrieben.
Diese metabolische Flexibilität (Kohlenhydrat- UND Fettverbrennung) zu erreichen ist die Aufgabe des Training und einer angepassten Ernährung. Da kommen vor allem die Nüchternläufe ins Spiel. Diese sind reines Stoffwechseltraining und sie trainieren die Laktatelemenierung.
ATP ist der Energieträger in den Zellen. Alles dreht sich um die Freisetzung von ATP. Umso mehr du hast, umso schneller läufst du. Dr. Mosetter hat es im ersten Video nochmal sehr anschaulich beschrieben:
Aus 1 Fettsäuremolekül werden 120 ATP produziert. Aus einem Zuckermolekül 34 ATP. Wenn nun zu schnell gelaufen wird (Vergärung!!!) dann entstehen nur 2 ATP. Das erklärt wiederum, warum du deinen Wettkampf mit zu hohem Tempo auf dem ersten km komplett in den Sand setzen kannst.
Bei der ATP-Bildung aus Fett entsteht keine Säure, kein Laktat! Fett kann nicht vergoren werden. Ziel des Trainings ist also der optimierte Fettstoffwechsel.
Kontraproduktiv sind hohe Intensitäten mit zu vielen Kohlenhydraten (Pizza, Pasta, Süßgetränke). Dies führt zur metabolischen Atzidose (Übersäuerung durch Laktat und Ammoniak).
Das ausreichende lockere Einlaufen (Warmup) vor dem Tempotraining hatte ich oben schon erwähnt. Nicht mit kalten Muskeln zu starten ist für die meisten auch noch nachvollziehbar. Zudem wird natürlich der Stoffwechsel auf Touren gebracht.
Damit kommen wir zum "Auslaufen" nach dem Training. Sinn dessen ist, den Laktat-Spiegel wieder möglichst weit nach unten zu bekommen. Die Säure soll möglichst schnell abgebaut werden. 500 m scheinen mir dafür nicht ausreichend zu sein. Du solltest schon 15-20 min im ganz lockeren regenerativen Tempo auslaufen und dabei möglichst viel Sauerstoff in den Körper pumpen. Ich kann mich an unser Training beim SCC Berlin im Mommsenstadion erinnern. 2x pro Woche. Die Runde zum Ein- und Auslaufen durch den Grunewald war 4-5 km lang.
Gut gesteuert bleibt das Training gesund und die Leistungsfähigkeit steigt. Dementsprechend haben wir die Greif-Trainingspläne seit vielen vielen Jahren ausgelegt:
- 2 Tempoeinheiten pro Woche, d.h. es bleiben 5 Tage Regeneration bzw. Training im Bereich des Fettstoffwechsels incl. des langen Laufes.
- Kontinuierlicher Aufbau und Anpassung im Wintertraining von niedrigsten Geschwindigkeiten und geringen Umfängen im November/Dezember bis zu höchsten Geschwindigkeiten und Umfängen im März/April.
- Exakt auf das persönliche Leistungsvermögen angepasste Geschwindigkeitsvorgaben. Somit ist keine Überforderung möglich.
- Ein- und Auslaufen in den einzelnen Einheiten integriert.
- 2 Regenerationszeiträume von je 4 Wochen pro Jahr.
Nun schaue dir aber gern die entsprechenden Videos an, aus denen ich oben zitiert habe:
Dr. med. Kurt Mosetter
Dr. med. Henning Sartor