Aus aktuellem läuferischen Anlass, gibt es heute noch einmal eine kurze Betrachtung des Energiebedarfs beim Wettkampf. Eigentlich haben wir dieses Thema in vielen Newslettern längst "abgearbeitet". Diese sind alle in unserem Newsletterarchiv zu finden. Allerdings erreichten mich in den letzten 2 Wochen wieder eine Vielzahl von Emails zum Thema "Wettkampf". Dabei ging es aber nicht um Zielzeiten oder Tempogestaltung, sondern vor allem um "Verpflegung im Wettkampf". Allerdings nicht für einen Marathon, sondern für die Halbmarathon-Distanz. Es ging immer um die gleiche Frage: "Was soll ich während des HM zu mir nehmen?".
Ich sitze dann recht ratlos vor dem Rechner und frage mich, woher diese Panik und Ängste kommen? Wo steht geschrieben dass die Energie bei HM ausgehen könnte? Das ähnelt der immer wieder herauf beschworenen Gefahr des Übertrainings. Da absolvieren die Läuferinnen und Läufer problemlos TDLs von 18 km im Training und für 3 km mehr reicht dann die Energie nicht? Natürlich haben Gel-, Riegel- und Pulver-Hersteller ein Interesse: verkaufen! Wenn von diesen dann Studien in Auftrag gegeben oder Artikel verfasst werden (auch von gesponserten Athleten), dann ist die Zielsetzung klar.
Am Wochenende brachte sich ein Läufer mit einem "Zuviel" an Riegel und Wasser sowohl 1 h als auch nochmal direkt vor dem Start eines HM um den Lohn des Trainings. In der Vorwettkampfaufregung, vermutlich aus reiner Panik, die körpereigene Energie könnte nicht reichen. Das Ergebnis waren massive Magen- und Darm-Probleme und ein leider verpatzter HM. Sehr ärgerlich. Hoffentlich mit den richtigen Schlussfolgerungen für den in 3 Wochen anstehenden Marathon.
Um eine Frage gleich zu Beginn zu klären. Am Wochenende herrschten (z.B. in Kandel) ideale Bedingungen: 6 Grad und wenig Wind. D.h. es bestand kein erhöhter Flüssigkeitsbedarf für den Halbmarathon. Ein paar Schluck (wenn überhaupt) gut temperiertes Wasser ca. 15 min vor dem Start sind in diesem Fall völlig ausreichend. Vorsicht, kaltes Wasser welches schon die Außentemperatur angenommen hat, kann dir schon auf den Magen schlagen.
Die entscheidende Frage ist also, ob einem beim Halbmarathon die Energie (also der Brennstoff) ausgehen kann. Ich beantworte die Frage ganz klar mit NEIN! Das ist ausgeschlossen. Wenn du am Ende des Halbmarathons langsamer wirst, dann nicht weil die Energie fehlt, sondern weil das Training gefehlt hat. Schauen wir es uns genauer an.
Für die Muskelarbeit benötigt der Körper Adenosintriphosphat (ATP). Dieses ATP kann entweder durch den Abbau von Kohlenhydraten (Glykogen) oder der Oxydation von freien Fettsäuren gewonnen werden. Aber auch Eiweiße können verstoffwechselt werden und 5–15 % am Gesamtenergiestoffwechsel abdecken.
Kohlenhydrate (Glykogen) werden als Muskelglykogen in der Skelettmuskulatur und in der Leber gespeichert. Die Glykogenspeicher in den Muskeln fassen zwischen 300 Gramm Glykogen bei einem Untrainierten und 600 Gramm bei einem gut trainiertem Ausdauersportler. Dazu kommen 100 bis 150 Gramm in der Leber. Zusammen kommt man also auf maximal 750, normalerweise aber eher 500 bis 600 Gramm. Das entspricht etwa 2.000 kcal verfügbarer Energiereserve an Kohlenhydraten.
Unsere Fettvorräte liefern je nach Studienlage etwa 7000 kcal pro kg Fett. Das ist bei jedem von uns mehr oder weniger reichlich als Unterhautfettgewebe vorhanden.
Wieviel Energie verbrauchen wir beim Laufen? Es gibt dafür eine Faustformel:
1 kcal pro kg Körpergewicht und Kilometer.
Ja, natürlich hat auch die Laufgeschwindigkeit noch einen Einfluss. Wenn man die entsprechenden Tabellen oder Rechner im Internet verwendet, stellt man aber fast, dass der Energiebedarf bei 10 km/h und 20 km/h gleich ist und es bei Geschwindigkeiten dazwischen Abweichungen von ca. 20-80 kcal gibt.
Für einen 70 kg schweren Läufer ergibt sich für den HM also ein Energiebedarf von ca. 1480 kcal. Auch unser Laufuhren berechnen inzwischen den Energieverbrauch für ein Training oder Wettkampf. Bei den Wettkämpfern des Wochenendes habe ich Angaben zwischen 1300 und 1650 kcal gefunden. Wie groß war gleich die gespeicherte Energiemenge aus Kohlenhydraten? 2000 kcal!
D.h. wir können kommen immer mit der vorhandenen Energie ins Ziel ohne auf der Strecke "nachzutanken". Das allein wenn der Körper nur Kohlenhydrate zur Energiegewinnung verwenden würde. Macht er aber nicht! So einfach schwarz-weiß funktioniert der Körper nicht. Es gibt immer eine "Mischverbrennung" von Kohlenhydraten UND Fetten. Auch weil die Laufgeschwindigkeit beim HM immer noch im Bereich der anaeroben Schwelle oder darüber (langsamer) liegt. Es ist also immer noch genug Sauerstoff für die Oxidation von Fett vorhanden. Der Anteil der Fettverbrennung an der Energiegewinnung ist umso höher, umso besser der Fettstoffwechsel trainiert und angepasst ist. Genau dafür absolvieren laufen wir doch den langen Lauf nüchtern! Und auch den einen oder anderen DL am Morgen. Um auch im Wettkampf auf die Fettreserven zurückgreifen zu können. Der o.g. Läufer ernährt sich übrigens ketogen! D.h. sein Fettstoffwechsel ist inzwischen perfekt optimiert.
Lass dich also nicht in die Irre führen wenn du in irgendwelchen Artikeln liest, dass die Kohlenhydrate nur für Belastungsdauer von 90 min reichen. Das ist eine rein theoretische Angabe unter der Voraussetzung dass ausschließlich KH verbrannt werden.
Die HM-Problematik hätten wir also hoffentlich endgültig geklärt. Du kommst immer mit deinen Energiereserven vom Start bis ins Ziel. Abendessen und ein leichtes Frühstück (3 h vor dem Start) sind komplett ausreichend. 15 min vor dem Start kannst du noch ein paar Schlucke Wasser trinken. Je nach Bedingungen (Temperaturen) nimmst du unterwegs an den Verpflegungsstellen auch etwas Wasser. Selbst das ist beim HM meist nicht notwendig.
Wie sieht es nun aber mit dem Marathon aus? Hier empfehle ich Läufern und Läuferinnen mit einer Zielzeit bis ca. 3:10 h auch ausschließlich Wasser auf der Strecke zu trinken. Warum? Auch für den Marathon gilt o.g. Faustformel. Der 70 kg schwere Läufer hat einen Energiebedarf von ca. 2950 kcal. Ein Club-Mitglied lief am Wochenende in Kandel eine 2:46 h. Strava zeigt hierfür einen Energieverbrauch von 2570 kcal.
Das würde bedeuten, dass die gespeicherten Kohlenhydrate nicht ganz ausreichen. Beim Marathon ist die Geschwindigkeit aber nochmal langsamer als beim HM und deutlich langsamer als die Geschwindigkeit an der anaeroben Schwelle. D.h. der Anteil der Fettverbrennung steigt hier nochmal kräftig an. Wenn wir denn den Fettstoffwechsel trainiert haben! Außerdem haben wir eine elegante Möglichkeit, die Menge der gespeicherten KH auf ca. 125% zu steigern. Dafür eignet sich die sogenannte Saltin-Diät.
Die Saltin-Diät, oder auch Schweden-Diät genannt, ist eine extreme Art des Carbo-Loadings. Ziel ist es, nach völliger Entleerung der Kohlenhydratspeicher in den Muskeln, diese anschließend auf (theoretische) 125% zu füllen. Nach dem Prinzip des ausgetrockneten Schwammes, der anschließend etwas mehr Wasser aufnehmen kann. Danach haben wir statt 500-600 g KH ca. 625-750 g KH zur Verfügung.
Eine Woche vor dem Marathon beginnst du deine Kohlenhydratspeicher zu leeren. D.h. nach dem Lauf am Sonntag lässt du KH komplett weg. Du isst dann z.B. nur noch Fleisch, Fisch, Käse, Nüsse, Feldsalat, Spinat, Champignons und Avocados. Ausschließlich Fett und Eiweiß ist angesagt. Bis zum Mittwoch trainierst du so ganz normal weiter. Nach der letzten Tempoeinheit am Mittwoch (Wettkampftag Sonntag) heißt es dann bis zum WK: rein mit den Kohlenhydraten! Alles was geht. Auch wenn du dich z.B. vorher ketogen ernährt hast. Dann gilt: Train low, compete high!
Allerdings ist zu beachten, dass die Saltin-Diät auch einige Risiken birgt. Läufer und Läuferinnen mit einem empfindlichen Magen/Darm, können mit der Verdauung während der Fett-Eiweiß-Tage Probleme bekommen. Außerdem wird die Psyche und Physis stark gefordert. Das Immunsystem wird geschwächt und Reizbarkeit und Müdigkeit können auftreten. Ich selbst habe das Verfahren vor jedem Marathon angewendet und hatte nie Probleme.
Optimierter Fettstoffwechsel in Verbindung mit der Saltin-Diät vor dem Wettkampf, schon kannst du auch als schnellerer Läufer beim Marathon auf die Verpflegung (außer Wasser) unterwegs verzichten. Wie du den Fettstoffwechsel trainierst haben wir an dieser Stelle ausreichend beleuchtet. Nüchterntraining, vor allem den langen Lauf. Nüchtern loslaufen und auch unterwegs keine KH zuführen. Natürlich musst du dich langsam in diesem Bereich vorarbeiten und steigern. Nicht von 0 auf 100. Wir haben unsere Mitochondrienstrategie nach Dr. Feil oder auch die ketogene Ernährung, die für wunderbare Adaption des Fettstoffwechsels sorgt.
Wenn du beim Marathon etwas brauchst, versuche es doch mal mit einem Gel-Wasser-Gemisch in deiner Trinkflasche. So schenkst du dir das Aufreißen von Gel oder Riegel und musst nicht in der anderen Hand bereits den Wasserbecher zum nachspülen haben. Die Trinkflache lässt du dir von der Familie oder Freunden an festen Punkten der Strecke oder durch eine Fahrradbegleitung zureichen. Das ist nahezu bei jedem Marathon (außer vielleicht bei Meisterschaften) möglich.