Hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, ob das Internet richtig weiser macht? Denn dort gibt es doch so eine unglaubliche Menge von Infos, die unser aller Wissen potenzieren könnte.
Ich schreibe mit Bedacht "könnte". Die Praxiserfahrung zeigt, dass im Netz nicht sorgfältig gelesen wird, sondern nur noch "gescannt" wird. D.h., es wird nur diagonal gelesen und eventuell werden Schlagworte aufgenommen. Die durchschnittliche Verweildauer eines Besuchers auf unseren Webseiten ist 90 Sekunden.
Du weißt sicher, dass wir individuelle Trainingspläne anbieten. Jedes neue Greifclub-Mitglied bekommt bei seinem ersten Plan eine Gebrauchsanweisung. Das sind 1,5 DIN-A4 Seiten, also ein übersichtlicher Zeitaufwand.
Du kannst dir gar nicht vorstellen, was mich manches Mal nach dem ersten Planbezug für Mails erreichen. Es wird überraschend oft explizit das nachgefragt, was in der Gebrauchsanweisung steht. In jüngeren Jahren bin ich bei solchen Anfragen fast aus dem Format gefallen.
In der Zwischenzeit habe ich mich daran gewöhnt, dass einfach nicht mehr richtig gelesen wird, aber es ärgert mich immer noch. Und in genau diese Kerbe schlagen Kritiker von Dr. Ulrich Strunz, die mir schreiben, warum denn unser Dr. uns die Kohlenhydrate verbietet.
Das schlimme bei diesen Mails ist, dass teilweise eine Sprache verwendet wird, die völlig unangepasst ist. Es geht sogar in den Bereich der Beleidigungen. Diese Texte leite ich grundsätzlich nicht an Uli Strunz weiter, so etwas hat er nicht verdient.
Uli arbeitet auch für uns Läufer und Läuferinnen und er denkt und schreibt kostenlos für uns. Wir sollten aber immer daran denken, dass nur etwa 15% von seinen Lesern zu unserer Gruppierung gehören.
Das dann die Texte von Uli Strunz dennoch in unserem Newsletter landen, hat mit seiner sportlichen Vergangenheit als Läufer und Triathlet, sowie seiner Freundschaft zu mir zu tun.
Und wenn er dann schreibt, dass Kohlenhydrate für die verfettete Allgemeinbevölkerung schädlich sind, dann ziehen sich einige Läufer diese Jacke an. Und so schrieb mir unter anderem Jochen Walz nachfolgenden Text:
"Lieber Herr Greif, ich bin nicht Mitglied im Greif-Club und beziehe auch keine Trainingspläne von Ihnen. Vielleicht ist es mir trotzdem erlaubt, als interessierter Leser Ihrer Newsletter eine Frage zu stellen.
Zum Thema Ernährung gibt es in Ihren Newslettern kein eindeutiges Pro oder Con für bestimmte Ernährungsformen. An einer Stelle empfehlen Sie, direkt nach einer Trainingseinheit Kohlenhydrate in Form von Fruchtsaft zu sich zu nehmen, an einer anderen berichten Sie über Ihren Low-Carb-"Selbstversuch" zur Gewichtsreduktion.
Nun gewinnt man aber durch die Ihrem Newsletter ebenfalls regelmäßig beigefügten Ausführungen von Dr. Strunz den Eindruck, mit jedem Gramm an Kohlenhydraten schlägt man einen weiteren Nagel in seinen Sarg. Und er führt gute Argumente dafür an, dass dies zumindest für den durchschnittlichen Bürger einer westlichen Industrienation auch so ist.
Mir persönlich fällt es aber ziemlich schwer, meinen Kalorienbedarf in intensiveren Trainingsphasen ohne Kohlenhydrate zu decken (ich laufe ab und zu Ultratrails - nur auf "Ankommen" im Zeitlimit, was aber bei bis zu 100 Meilen mit einigen tausend Höhenmetern auch eine gewisse Herausforderung darstellt, und trainiere darauf mit Wochenumfängen von 100 bis über 150 Kilometern). Ich bin mir sicher, dass es nicht wenigen der von Ihnen betreuten Läufer auch so geht. Abgesehen davon mag ich ab und zu eine Portion Pasta, und auch ein Glas Weißbier - selbstverständlich alkoholfrei - darf es mal sein.
Ich weiß, dass das Thema Ernährung heikel ist. Gibt es jenseits aller teilweise ideologisch gefärbten Diskussionen über Low-Carb, vegetarisch, vegan, pal o etc. trotzdem einen Konsens, welche Zusammensetzung der Ernährung für den ambitionierten Freizeitsportler vernünftig ist (bzw. wie sich die meisten Leistungssportler ernähren)? Also welcher Anteil an Kohlenhydraten, tierisches/pflanzliches Eiweiß, tierisches/pflanzliches Fett. Und zu welchem Zeitpunkt?
(Die diesjährige Gewinnerin des Western States 100 ernährte sich während des Trainings z.B. tags über eher KH-arm, und abends KH-reich, was eigentlich gegen alle mir bekannten Empfehlungen verstößt.) Und sind bei regelmäßigem Training KHs ebenso schädlich, wie dies die von Dr. Strunz angeführten Studien andeuten?
Sollte nur ich mir Gedanken über die teilweise auseinandergehenden Aussagen machen, dann können Sie meine Frage ignorieren. Falls dies von allgemeinem Interesse ist, können Sie ja gelegentlich einen Newsletter diesem Thema widmen.
Natürlich können Sie meine Frage auch gerne an Herrn Dr. Strunz weiterleiten (dessen Neuigkeiten ich auch meist interessant finde - auch wenn ich ab und zu ganz anderer Meinung bin - wie zum Beispiel bei dem kürzlich verharmlosend wirkenden Kommentaren zum Thema "Doping").
Wenn die von ihm geschilderten Fälle ("neue Bestzeit mit Low-Carb") allgemeine Gültigkeit haben, dann müssten Sie als Trainer dies ja eigentlich allen von Ihnen betreuten Läufern dringend empfehlen.
Wie schreiben Sie immer so schön - mit einem Lächeln."
Ich habe ihm dann mit der nachfolgenden Mail geantwortet:
"Hallo Jochen! Du interpretierst die Texte über Kohlenhydrate von Uli Strunz nicht richtig. Er schreibt für Normalbürger Kohlenhydrate, Zucker, und nicht für uns. Nur weil diese Texte in unserem Newsletter veröffentlicht werden, glaubt eine hohe Anzahl von Läufern, dass sie auch von der Empfehlung wenig Kohlenhydrate zu sich zu nehmen, betroffen sind.
Dieser Gedanke ist aber falsch und Uli Strunz hat auch schon mehrfach darauf hingewiesen: Ambitionierte Läufer können ohne Probleme Mengen an Kohlenhydraten zu sich nehmen, denn die werden während Training und Wettkampf ruckzuck verbrannt. Anders die allgemeine Bevölkerung, die aus dem Zucker schöne dicke Fettpolster macht.
Also, Uli Strunz und ich sind einer Meinung: Der hart trainierende ambitionierte Läufer braucht Kohlenhydrate, die sind bei ihm auch nicht schädlich. Denn wenn er von einem Tempodauerlauf oder der Langen Runde wieder zuhause ist, dann gilt es möglichst schnell die geleerten Glykogenspeicher wieder aufzufüllen.
Dazu dürfen wir aber nie vergessen, dass zusammen mit dem Zucker immer Protein zugeführt werden muss. Du musst immer bedenken, dass die Kohlenhydrate nur das Benzin und das Eiweiß der Baustoff unseres Körpers ist.
Du solltest dir immer bewusst sein, dass jede Trainingsanstrengung auch einen Verbrauch von Protein nach sich zieht. Dieses gilt es zu ersetzen, um die Fähigkeiten deines Körpers zu erhalten.
Und du solltest eines nicht vergessen: Dein Organismus ist so genial, dass er locker aus Eiweiß Zucker machen kann, aber er ist zu doof um aus Kohlenhydraten Proteine zu machen!
Also gilt: Eiweiße sind essenziell, aber Kohlenhydrate nicht. Aber du wirst dich fragen, warum du nach der Belastung so einen Hunger auf Kohlenhydrate, sprich Zucker hast und nicht auf Proteine.
Der ist ganz einfach: Zucker ist die am schnellsten zur Verfügung stehende Energie. Sie wird besonders bei einer anaeroben Belastung zwar ganz schnell verballert und anschließend auch meist innerhalb von 24 Stunden wieder ersetzt, wenn du Kohlenhydrate zu dir nimmst.
Anders ist es, wenn du deine Regeneration nur mit Eiweiß unterstützt. Dieses muss erst in Aminosäuren zerlegt werden und dazu brauchst du auch entsprechende Enzyme. Diese musst du dir aber auch erst antrainieren, d.h. nur beim Vorhandensein dieser Enzyme in ausreichender Menge kannst du dich mit reinem Eiweiß genauso schnell regenerieren wie mit Zucker.
Aber es braucht seine Zeit. Weil dabei viele von uns ungeduldig sind, wenn sie bemerken, dass eine Erholung am Anfang mit viel Protein und wenig Kohlenhydraten langsamer vonstattengeht, dann gehen sie lieber wieder zurück auf die gewohnten Mehlprodukte.
Es gibt aber dennoch einen Ausweg, dies sind die reinen Aminosäuren, die auf dem Markt angeboten werden. 5-10 Tabletten geschluckt und so stehen innerhalb von Minuten dem Organismus diese Aminosäuren zur Verfügung. Sie müssen nicht umständlich von Enzymen zerlegt werden.
Das ist die beste Möglichkeit, die Regeneration möglichst optimal und schnellstens herbeizuführen. Ich ärgere mich, dass es zu meiner Zeit solche Möglichkeiten nicht gegeben hat.
Mein besonderer Tipp für dich: Nach dem Marathon-Zieleinlauf mit dem ersten Getränk im Ziel sofort 10-15 Tabletten Amino4U oder MAP schlucken. Deine massiv angegriffenen Muskeln - auch das Herz ist ein Muskel - werden deutlich schneller repariert als ohne diese Maßnahme."