Ist es Ihnen auch schon so gegangen, dass Sie neue wissenschaftliche Ergebnisse fast umhauen? Wenn ja, dann setzen Sie jetzt besser hin, denn unter Umständen wird Ihr Ernährungs-Weltbild empfindlich gestört.
Sie wissen sicher, dass uns von den Ernährungs-Wissenschaftlern immer gepredigt wurde: "Esst vor dem Marathon Kohlenhydrate, Kohlenhydrate und noch mal Kohlenhydrate. Bloß kein Fett!" Kohlenhydrate sind immer noch wichtig, aber das mit "kein Fett", habe ich nie geglaubt und auch nie danach gehandelt. Man kann nämlich so viel Kohlenhydrate essen wie man will, es tritt niemals eine Sättigung von längerer Dauer ein, obwohl die Anzahl der Mahlzeit-Kalorien eigentlich dafür langen müsste. Das lässt den Schluss zu, dass der Körper einen Mangel anzeigt. Sie kennen das sicher auch, erst wenn nach einer solchen Mahlzeit etwas Fettes, sei es ein Stück Käse oder ein Riegel Schokolade, den Magen erreicht, kommt ein zufriedenes Sättigungsgefühl auf. Auch Proteine tragen wesentlich mehr zur Sättigung bei als Kohlenhydrate.
Pizza als ideale Vor-Wettkampf-Mahlzeit
Natürlich habe ich an dieser Stelle auch den Verzehr von reichlich Kohlenhydraten nach Training und Wettkampf empfohlen, habe mich aber niemals völlig von dieser Theorie vereinnahmen lassen. In diesem Sinne habe ich auch schon in 2002 eine Pizza als ideale Vor-Wettkampf-Mahlzeit empfohlen. Das hat mir Kritik eingetragen. Herbert Steffny: "Durch den Käse viel zu fett!"
Studien über intramuskuläre Triglyceriden
Nun gibt es aber zwei Studien, die völlig unabhängig voneinander festgestellt haben, dass es mit den intramuskulären Triglyceriden (IMTG) in der Muskulatur ein Speicherfett gibt, welches zur Energiegewinnung im Ausdauerbereich dient. Sie versorgen die arbeitenden Muskeln mit Fettsäuren, die nicht aus dem Fettgewebe stammen. Und das auch bei höheren Intensitäten! Das eigentlich wirklich bahnbrechende an diesen Studien ist, dass sich diese IMTGs während Training und Wettkampf verbrauchen und wenn sie sich verbrauchen, müssen sie auch ersetzt werden.
Die Bedeutung von IMTG in der Muskulatur wurde schon früher kontrovers diskutiert. Es kam aber zu keiner Einigung, weil zu Ihrer Bestimmung eine umständliche Muskelbiopsie nötig war. Seit der Einführung eines bildgebenden Verfahrens, der Magnetresonanz-Spektroskopie, konnte die Kontroverse beigelegt werden. Dr. Alexandra Schek, Leistungssport, September 2004: "Es steht zweifelsfrei fest, dass das in den Muskelfasern gespeicherte Fett über einen weiten Intensitätsbereich zur Bildung von ATP beiträgt." ATP ist der eigentliche Muskeltreibstoff, die letztendliche Energieform, die unsere Leistung begrenzt.
Wenn sich IMTG ebenso wie das Glykogen während des Sports verbrauchen, dann müssen beide Speicher in der Erholungsphase wieder aufgefüllt werden. Das bedeutet, dass neben Kohlenhydraten (und Proteine) auch Fette verzehrt werden müssen!!!
Ergebnisse der Studien
Von D. E. Larson-Meyer et. al. (alle Quellen in "Leistungssport"!) wurde nun untersucht, wie sich der Verzehr einer Kost mit einem geringen bzw. moderaten Fettgehalt (10 bzw. 35 Energieprozente (Achtung, nicht Fettprozente)) sich auf die IMTG-Sythese nach zweistündiger Laufbandbelastung bei 67 % der maximalen Sauerstoffaufnahme auswirkt. An der Studie nahmen sieben Frauen teil, deren Trainingsziel ein Marathon oder Triathlon war.
Die Untersuchung des IMTG-Gehalts im Wadenmuskel Soleus vor und nach der Laufband-Belastung ergab eine Verminderung von 25 %. Die Ernährung mit dem moderaten Fettanteil führte innerhalb von 22 Stunden zur Wiederauffüllung der Fettreserven, nach 70 h sogar zu einer Superkompensation. Dagegen waren bei der Kost mit dem niedrigen Fettgehalt die IMTG-Speicher auch nach 70 Stunden noch nicht wieder aufgefüllt.
Praktisch zum gleichen Schluss kamen L.J.C. van Loon et. al. in ihrer Studie. Es zeigte sich bei Radfahrern, dass nach einer Ausdauerbelastung eine entsprechende Erhöhung des IMTG-Gehaltes der Muskulatur nur bei einer Kost mit einem moderaten Fettgehalt innerhalb 48 h eintrat. Dies geschah aber nicht nach eine "typischen kohlenhydratreichen Sportlerdiät".
Dr. Aexandra Schek schreibt: "Die Resultate beider Studien zeigen....., dass 35 - 40 Energieprozent Fett in der Kost von Ausdauersportlern mit hohem Leistungsniveau nicht nur vertretbar, sondern sogar empfehlenswert sind. Fett fördert die Regeneration und wirkt sich positiv auf die Immunfunktion aus."
Fazit zu Nahrungsfetten
Was gilt jetzt noch? Immer noch müssen wir darauf achten, dass unsere Ernährung kohlenhydratreich und proteinreich ist. Wir müssen aber uns vor Fett nicht fürchten. Wer vor oder nach harten Ausdauerbelastungen Appetit auf etwas Fettes hat, sollte diesem Trieb nachgeben. Das Stück Sahnetorte, die Portion Pommes-Frittes, die Tafel Schokolade, die Handvoll Nüsse, ein paar Kekse oder der Salat mit Mayonnaise sind keine Sünden, sondern erwünscht. Auch nach einer "großen Runde" sollten Sie unbedingt etwas fettreicher essen als gewohnt.
Denken Sie bitte unbedingt daran: Es dauert 3 Tage bis es bei den IMTGs zu einer Superkompensation kommt. Erst am Wettkampf-Vorabend etwas fetter zu essen reicht nicht aus, damit müssen Sie früher beginnen.
Noch ein Hinweis: Wenn oben steht "35 - 40 Energieprozent Fett sind erwünscht", dann heißt das, dass Ihre Ernährung nicht mehr als 20% Fett enthalten soll. Das liegt daran, dass in einem Gramm Fett ungefähr doppelt soviel Energie verborgen ist, wie in einem Gramm Kohlenhydrate oder Protein.
Warnen kann man nur die "Nudelfetischisten"!
Eine Portion Nudeln mit roter Sauce ist keine optimale Vor-Wettkampf-Ernährung! Unter dem Gesichtspunkt, dass für einen erfolgreichen Marathon gefüllte Fettspeicher in den Muskeln nötig sind, wird mir einiges klar. Das Versagen im Rennen von Läufer(innen), die sich besonders Mühe in der Vorbereitung gaben und dadurch Fett mieden wie die Pest, ist jetzt erklärbar: Ohne Fett kein Bestzeitenjubel!