Kennst Du die größte Trainings-Sünde, den Du jetzt begehen kannst? Nein, nicht die vielen Plätzchen, die bald auf den Tisch kommen und auch nicht der Glühwein auf dem Adventsmarkt. Die größte Sünde ist das Hinausschieben eines aufbauenden Trainings in die Tage nach dem Jahreswechsel.
Dieses Hinwarten ist so etwas von üblich in unserer Szene, dass Du die ganze Konkurrenz mit einem frühen Trainings-Start überlisten kannst. Während die anderen sich im Sessel noch die Füße kratzen, bist Du schon draußen und bereitest die sportliche Hinrichtung von Holger Meier vor. Natürlich ist es jetzt dunkel und kalt, aber da musst Du durch und Holger kann Dich zumindest nicht sehen und reagieren. Sein dummes Gesicht, wenn Du ihn zum ersten Mal abziehst, wird Dich für Kälte, Dunkelheit, Regen, Schnee und Wind entschädigen.
Du zeigst Dir mit dem Start in die Dunkelheit selbst, dass Du kein weicheieriger Puschenträger bist. Ja, Du schmunzelst, aber gerade dann raus zu gehen, wenn die anderen noch schlafen und von den Bestzeiten des ablaufenden Jahres träumen, erzeugt in Dir ein ganz besonderes Lebensgefühl.
Der irische Pater Colm O'Connell, der in der St. Patrick's High School von Iten in Kenia, die größte Anzahl der kenianischen Weltklasseläufer(innen) entdeckt und trainiert hat, erzählte einmal bei einer DLV-Trainer-Fortbildung von den dortigen Athleten, die morgens um 5:45 Uhr aufstehen, um um 6:00 in dem noch dunklen Morgen ihr erstes Training zu beginnen. Dies in einem Land, in dem ein Aufstehen in der Dunkelheit praktisch unbekannt ist. Colm O´Connell sagte: "Immer wieder berichten mir meine Läufer(innen), dass sie sich gerade beim Durchlaufen, der noch im tiefen Schlaf befindlichen Dörfer, als etwas ganz besonderes fühlen. Es erzeugt in ihnen ein Gefühl des Ausgewähltsein und der moralischen und körperlichen Überlegenheit."
Idealer Trainingsmonat Dezember
Es geht nun aber schließlich nun nicht allein um Dein Lebensgefühl, sondern um die harten Fakten sportlicher Leistung in 2005. Warum ist es denn eigentlich so wichtig, jetzt schon mit dem Training zu beginnen? Der Dezember ist noch ein idealer Monat, um umfangreich zu trainieren. Meist sind die Temperaturen noch nicht so tief und Schnee liegt meist auch keiner. Es gibt keinerlei Tempozwänge, es wird noch leicht und spielerisch trainiert. Am Wochenende gibt es in der Regel keine Wettkämpfe, so kann man ohne Probleme eine "Lange Runde" laufen. Sicher wirst Du Dich an manchen Januar und Februar erinnern, in denen viele lange Trainingsläufe durch Schneefall ausfielen. Darum laufe, so lange der Boden noch frei ist!
Du brauchst für einen überdurchschnittlichen Erfolg im kommenden Jahr ein umfangreiches aerobes Training in der Vorbereitungsphase über 3 Monate. Diesem Umfangstraining lässt Du dann Dein Wettkampf-Vorbereitungs-Training folgen. Dann kannst Du schon einmal einen Nachruf auf Deine bisherigen persönlichen Rekorde verfassen.
Es ist durchaus Usus, dass aerobes Training mit langsamen Training verwechselt wird. Das ist nun leider nicht so. Aerob läufst Du in etwa bis zum Marathon-Renntempo, das Halbmarathon-Renntempo hat schon einen kleinen anaeroben Anteil, es ist aber auch nicht schädlich, wenn Du es jetzt ab und zu einschlägst, denn gerade diese beiden Tempi gilt es für die kommende Saison zu trainieren. Je öfter Du diese Geschwindigkeit übst, desto lockerer und mit weniger Kraftaufwand kommst Du im nächsten Frühjahr in das Ziel. Wer locker ist, spart Energie und ist schneller im Ziel.
Mit Spezial-Einheiten das Renntempo trainieren
Wahrscheinlich schießt jetzt durch Deinen Kopf der Gedanke an Training im Marathon-Renntempo. "Um Himmelswillen, was ist das schon wieder für eine Keulerei!" Keine Angst, es gibt sehr schonende Methoden mit der man in dieser Zeit das Renntempo trainieren kann. Jede Woche setzt Du einfach eine Spezial-Einheit ein. Und zwar beginnst Du mit:
1. Woche
20 x 200 m im Marathon-Renntempo mit 400 m regenerativen Dauerlauf als Pause zwischen den Zweihundertern.
2. Woche
20 x 300 im Marathon-Renntempo mit 400 m regenerativen Dauerlauf als Pause zwischen den Dreihundertern.
3. Woche
20 x 400 im Marathon-Renntempo mit 400 m regenerativen Dauerlauf als Pause zwischen den Dreihundertern.
Die ganze Einheit wird ohne jede Pause durchgelaufen. Du brauchst Dich auch nicht großartig einzulaufen, wenn Du mit dem langsamen Tempo startest, reicht das.
Ich kann Dich nur ausdrücklich warnen: Diese Einheit hat absolut nichts mit den Hochgeschwindigkeits-Übungen des Frühjahrs zu tun. Wenn Dir vor dem Start schon das Adrenalin aus allen Poren tritt, Du den Trainingspartner(in) Killerblick in den Augen hast und Du den für Dich erfreulichen Gedanken hegst: "Bei den Dauerläufen schlägt er mich ja immer, aber über 200 m bin ich schneller," dann hast Du Dir sinnbildlich die falschen Schuhe angezogen.
Hier geht es nicht um die Sprintwertung, sondern Du solltest möglichst präzise Dein im nächsten Jahr angestrebtes Marathon- oder Halbmarathon-Renntempo treffen. Verstößt Du gegen diese Empfehlung, dann produzierst Du ein kleines 14 Tage-Leistungshoch, dem eine mindestens vierwöchige Leistungsdepression folgt. Dieses Tief hast Du Dir in diesem Fall auch redlich verdient, denn wie hieß es früher so schön: "Wer nicht hören will, muss fühlen!"
Im positiven Fall hingegen, wirst Du eine ruhige und stete Formentwicklung haben, die Dich dann, wenn Du Leistung brauchst, auch nicht im Stich lässt.