Es tut mir wirklich Leid um Sabrina Mockenhaupt, dass die Szene nun erartig auf ihr herumhackt, das hat sie nicht verdient. Sie ist noch eine junge Frau und kann und wird von ihren Fehlern lernen, da bin ich mir ganz sicher, denn wir alle sind nicht auf die Welt gekommen als perfekte Läufer oder Läuferinnen.
Dazu muss ich auch einmal etwas beichten. Im Jahr 1973 lief ich als dreißigjähriger völlig unerfahrener junger Mann meine erste deutsche Meisterschaft in Eschborn bei Frankfurt. Das waren noch Zeiten, als es vorher noch eine ärztliche Untersuchung gab, die festlegte, ob man überhaupt starten dürfe.
Aber niemand sagte dir, dass du vor dem Start etwas trinken müsstest und genauso verriet dir niemand, wie du dich bei den damaligen hohen Temperaturen am 16. September verhalten solltest. Und das wurde mir zum Verhängnis.
Vom Start weg liefen wir alle los, wie wir es für richtig hielten. Km-Angaben? Ja, alle 5 km! Es war Nachmittag, der Himmel war wolkenlos und die Temperaturen um die 25°. Soweit ich mich erinnern kann, rannten wir auf einer 5 km Runde und jedes Mal, wenn wir gegen die Sonne liefen, sank ich in mich zusammen.
Es war so, als wenn ein riesengroßer Scheinwerfer speziell auf mich gerichtet wäre, um mich zu verbrennen. Von Runde zu Runde wurde ich deutlich schwächer und ich weiß nicht ganz genau, aber irgendwann ging ich. Beim nächsten Durchlaufen des Start-Ziel-Raumes war Schluss mit dem Marathon.
Geärgert habe ich mich über diesen Ausstieg nicht, denn ich war völlig mit meinen Kräften am Ende. Diese Bedingungen in Eschborn müssen wirklich ungewöhnlich gewesen sein, denn der Sieger Lutz Philipp aus Darmstadt siegte mit 2:24:39 h. Im Vorjahr, lief er noch bei guten Bedingungen in Dudenhofen noch eine 2:16.
Ich schwor mir es beim nächsten Mal besser zu machen. Die Gelegenheit kam schon im Frühjahr des nächsten Jahres in Dülmen. Mit 2:33 h sprang auf dem Maisfelderkurs in Dülmen eine neue Bestzeit heraus. Im Herbst dann abermals eine Deutsche Meisterschaft und das diesmal in Husum an der Nordseeküste.
Diesmal war keine Runde zu absolvieren, sondern es war eine Wendestrecke und das war super. Vom Start weg blies uns ein sehr starker Wind direkt zur Halbmarathonmarke hin. An dieser hatte ich das Gefühl den Schimmelreiter auf seinem Pferd zu sehen: 1:09 h an der Wende. Träume, Glücksgefühle und Sensationen durchrasten meinen Körper.
Du wirst sicher schon ahnen was kommt: Der Wind auf dem Rückweg war grausam und eiskalt. So langsam schrumpfte ich vom gefühlten Sensationsläufer herab zu einem Häufchen Elend. Soweit ich mich erinnere, gab es nur an der Wende eine Wasserstelle und die suchte ich in meiner Euphorie aber nicht auf.
So schleppte ich mich dann temposterbenderweise dem Ziel entgegen, welches ich bei 2:37 Stunden erreichte. Einige Leute, die mich damals gesehen haben, meinten, ich hätte ausgesehen wie eine Leiche. Das war richtig, denn so wie ich mich fühlte, war ich eine.
Völlig ausgekühlt musste ich 20 Minuten lang unter der heißen Dusche stehen, um mich irgendwie wieder bewegen zu können. Der Veranstalter hatte uns ein Schwimmbad mit 26 °C Wassertemperatur zur Verfügung gestellt und in dieses versuchte ich dann einzusteigen um ein paar Runden zu schwimmen.
Schon wenn ich nur bis zu den Knien in das Wasser kam, fing mein ganzer Körper an sich zu schütteln, vergleichbar mit einem Hund, der sein Fell vom Wasser befreit. Nochmal 10 Minuten unter die heiße Dusche und ein zweiter Versuch. Der wiederum dazu führte, dass mein Körper abermals fürchterlich durchgeschüttelt wurde.
Es ging wohl allen Teilnehmern bei dieser deutschen Meisterschaft in Husum nicht besonders gut. Aber ich erinnere mich noch ganz genau an den strahlenden frischgebackenen Meister Toni Gorbunow mit 2:21 h bei der Siegerehrung. Aber eine tolle Zeit war das nun auch nicht.
Aber wie auch immer, es dauerte bei mir Stunden, bis ich wieder auf Normaltemperatur war. Zudem waren wir aufgrund des Windes wohl alle ziemlich ausgetrocknet, denn ich musste erstmals spät abends, nach dem wir alle wieder in Berlin waren, wasserlassen.
Und dann kam der große Schreck: Am Becken stehend, erschrak ich mich so, wie ich es kaum jemals erlebt hatte. Mein Urin verließ tiefschwarz meinen Körper und bildete im Becken eine ebenso farbige Pfütze.
Am nächsten Morgen war der Urin blutrot gefärbt und so suchte ich umgehend einen Urologen auf. Nach einer Blasenspiegelung stand fest, dass mehrere Flächen meiner Blase entzündet waren. Verdacht des Arztes: Tuberkulose.
Mit diesem Verdacht lebte ich dann eine gute Woche, in der mein Urin aber normal farbig blieb. Nach dieser Woche kam dann das Untersuchungsergebnis mit dem Resultat, dass es keine Tuberkulose war.
Erst Jahre später erfuhr ich durch eine medizinische Fachzeitschrift, dass der Grund für das Bluten der Blase während einer Belastung eine zu geringe Trinkmenge war. Die Blase fällt, wenn sie leer ist praktisch zusammen wie ein nicht aufgeblasener Luftballon. Diese liegt dann zusammengefallen mit ihren Häuten aufeinander.
Das hat zur Folge, dass sich die inneren Flächen der Blase gegeneinander scheuern und so entstanden die entzündeten Flächen, die mit zunehmender Dauer der Bewegung zu bluten anfingen.
Erst mit diesem Ereignis, fing ich an, mich mit dem Trinken im Wettkampf zu beschäftigen und bin niemals wieder mit einem leeren Magen losgelaufen. So hat meine Blase auch niemals wieder geblutet.
Die Gedanken zu diesem Text sind mir durch eine Anfrage eines Läufers gekommen, der schrieb, dass er nach einem Marathon schwarzen Urin gelassen habe. Er meinte aber dazu: "Blut kann es ja nicht sein, denn es war alles schwarz was rauskam."
Nachgelesen, warum das Blut in der Blase schwarz wird, habe ich nicht, ist auch ziemlich egal. Es wird denaturiert und nimmt dann eine andere Farbe an. Denn wichtig ist, dass du weißt, wenn dein Urin blutig oder schwarz ist, dann hast du zu wenig getrunken.
Aus diesen ganzen Erfahrungen heraus, lernten wir älteren Läufer dann, wie wir unsere Getränkezufuhr managen konnten. Leider ist daraus heute ein Verhalten erwachsen, welches an eine Trunksucht erinnert. Es wird im Rennen oft viel zu viel getrunken. Und eines steht fest: Zu viel Trinken hilft nicht, sondern schadet nur. Zu wenig auch!