Hast Du Dir schon einmal überlegt, welche Deiner Trainingseinheiten die wirksamste ist? Nicht einfach zu beantworten, oder? Mir selbst fiel die Antwort auch nicht sofort ein. Ich musste lange überlegen und kam dann zum Schluss, dass es für den Marathon die 35 km-Einheit ist. Hättest Du sicher auch nicht anders erwartet von mir, oder! :-)
Aber außer Marathon laufen wir auch noch andere Strecken und für alle diese Wettkämpfe von 5000 m - Marathon ist der Tempo-Dauerlauf die Trainingseinheit mit der höchsten Wirksamkeit. Tempodauerläufe entwickeln unsere Leistung sicher und schnell. Wer sie nicht zu oft einsetzt, kann sich mit einer solchen Einheit auch kaum überfordern. Darum ist diese Übung auch die wichtigste Trainingseinheit eines leistungsorientierten Langstreckenläufer(in)s.
Um allen den Fuss vom Gashebel zu ziehen, die mir nun auf Grund des letzten Satzes wieder schreiben, weise ich ausdrücklich darauf hin, dass in den folgenden Zeilen der Tempodauerlauf im aerob/anaeroben Übergangsbereich gemeint ist.
Wichtigstes Merkmal des Tempodauerlaufs ist seine Grenzwertigkeit, er wird nämlich genau an der aeroben Dauerlaufschwelle absolviert. Oder anders ausgedrückt: Du wählst das höchste Tempo welches Du noch 10 - 15 km durchhalten kannst. Das ist wahrlich nicht einfach, Dein Organismus wehrt sich gegen diesen Anspruch eines so hohen Tempos. Im Grunde ist diese Art von Dauerlauf ein Wettkampf mit sich selbst. Im Jargon heißt das: "Ich war die ganze Zeit am Anschlag!" Der anzustrebende Pulsbereich liegt bei etwa 85% Deines Höchstpulses.
Dieses "am Anschlag Laufen" erfordert eine ganz hohe Konzentration auf Dich selbst. Du musst immer prüfend fühlen, ob Dein Tempo stimmt. Versuche das höchstmögliche aus Dir herauszukitzeln. Frage Dich immer wieder: "Kann ich noch schneller?" aber auch "Bin ich nicht zu schnell, kann ich das Tempo auch durchhalten?" Leiste Dir keine Temposchwankungen (vorausgesetzt gerade Strecke, kein Wind). Ein exellent gelaufener Tempodauerlauf zeichnet sich durch eine Geschwindigkeits-Schwankung von weniger als 10 sec/km aus. Setzte Deinen ganzen Ehrgeiz daran, möglichst schnell dabei und möglichst gleichmäßig zu laufen. Dieser eigene Anspruch an eine Gleichmäßigkeit, schützt Dich vor der Gefahr zu schnell anzugehen oder Dich zu überfordern.
Ich selbst hatte früher immer so eine Art Hassliebe zu den Tempodauerläufen. Ich hasste es, ihn überhaupt zu starten, denn ich wußte ganz genau: Jetzt musst Du zeigen was du drauf hast!! Denn diese Trainingsform ist ein unbestechliches Formbarometer. Zudem war in den damaligen Zeiten innerhalb unserer großen Gruppe jeder Tempolauf ein Wettkampf. Wenn du auch nur einen km zu langsam liefst, hing dir schon dein erster Holger Meier am Hintern.
Was aber liebte ich an dem Tempodauerlauf? Es war das Gefühl solch einen schnellen Lauf geschafft zu haben, die Endorphine durchfluteten dich, verliehen dir scheinbar Flügel, rauschhafte Gefühle liessen schmerzende Muskeln vergessen. Man fühlte sich danach einfach großartig, noch großartiger war es aber, wenn Holger wieder einmal 10 sec nach dir um die Zielecke keuchte. Und dann die Laufzeit, das war der unbestechliche Punkt! Du wusstest nach dem Zieleinlauf genau auf welchem Leistungsniveau du standest. Natürlich versuchten diejenigen, die langsamer als erwartet liefen, die Bedingungen für ihr schlechtes Resultat verantwortlich zu machen: Gegenwind auf der ganzen Strecke, Hitze, Kälte, fette Kartoffelpuffer und zu große Umfänge vor diesem Training, alles wurde hergesucht. Dies nutzte aber nicht viel, die "Hausnummer" stand.
Eine Sonderform des Tempodauerlaufs ist der Stundenlauf, eine eigentlich großartige Trainingsform für Anfänger und Fortgeschrittene. Besonders für erstere ist diese Einheit eine Übung, die ohne Probleme zu meistern ist (mit Anfängern sind Trainingsneulinge gemeint, keine Gesundheitsjogger, die noch keine 60 min durchhalten können). Auch Leute mit sehr knapper Zeit können vom Stundenlauf profitieren, denn er erlaubt eine exakte Zeitkalkulation.
Wie wird nun diese 60 min Trainingseinheit abgewickelt? Du brauchst dazu keine besondere Runde, sondern nur einen einigermaßen flachen Streckenabschnitt von ca. 10 km Länge. Stelle Deine Laufuhr in den Rückwertszählmodus (Nullzählalarm) auf 30 min. Du startest unter Tempodauerlauf-Bedingungen wie oben beschrieben und läufst exakt 30 min in eine Richtung, wenn Deine Uhr piept, wendest Du und läufst dann in der folgenden halben Stunde wieder zurück zum Start. Dabei solltest Du aber auch ziemlich genau in einer Stunde wieder dort sein. Erreichst Du Deinen Ausgangspunkt früher (sollte nicht passieren!) musst Du über diesen hinauslaufen, so lange bis die 60 min beendet sind.
Merke Dir genau an welcher Stelle Du gewendet hast und wie weit Du eventuell über das Ziel hinausgelaufen bist. Versuche beim nächsten Mal weiter zu laufen. Du wirst sehen, das geht ganz prächtig. Du kommst immer mehr voran und wirst schon süchtig danach, irgend einen weiter vorn gelegenen Fixpunkt an der Wende zu erreichen. Fortgeschrittene sollten den Stundenlauf nur einmal in vier Wochen einsetzen, Anfänger durchaus auch zweimal.
Interessant ist es, auch Stundenläufer bei dieser Übung zu beobachten. Da gibt es einmal den Feigling. Dieser Typ läuft den 30 min Hinweg langsamer als möglich, um dann beim Rückweg richtig aufzudrehen, mit der Idee schon im Ziel zu warten, wenn die anderen Mitläufer kommen. Die ja, wenn es richtig gemacht wird, innerhalb von wenigen Sekunden gleichzeiteitig im Ziel sein sollten. Es tauchen auch Schwindler auf! Diese wenden einfach ein paar Sekunden oder auch Minuten früher und überraschen alle mit ihrer tollen Leistung.
Oft ist auch der Lauftreffbeste auffällig, dessen Ehrgeiz ist es in der Regel auch im Stundenlauf den Sieger zu stellen. Da in Zielnähe innerhalb einer Gruppe alle Beteiligten immer näher zusammenrücken, drehen die Cracks dann auf wie wild, um nur ja als Erster im Ziel zu sein. Manchmal erscheint die/der Faule, die/der 30 min extra langsam läuft, um nicht so weit laufen zu müssen. Arm dran ist bei dieser Einheit auch der, der immer auf dem Rückweg, niemals aber auf dem Hinweg, in den Busch muss und immer nach den anderen mit verkniffenem Gesicht und erleichtertem Bauch in das Ziel kommt.