Spätestens mit dem Jahreswechsel kommt auch die letzte Läufer-Trägheitskugel ins rollen. Wer noch immer in Puschen und weiten Hosen (kneift nicht so!) auf dem Sofa sitzt, träumt zumindest jetzt schon einmal von guten Zeiten und Siegen über Olga und Holger Meier. "Ach, wäre das schön! Möglich wäre es ja, Holger hat irgendetwas von 3 kg zuviel gemurmelt."
Aber bei dem Gedanken an den Trainingsaufwand und dem zur Zeit schlechten Wetter, schüttelt sich unser Puschenbäuchling, gluckert sich noch ein Bier ein und denkt: "So ein Schmierwetter und ich müsste 35 km laufen, wenn ich Holger abziehen will. Wie fange ich das bloß an? Höchstens 25 km schaffe ich jetzt in einem Stück und dann muss ich gehen. Und das bei diesem Regen. Ach, eigentlich ist Holger ja ganz nett."
Natürlich wissen wir alle, dass die Olgas und Holgers dieser Welt alle ganz nett sind, aber doch wollen wir vor Ihnen im Ziel sein, denn dieses Gelästere geht uns auf den Geist. Irgendwann hat jeder von uns schon einmal gehört, dass lange Läufe von 35 km Länge bei der schnellen Bewältigung von Holgers auf der Marathonstrecke helfen sollen. Und das ist auch völlig richtig! Wer keine 35 km im Training läuft, wird niemals das aus sich raus holen können, was in ihm steckt.
Wenn Du natürlich gar nicht vor hast schnell zu sein, sondern möchtest die Strecke nur schaffen, dann reichen auch 30 km als längste Einheit. Aber grundsätzlich raten würde ich Dir dazu auch nicht, denn Du bekommst ein gesundheitliches Problem mit einer solchen "Schoni-Vorbereitung". Warum, werde ich in den kommenden Zeilen noch versuchen zu erklären.
Nun wirst Du sicher auch schon warnende Stimmen gehört haben, dass es gerade die 35 Trainings-km sind, die Schäden an der Orthopädie verursachen. Gerade Ärzte warnen davor so lange zu laufen. Da soll es Untersuchungen geben, die belegen, dass bei diesen langen Läufen die Muskeln geschädigt werden. Die Laufzeitschriften berichten weit und breit über die Gefahren, lösen Ängste aus und die Laufzeiten der deutschen Marathoner(innen) fallen in immer tiefere Schamregionen.
Eine bodenlose Weicheierei zieht sich durch unsere Szene. Das ist kein Vorwurf an die, die es aus gesundheitlichen Gründen vorsichtig angehen lassen. Die Gefahren sind scheinbar da. Und da ein 35 km-Lauf weh tut, werden die Aussagen von Ärzten und Wissenschaftlern durch Selbsterfahrung auch noch gestützt. Da bleibt man doch lieber bei seinen 25-30 km, läuft zwar etwas langsamer als möglich, bleibt aber gesund. Solche Gedanken kann man niemand übel nehmen.
Und seien wir doch ehrlich zu uns selbst, wenn uns ein Fachmann sagt, dass wir weniger trainieren sollen und dass gleiche damit erreichen können, dann nehmen wir doch solche Tipps gerne an. Da schließt sich der Schreiber dieser Zeilen nicht aus. Auch ich lege jetzt in meinem fortgeschrittenen Alter die Beine lieber hoch, als mich 35 km lang mit Pfützentauchen, Eiskunstlauf und Schneeflügen zu vergnügen.
Warum nun aber kommen die Wissenschaftler auf diese Idee, dass ein Trainierender Schaden nehmen kann durch die ganz langen Läufe. Die ersten Warner kommen aus der orthopädischen Ecke: "Die 4 h-Läufer sind viel zu lange unterwegs auf den 35 km, sie schädigen ihren Knorpel und sollen lieber nur höchstens 30 laufen."
Ein Schmarren mit einem inneren Widerspruch. Wird denn ein Marathon für einen 4 h-Läufer kürzer, wenn er als längste Trainings-Strecke nur 30 km läuft? Mitnichten, denn der große Schaden im Knorpel kommt dann erst recht im 42,2 km-Rennen. Denn der Knorpel des Untertrainierten ist nicht annähernd an die Streckenlänge angepaßt. Und jeder von uns weiß nur zu gut, dass man einen Marathon nicht so leicht aufgibt, auch wenn die Knie schmerzen, wie Holzsplitter unterm Fingernagel. Immer drauf auf den Knorpel, egal was die Chondrozyten (Knorpelzellen) kosten.
Ich kann Dir nur raten, baue Dich langsam auf. Erhöhe die Anzahl Deiner Trainings-km kontinuierlich verlängere ebenso die Strecke Deiner längsten Einheit bis auf 35 km. Fange mit "kurzen" Wettkämpfen, wie z.B. 10 km-Rennen an. Laufe ein paar Halbmarathons und gehe dann erst in Deinen ersten Marathon.
Gib Deinen Knochen, Muskeln, Sehnen und auch Deinen Knorpelschichten Zeit sich an erhöhte Belastungen anzupassen. Als ersten Wettkampf einen Marathon zu wählen, ist eine üble Gesundheitssünde. Das was im ZDF-Film von "0 auf 42" gezeigt wurde, war in Teilen schlichtweg eine Sauerei. Übergewichtige Frauen zu einem Marathon ohne eine Grundvorbereitung zu treiben, ist einfach unmenschlich.
Aber wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen, denn Unmenschlichkeit soll ja gerade hinter meinen Trainingsplänen stecken. Meine Antwort auf diese ständigen Vorwürfe: Ja, ja!
Ich werde die "Unmenschlichkeit" noch weiter treiben, in dem ich Dir aufzeige, dass an der Sache mit den Muskelschäden durch lange Läufe auch nicht viel dran ist. In der nächsten Woche werde ich darüber berichten, wie Du es anstellst ohne Schaden auf die 35 km-Trainingstreckenlänge zu kommen. Und wie Du es schaffst in diesem Frühjahr einen ganz großartigen Marathon zu laufen.