Der Juli ist für uns Läufer(innen) der typische Abschlaffmonat, wesentlich besser hört sich natürlich Regenerationzeitraum an. Von der Gestaltung dieses Zeitraums hat so jeder seine eigene Vorstellung. Wenn man einmal bei der allgemeinen Läuferschaft nachfragt, bekommt man meist so etwas zu hören: "Im Juli da fahre ich in die Berge, da kann ich nicht trainieren." oder "Nach Mallorca, da ist es so heiß, da kann´ste einfach nicht laufen!", auch "Jetzt mache ich erst einmal ruhig und halte mich mit Rad fahren fit". Diese Liste könnten wir noch lange fortsetzen und auch Du wirst sicher eine eigene Idee haben, wie Du den Hochsommer verbringen möchtest.
Ich gönne wirklich jedem Einzelnen seine Ruhephase, wer ernsthaft trainiert, muss eine 3 bis 4-wöchige Regeneration einlegen. Aber diese Pause sollte aktiv gestaltet werden, es gilt gewisse Grundfertigkeiten zu erhalten, diese gehen sonst innerhalb der Regeneration verloren und sind später sehr schwer wieder zu erwerben.
Warum das alles so ist, kannst Du Dir klar machen, wenn Du Dir vorstellst, dass Du durch Training Deinen eigenen Energiewagen einen Leistungsberg hochschiebst. Erst ist der Berg flach, Deine Wagen füllt sich zwar mit Energie, Du kommst aber den Leistungsberg noch gut hoch, Du wirst schneller und ausdauernder. Nach einiger Zeit aber wird Dein Wagen durch die antrainierte Energie immer schwerer und weil Du Dich am Leistungsberg nun schon in steileren Regionen befindest, wirst Du deutlich langsamer, Dein Zuwachs an Schnelligkeit und Ausdauer wird kleiner.
Bald wird der Berg sehr steil und der Wagen so schwer, dass Du ihn nicht mehr weiter bekommst, Deine Laufleistungen stagnieren oder gehen zurück. Du bist erschöpft und kommst nicht mehr voran. Bald geht nichts mehr, Du musst Dich ausruhen, neue Kraft schöpfen und mit der Regeneration beginnen.
Du löst die Hand und Fuß von Deinem Energiewagen und legst Dich erst einmal in das Gras des Leistungsberges. Streckst die müden Knochen und blinzelst in die Sonne. Nach einer Woche Sonnenschein, Hefeweizen, Eiskremorgien und 2 kg Fettrippe mehr, schaust Du mal wieder nach Deinem Leistungswagen. Oh Schreck, Bestürzung, Panik, er rollt ja schon ganz weit unten den Berg herunter und verliert auch noch ständig Energie.
Ach, denken die meisten jetzt, war ja ein alter Wagen, trainiere ich mir doch einen neuen an. Dann kommt aber die Erinnerung wie teuer dieser im Frühjahr erkauft wurde und es keimt die Idee: Gibt es nicht eine Möglichkeit den eigenen Energiewagen weiter oben am Berg zu stoppen?
Ja, diese Möglicheit gibt es und zwar durch Setzen von so genannten Erhaltensreizen. Du kannst den zu Tal rauschenden Leistungswagen zwar nicht ganz stoppen, seine Geschwindigkeit aber entscheident mindern. Im Sinne des Erhaltensreiz wird Dir vielleicht die Idee kommen, jetzt in dieser Zeit noch ein bisschen zu trainieren, obwohl Du der Familie versprochen hattest, sich nur um sie zu kümmern. Etwas Training ist nicht falsch, aber den größten Erfolg wirst Du haben, wenn Du auch an den Extremen arbeitest. Das heißt an der Ausdauer auf der längsten Trainingsstrecke und der Sprintgeschwindigkeit.
Wenn Du diese beiden weiter trainierst, werden alle Leistungsmöglichkeiten, die unterhalb dieser beiden Extremen liegen, deutlich besser erhalten, als wenn Du mit normalen Trainingsumfängen und -Tempo etwas "herumdokterst".
Die Sache mit der Ausdauer ist schnell erledigt: Einmal in den 4 Regenerationswochen musst Du Deine längste Einheit laufen, am besten nach etwa 14 Tagen Erholzeit, dann fällt Dir der spätere Einstieg deutlich leichter, als wenn Du Dich in dieser Zeit nur zu ein paar Alibirunden aufraffst. Insgesamt aber solltest Du Deinen gewohnten Umfang um 25 - 33 % herunterfahren und nur regenerative bis extensive Dauerläufe absolvieren. Alles schön langsam und erholsam, auch wenn Holger Meier, dieser Jogginganarchist und Muskelmetzger wieder Tempo macht. Bleibe ruhig, lasse ihn toben, ab Mitte August kannst Du ihn am Berg dann fragen: "Holger hast Du Scherzen oder warum stöhnst Du so?"
Allein zum Erhalt der Schnelligkeit musst Du aber den Schontrott einige Male unterbrechen, in dem Du ab und zu eine Steigerung einschiebst. Nun machst Du vielleicht denken, ich will ja Marathon laufen, da muss ich doch nicht sprinten! Leider ist das ein Trugschluss, vernachlässigst Du Deine Schnellkraftfähigkeit, verlierst Du mit der Herabsetzung der Grundschnelligkeit auch an Fähigkeit langsamere Geschwindigkeiten locker laufen zu können.
Grundschnelligkeit hat auch immer etwas mit Koordination zu tun und die beste Koordinationsschulung des ausgereiften Läufers(in) ist die Steigerung. Anders als im Winter als wir über 100 - 200 m langsam steigerten und mit einer mittleren hohen Geschwindigkeit abschlossen, sind die jetzigen Steigerungen mit etwa 50 - 70 m deutlich kürzer. Es wird jetzt schnell gesteigert und mit Sprintgeschwindigkeit abgeschlossen. Aus dem Dauerlauftempo heraus zieht Du Dein Tempo hoch, so dass in etwa nach 25 m die Höchstgeschwindigkeit erreicht ist, dieses Tempo wird bis zum Ende durchgehalten. Sofort nach Abschluss der Steigerung wird mit hohem Knie ausgetrudelt und die vorherige langsame Geschwindigkeit wieder aufgenommen.
Es gibt leider ein Problem, welches besonders, aber nicht allein Ältere oberhalb der 50 Jahre betrifft: Durch Steigerungen kann man sich sehr schnell Muskelverletzungen in der hinteren Oberschenkel-Muskulatur zuziehen!
Darum kann ich Dich nur bitten: Taste Dich langsam an die Sprintgeschwindigkeit heran und "keule" nicht gleich beim ersten Steigerungsversuch los wie ein gedopter US-Sprinter. Besonders wichtig ist so eine Maßnahme, wenn Dein Holger Meier neben Dir läuft. Beschleunige immer gleichmäßig und bleibe locker. Nicht am Ende alle Muskeln mit aller Kraft einsetzen. Wichtiger ist der lange Schritt über die gesamte Steigerung hinweg (auch verletzungsgefährdent!!).
Regel: Nimm erst die Kniee hoch, bevor Du den Schritt verlängerst!
Von diesen Steigerungen solltest Du zweimal in der Woche jeweils 5 Stück machen. Du wirst spüren, wenn es wieder los geht, dass Du deutlich lockerer als sonst bist. Die Muskulatur "spielt" ihr Lied präziser und Du benötigst weniger Energie in allen Tempobereichen.