Das neue Jahr hat seinen Start hinter sich und wir alle gehen mit neuem Schwung und klaren Zielen in die kommende Wettkampfsaison. Ich greife heute das Thema "Bodenkontaktzeiten" vom 12.12.05 noch einmal auf.
Dauer des Bodenkontakts verringern
Für uns stellt sich die Frage: Wenn die Dauer des Bodenkontakts so wichtig ist, wie kann ich denn diese Zeit verringern? Ich kann dir jetzt schon eines sagen: Es gibt Möglichkeiten, aber einfach ist es nicht. Als erste Maßnahme dient natürlich ein Abspeckprogramm, je weniger unnötiges Fett jemand mit sich herum trägt, desto kürzer werden auch seine Bodenkontaktzeiten. Ingesamt werden die Wettkampfzeiten auch durch die Verringerung des Körpergewichts besser.
Du wirst dich wundern, wie viel Zeit du mit dem Verlust von Unterhautfett gut machen kannst. Hier kommst du zu einem Rechner, der dir genau sagt, wie schnell du nach einer Gewichtsverringerung laufen kannst.
Bitte denke aber daran, dass dieser Gewichtsverlust realistisch sein muss. Die Mails, die mir von einigen zu diesem Rechner geschrieben wurden, wie: "Wenn ich bei 75 kg Körpergewicht 50 kg abnehme, kann ich Marathon-Weltrekord laufen", zeugen bei dem Schreiber schon von einem fortgeschrittenen Verlust grauer Zellen. Auch die Mails von empörten Frauen mit dem Vorwurf, ich würde der Magersucht Vorschub leisten, hätten sich diese Damen unter einer realistischen Betrachtungsweise sparen können.
Kontaktzeiten durch Sprungprogramme verringern
Bodenkontaktzeiten lassen sich auch durch lauf- und sprungtechnische Übungen verringern. Zum Bespiel kann man leere Schuhkartons aufstellen und diese möglichst schnell in kleinen Schritten und Vorfußaufsatz überlaufen. Ebenso schult ein Hüpfen auf der Stelle mit einer möglichst geringen Kniebeugung die Bodenkontaktzeiten. Auch hier sollte die Idee sein: der Boden ist heiß und es soll möglichst schnell wieder abgesprungen werden. Es gibt noch mehr dieser Übungen, zu denen braucht es aber meist einen kompetenten Menschen, der korrigiert.
Dieses Training schlägt gut bei Personen an, die einen entsprechenden Anteil schnellkräftiger Muskulatur besitzen. Bei reinen Ausdauertypen wirkt eine solche Übung nur mäßig bis gar nicht. Wir hatten bei uns in der LG Seesen vor Jahren mit J.R.O einen begabten Jugendlichen, der über ganz hervorragende Ausdauerfähigkeiten verfügte. Er konnte zwar die 5000 m unter 16 min laufen, aber 1000 m nicht unter 3 min.
Ich stellte ihm dann ein Programm auf, um seine athletischen und Schnellkraftfähigkeiten zu entwickeln. Unter anderem auch Sprungprogramme, um die Bodenkontaktzeiten zu verringern. Der Junge gab sich wirklich alle Mühe und war auch überragend ehrgeizig. Er trainierte diese Dinge bis zu fünfmal in der Woche. Nach einem halbem Jahr haben wir dann getestet. Ergebnis: Praktisch keine Fortschritte im Schnelligkeitsbereich.
Spezial-Training meistens hilfreich
Heute weiß ich, warum diese Programme nicht wirkten. Seine roten (Ausdauer-) Muskelfaser reagierten viel zu langsam auf die reflektorisch ausgelegten Sprungsprogramme. Die damals viel gepriesenen Kraftüberlagerungsspitzen konnten gar nicht entstehen. Die Auswirkungen in der Praxis waren so, dass J.R.O durch seine mangelnde Schnelligkeit immer wieder durch die Talentsichtung des DLV´s fiel.
Maßlos ärgerte er sich dann auch, dass 3 Jungen unseres Vereins an Welt- und Europameisterschaften teilnahmen und er trotz ähnlicher Leistungen nicht berücksichtigt wurde. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem bekannt wurde, dass J.R.O Manschaftskamerad M.J. für die Junioren-Europameisterschaft in Birmingham nominiert wurde. An diesem Tag stand ein 10000 m Tempolauf auf dem Programm, den beide liefen. Mit einer Wut über seine abermalige Nichtberücksichtigung für diese Titelkämpfe rannte J.R.O die 10 km in 31:42 (17 Jahre war er damals alt) und nahm M.J. 90 sec ab.
In einem Wettkampf erreichte er diese Zeit niemals. J.R.O ist dann dann durch seine mehrfache Enttäuschung früh auf die Marathonstrecke gegangen und lief als 18-jähriger 1986 beim Berlin-Marathon schon eine 2:28 h. Leider gab er das Leistungstraining nach dem Beginn seines Medizinstudiums auf und betätigt sich heute nur noch als Freizeitläufer.
Diese Zeilen sollten dir klar machen, dass ein Spezial-Training zur Verbesserung der Bodenkontaktzeiten nicht immer von Erfolg gekrönt sein muss. Aber es sollte kein Grund sein nicht daran zu arbeiten, denn meistens klappt es. Nur wenige haben einen so hohen Anteil von Ausdauerfasern, dass ein Versuch sinnlos erscheint.
Zum Schluss noch ein Rat in dieser Hinsicht: Arbeite an deinen Schwächen, setze aber auf deine Stärken.
Apropos Schwäche: Ich bin wieder gesund! Vor Weihnachten hatte ich mir eine böse Lungenentzündung zugezogen und war damit natürlich 14 Tage weg vom Laufschuh. Aber ich bin jetzt schon wieder auf der Piste, so eine schlaffe Lungenentzündung haut doch einen alten Marathoner nicht um.